Manchmal läuft es sich wie von selbst, manchmal ist es richtig mühsam – in solchen Momenten könnten sensorische Daten und eine App weiterhelfen.

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Die Beine sind schwer, der Atem unregelmäßig, der Kopf will nicht mehr: Wer schon einmal – oder öfter – mit dem Laufen angefangen hat, kennt die Situation. Aber es ist nicht nur das Laufen, das herausfordernd sein kann. Der innere Schweinehund macht vielen einen Strich durch die Rechnung, bevor die Laufschuhe überhaupt geschnürt sind. Und dann gibt es auch noch das Problem der Überlastungen: Wer beim Laufen zu früh zu viel von seinem Körper fordert, verletzt sich vielleicht – und muss dann erst recht pausieren. Kurzum: Aller Anfang ist schwer.

Smarte Technologie könnte beim Laufeinstieg aber helfen: eine App zum Beispiel, die mit Sensoren am Körper verbunden ist und so erkennt, wenn es mühsam wird – und gegensteuert. Sie könnte dann einen Beat oder die passende Musik vorgeben, an die sich Atem- und Schrittfrequenz anpassen, um in einen Laufrhythmus hineinzufinden. Eine solche App könnte auch dazu motivieren, wenn schon länger kein Lauf getrackt wurde und im richtigen Moment eine Joggingrunde vorschlagen, um das psychische Wohlbefinden zu steigern. Oder die Läuferin bei körperlicher Ermüdung im Sport einbremsen, damit sie sich nicht überfordert.

Neue Apps und smarte Kleidung

Dazu wird im Rahmen des Projekts Digital Motion in Sports, Fitness and Wellbeing derzeit geforscht: Die Digitalisierung der menschlichen Bewegung steht im Zentrum des Comet-Projekts der Forschungsgesellschaft FFG, bei dem Unternehmen mit wissenschaftlichen Einrichtungen vernetzt werden – gefördert vom Klimaministerium. Seit 2018 arbeitet unter anderem die Sportwissenschaft der Universität Salzburg mit der Salzburg Research Gesellschaft und Sportartikelherstellern wie Adidas und Atomic zusammen.

Eine wichtige Frage ist zum Beispiel, wie man Laufanfängerinnen dazu motivieren kann, dranzubleiben. Ein Ansatzpunkt ist smarte Bekleidung, die mit Sensoren Parameter wie Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität und Atmung misst, oder, noch weiter in die Zukunft gedacht, ihre Luftdurchlässigkeit erhöht, wenn man zu schwitzen beginnt.

Neu ist das Sammeln von Daten nicht: Die Fitnessuhr gehört für viele mittlerweile genauso zum Lauf wie der Laufschuh. "Gemessen wird heute schon zur Genüge", sagt auch Thomas Stöggl, wissenschaftlicher Projektleiter und Sportwissenschafter an der Universität Salzburg: "Die Herausforderung ist aber, dass durch die gesammelten Daten auch tatsächlich ein Zusatznutzen entsteht."

Anstrengender, aber glücklicher

Für eine Studie, die 2020 durchgeführt wurde, wurden 30 Laufanfängerinnen im Alter von 18 bis 30 über mehrere Monate drei Mal pro Tag mit einer eigens entwickelten App zu ihrer subjektiven Vitalität befragt. Außerdem stand drei Mal pro Woche ein 30-minütiger Lauf auf dem Programm. Dabei ging es um die Frage, wie sich diese Laufintervention auf die Vitalität von Anfängerinnen auswirkt.

"Wir sind mit unserer Studie genau in einen Lockdown hineingekommen", erzählt der Sportpsychologe Günter Amesberger von der Universität Salzburg: "Aber ein zentrales Ergebnis war, dass die Frauen trotz Lockdowns keine Reduktion ihrer Vitalität hatten." Das stehe im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung: "Das Laufen hat also stabilisierend gewirkt."

