Die Teuren: Für viele Bestandskunden steigen die Preise, doch vorerst noch langsam

Es ist eine kleine Wissenschaft, wie Energieversorger jenen Strom und jenes Gas einkaufen – bei Strombörsen oder großen Energiekonzernen –, den bzw. das sie später an ihre Kundinnen und Kunden weiterreichen. Im Allgemeinen gliedert sich dieses Einkaufsverhalten in drei Teile: Ungefähr zu einem Drittel decken sich die Versorger lange Zeit vorab, viele Monate oder gar ein Jahr, mit Energie zu festen Preisen ein. Zum zweiten Drittel kaufen sie die Energie nur wenig Zeit vorher, einige Wochen. Das dritte Drittel schließlich wird auf dem sogenannten Spotmarkt gekauft, also unmittelbar vor der Weiterreichung an die Kunden.

Aus diesem Grund sind manche Versorger – das können etwa die Landesenergiegesellschaften sein – noch nicht im vollen Ausmaß von den Höchstpreisen für Gas und Elektrizität betroffen, die derzeit am Weltmarkt vorherrschen. Einiges von der Energie, die sie weiterreichen, haben sie nämlich schon vor langer Zeit gekauft.

Entsprechend kommen viele Bestandskunden – also jene, die schon länger bei einem Versorger unter Vertrag stehen – derzeit noch vergleichsweise gut und günstig davon. Sie bekommen unter Umständen noch Energie geliefert, die der Versorger bereits vor längerer Zeit gekauft hat. An viele Bestandskunden geben viele Versorger daher die hohen Preise vorerst noch langsam weiter.

Wenn dann doch die gefürchtete Preiserhöhung kommt, müssen die Versorger ihre Kunden per Brief darüber informieren – ohne dass sich vorerst an den tatsächlich bezahlten Summen etwas ändert. Es kann eine schlichte Kostenerhöhung sein, die auf diesem Wege schriftlich mitgeteilt wird – oder aber der Kunde wird zum Tarifwechsel aufgefordert. In letzterem Fall ändern sich neben dem Preis auch noch andere Bedingungen im Liefervertrag.

Viele Menschen haben derzeit mit hohen Strom- und Gasrechnungen zu kämpfen.
Foto: IMAGO/Political-Moments

Mehr bezahlen müssen Kunden schließlich einige Zeit später, sobald die erste Rechnung mit den neuen monatlichen oder vierteljährlichen Teilbeträgen tatsächlich eintrudelt – die dann deutlich höher ausfallen als bisher. STANDARD-Leserinnen und -Leser berichten etwa von Gasrechnungen, bei denen die Teilbeträge mehr als das Doppelte des bisherigen Betrags ausmachten.

Trotz alledem: Viele Bestandskunden haben bisher das Glück, von Preiserhöhungen verschont geblieben sein. Auch wenn sie garantiert noch kommen.

Die Teureren: Neukunden, die etwa umziehen oder Verträge wechseln, bekommen hohe Preise voll ab

Neukunden sind all jene, die einen neuen Vertrag mit einem Energieversorger abschließen. Dies kann beispielsweise notwendig sein, wenn jemand in eine neue Wohnung umzieht – wobei es dann aber unter gewissen Umständen möglich ist, dass man seinen alten Vertrag mitnimmt. Aber auch wer seinen Vertrag wegen hoher Preise kündigt und bei einem anderen Versorger unterschlüpft, fungiert dort als Neukunde.

Bei Neukunden kommen die derzeitigen Rekordpreise für Strom und Gas stärker an als bei den Bestandskunden – und vor allem früher. Denn die Reserven an Energiemengen, die der jeweilige Versorger möglicherweise bereits gekauft hat, als die Preise noch niedriger lagen, werden üblicherweise nicht an Neukunden weitergereicht, sondern an die Bestandskunden.

Wenn Neukunden also erstmalig ihre Energierechnungen bekommen, sind darin die derzeit hohen Weltmarktpreise von Anfang an voll eingepreist.

Grundsätzlich haben Energiekundinnen und -kunden gesetzlich das Recht, ihren Vertrag zu kündigen, wenn ein Versorger die Preise erhöht oder die Tarife ändert. Allerdings ist dieses Recht derzeit nicht besonders viel wert. Konsumentenschützer, etwa von der Arbeiterkammer, raten deshalb derzeit zur Vorsicht bei vorschnellem Vertragswechsel. Denn nach dem Wechsel zu einem anderen Versorger können die Kosten durchaus noch höher ausfallen.

Wer trotzdem einen Vertragswechsel anstrebt, sollte sich gründlich informieren: Auf der Website der Regulierungsbehörde E-Control etwa steht ein Tarifvergleichskalkulator zur Verfügung, mit dem sich anhand von Postleitzahl und vermutlichem Verbrauch die Kosten einschätzen lassen. Darüber hinaus bieten Organisationen wie die Arbeiterkammer und der Verein für Konsumenteninformation (VKI) telefonisch Hilfe an.

Immerhin gewinnen all jene, die ihren Vertrag kündigen, aufgrund einer neuen gesetzlichen Regelung eine Atempause. Laut einem Beschluss, den die türkis-grüne Regierung erst vergangenen Herbst gefällt hat, muss der Vertrag mit dem alten Energieversorger bei einer Kündigung wegen höherer Tarife noch drei Monate weiterlaufen – mit den bisherigen Preisen. Trotzdem: Die Frage bleibt offen, ob man nach Ablauf dieser Frist tatsächlich besser aussteigt.

Die Teuersten: Floating-Kunden drohen Höchstpreise

Kunden mit sogenannten Floating-Verträgen bekommen die Weltmarktpreise für Energie voll ab. Wenn der jeweilige Versorger gerade viel dafür zahlt, gilt dies auch für Kundinnen und Kunden. Meistens orientieren sich die Verträge an einem Preisindex, beispielsweise dem Strom- oder Gaspreisindex. Deshalb ändert sich der Preis häufig, üblicherweise einmal pro Monat.

In den vergangenen Jahren waren Floating-Vertrags-Inhaber im Vergleich zu Kunden mit Fixpreisen die großen Profiteure: Die Strompreise blieben oft minimal, bisweilen sogar negativ; ebenfalls waren die Gaspreise nicht besonders hoch. All dies schlug bei den Floating-Kunden durch und schonte deren Geldbörsen.

In den vergangenen Monaten jedoch hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt. Heute bekommen Floating-Kunden die starken Schwankungen und Höchstpreise auf den Weltmärkten ungebremst ab, mit kaum zeitlicher Verzögerung.

Konsumentenschützer, etwa vom Verbraucherschutzverein (VSV), warnen schon länger vor den unberechenbaren Tarifen. Auch die Regulierungsbehörde E-Control zeigt sich in Stellungnahmen nicht glücklich mit den Floatern, weil bei ihnen das Marktrisiko voll vom Energieversorger auf den Endkunden abgewälzt werde.

Ein Ausstieg aus einem Floating-Vertrag ist angesichts der derzeitigen Lage zwar anzuraten, aber dennoch schwierig und teuer: Denn auch Neukunden ohne Floating-Tarif werden gerade ziemlich zur Kasse gebeten (siehe Artikel links). Jedenfalls sollte man sich genau informieren. (Joseph Gepp, 10.7.2022)