Die Hälfte der Läuferinnen durfte drei Mal pro Woche in einem Tempo ihrer Wahl laufen. Die andere Hälfte bekam Vorgaben, was die Intensität anging, und musste an manchen Tagen ein flotteres Tempo anschlagen. "Die höhere Intensität hat zu einer höheren Vitalität geführt als die niedrigere Intensität", sagt Amesberger. Das widerspreche der sportwissenschaftlichen Annahme, dass es eher niedrigintensive Einheiten – langsame Läufe und Spaziergänge etwa – sind, die das Wohlbefinden eher steigern.

Positive Nebenaspekte

Und noch eine Erkenntnis konnte aus der Studie mit den Laufanfängerinnen gewonnen werden: Die Sporteinheit wirkt sich sogar am Folgetag noch positiv auf die Vitalität aus. Viele weitere Aspekte, die bei den Teilnehmerinnen erhoben wurden, werden derzeit noch ausgewertet, beispielsweise hinsichtlich des Menstruationszyklus oder des Gaps zwischen der Absicht, laufen zu gehen, und der tatsächlichen Umsetzung dieses Vorhabens. Geplant sind jetzt auch Nachbefragungen, ob die Teilnehmerinnen seit dem Ende der Studie im Sommer 2020 beim Laufen geblieben sind.

Bis zum Abschluss des Forschungsprojekts Anfang 2023 gibt es noch viele Pläne: "Die Grundlagen aus der Sportwissenschaft übersetzen wir jetzt in Algorithmen und Demonstratoren", sagt Elisabeth Häusler, Head of Human Motion Analytics Research Group bei Salzburg Research. Neben datengetriebenen Fragestellungen wird auch daran getüftelt, über welche Technologien die bereitgestellten Informationen Nutzerinnen zur Verfügung gestellt werden können. Denkbar ist das beispielsweise mittels Handys oder Kopfhörer, einer speziellen Brille oder eines Sensors am Körper. "Da entscheidet sich, ob das störend oder förderlich empfunden wird", sagt Stöggl.

Der Skischuh denkt mit

Das System soll sich nur dann melden, wenn es Verbesserungsbedarf gibt. Etwa wenn, wie eingangs erwähnt, Schritt- und Atemfrequenz nicht zusammenpassen. Damit könnte sich nebenbei ein harmloses, aber schmerzhaftes Problem beim Laufen lösen: Seitenstechen. Zwar ist sich die Wissenschaft bis heute nicht einig, wo genau die Schmerzen herrühren. Es gibt laut Stöggl aber eben Hinweise darauf, dass es am Verhältnis von Schritt- und Atemfrequenz liegen könnte.

Ersetzt diese immer smarter werdende Technologie irgendwann die professionelle Trainingsbegleitung? Nein, glaubt Stöggl, sie soll den Trainer oder die Trainerin nicht ersetzen, sondern supporten, indem sie Informationen zuliefert.

Neben der Laufforschung werden auch gemeinsam mit dem Sportartikelhersteller Atomic ein smarter Skischuh und smarte Ski entwickelt, um zum Beispiel Informationen über Fahrstil, Können und auch darüber, ob Ski oder Skischuh überhaupt zum Wintersportler passen, zu sammeln. Das sei spannend für den Hochleistungssport, sagt Stöggl, aber auch für den Hobbybereich. Dann muss man nämlich beim Skikauf nicht mehr selbst berichten, wie gut man die Bretter im Griff hat – "das führt ohnehin meist zu einer Überschätzung". Stattdessen könnte die Skiausrüstung künftig selbst darüber Auskunft geben.

Mühsame Läufe und fordernde Tage auf der Piste wird es weiterhin geben. Aber immerhin wird man dann vielleicht den Grund dafür wissen – und dranbleiben, um es beim nächsten Mal besser zu machen. (Franziska Zoidl, 9.7.2022)