Der Föhrensee bei Wiener Neustadt gleicht derzeit eher einer Lacke als einem See.

Foto: Jakob Pallinger

Vor den Liegen rollen die Bagger und heben Schlamm und Erde aus. Immer tiefer graben sie das Loch, in dem sich die kleine Wasserlacke befindet. "So wenig Wasser wie heuer gab es noch nie", sagt Maria Gruber. Sie steht auf dem Weg, von dem sie bis vor wenigen Monaten nur ein paar Schritte zum Wasser gehen musste. Doch seit März ist der See vor ihrer Wohnung so klein, dass es nicht einmal mehr zum Baden reicht. "Dass das früher ein richtiges Paradies war, kann man sich gar nicht mehr vorstellen", sagt sie.

Seit 23 Jahren lebt Maria Gruber, die eigentlich anders heißt, in der Wohnung neben dem Anemonensee am Stadtrand von Wiener Neustadt. Direkt vom Fenster aus sieht sie normalerweise auf das Wasser, das nun Erde und Schotter gewichen ist. Der Grundwassersee wurde damals gemeinsam mit den Wohnungen angelegt – als private Bademöglichkeit und Erholungsort für die hunderten Bewohner, die rund um den See leben.

"Normalerweise sind die Leute hier jeden Tag, am Abend und sogar in der Nacht baden gegangen", sagt Gruber. Um das Doppelte sei der Wasserstand für gewöhnlich höher. Als es im vergangenen Herbst und in diesem März besonders trocken war, ging das Wasser Schritt für Schritt zurück, vom ursprünglichen See blieb nicht mehr viel übrig. "Dabei ist der See ja der Grund, warum viele hierhergezogen sind", sagt Gruber.

Seit einigen Monaten wird der Anemonensee bereits umgestaltet, um künftig eine Austrocknung zu verhindern.
Foto: Jakob Pallinger

Auch andere Seen ausgetrocknet

Ähnlich sieht die Lage auch bei anderen Seen in der Umgebung aus. Am gleich angrenzenden Föhrensee führen Stege ins Nichts, Tretboote und Kayaks liegen auf dem Trockenen, Liegen stehen meterweit vom Wasser entfernt. "Statt Wasser haben wir jetzt stinkenden Heilschlamm", sagt Margot Schwarz mit einem bitteren Lachen. Sie öffnet die Tür zu ihrem Haus, das sie vor 30 Jahren am See gebaut hat. "Die Idee war, im Sommer für die Kinder eine Bademöglichkeit zu haben." Bis zum Vorjahr sei das mit dem See auch super gewesen. Dann sei das Wasser jedoch schrittweise immer weiter zurückgegangen.

So drastisch wie heuer sei die Lage aber noch nie gewesen. Unter ihrem Garten ist der See nur noch eine kleine Lacke, die man durchwaten kann. Durch den niedrigen Wasserstand rutsche nun auch der steile Hang vor ihrer Haustür immer wieder ab. Nachbetonieren helfe da nur bedingt. "Für alle, die den Grund und das Haus hier gekauft haben, ist das jetzt eine enorme Wertminderung", sagt Schwarz. Müsse der See künftig ausgebaggert werden, kommen für alle Eigentümer am See dann noch zusätzliche Kosten hinzu.

Wirklich baden kann man im Föhrensee unterhalb von Schwarz' Garten nicht mehr.
Foto: Jakob Pallinger

Fehlender Regen und Schnee

"Es ist völlig natürlich, dass die Grundwasserstände immer wieder schwanken und damit auch der Wasserstand von Grundwasserseen wie des Anemonensees und des Föhrensees", sagt Martin Angelmaier, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft des Landes Niederösterreich. Wie hoch der Grundwasserstand sei, sei abhängig davon, wie viel es in den vergangenen Jahren nicht nur direkt um die Seen, sondern in der gesamten Region geregnet und geschneit habe.

Da es vor allem in den vergangenen Monaten im sudöstlichen Niederösterreich unterdurchschnittlich geregnet habe und auch der Schnee aus dem Winter gefehlt habe, seien auch die Grundwasserseen abgesunken. Statt eines klassischen Landregens, bei dem es mehrere Tage leicht regnet und der für das Grundwasser besonders wichtig sei, komme es durch den Klimawandel lokal immer häufiger zu gar keinem Regen oder zu Starkregen, bei dem viel Wasser wieder abfließe.

Die Wasserversorgung in der Region sei zwar weiterhin gut gesichert, da die Brunnen viel tiefer reichen als die Schwankungsbreite beim Grundwasserstand. Das Verschwinden der Seen sei aber natürlich besonders für die Anwohnerinnen und Anwohner ein Verlust. Sind die kleinen Seen zudem seichter als drei Meter, könne schnell auch die Wasserqualität darunter leiden, sagt Angelmaier.

Umbauarbeiten im See

Aber ans Baden denken die Bewohner rund um den Anemonensee und den Föhrensee gerade ohnehin wenig – nicht zuletzt deshalb, weil der Anemonensee gerade eine Baustelle ist. Der Grundstückseigentümer, die Genossenschaft EGW, hat den niedrigen Wasserstand genutzt, um den See umzugraben. Schon vor etlichen Jahren hatte die Wasserrechtsbehörde des Landes Niederösterreich das Ausbaggern des Anemonensees vorgeschrieben, um ein Austrocknen zu verhindern. Weil der Wasserstand nun so niedrig ist, lässt sich das Vorhaben technisch einfacher umsetzen.

Der See soll tiefer werden, zudem soll der Uferbereich abgeflacht und neu begrünt werden. "Weißt du, wie schön das dann aussehen soll", sagt Gruber, während sie auf die Bagger und Lkws blickt, die um den See rollen. In drei Wochen sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann soll auch das Baden wieder möglich sein.

Abhängig von Regen

Wie gut sich die Seen tatsächlich wieder erholen, ist aber vor allem abhängig vom Niederschlag. "Entscheidend ist, dass es über mehrere Monate überdurchschnittlich viel regnet", sagt Angelmaier. Dann könne der Grundwasserstand und damit auch das Wasser in den Seen innerhalb eines Jahres wieder auf den normalen Wert zurückgehen. In den vergangenen Wochen haben sich die Grundwasserstände in der Region zumindest wieder stabilisiert.

Zumindest um einige wenige Zentimeter ist der Föhrensee in den vergangenen Wochen wieder angestiegen.
Foto: Jakob Pallinger

Langfristig hänge der Grundwasserstand aber auch davon ab, wie viel Regenwasser versickern kann. Regen dürfe nicht oberflächlich abfließen, sondern müsse dort gehalten werden, wo er fällt. "Es braucht wieder mehr Grünfläche in den Ortszentren und eine Entsiegelung", sagt Angelmaier.

Viel Verbauung

In den vergangenen Jahren sei in der Umgebung viel verbaut worden, sagt Schwarz. "Als wir vor 30 Jahren hier gebaut haben, gab es das meiste noch nicht." Sie meint damit die vielen Häuser, die sich nun an den See schmiegen, und die Straßen, die diese mit der Stadt verbinden. Wenn es damals viel geregnet hat, kam es eher zu Überschwemmungen. "Wir sind dann mit dem Boot zum Haus gefahren", erinnert sie sich – eine Vorstellung, die beim derzeitigen Anblick der Lacke ziemlich schwerfällt.

Zumindest ein paar Zentimeter sei das Wasser des Föhrensees die vergangenen Wochen wieder gestiegen, sagt Schwarz. "Das macht aber noch kaum etwas aus." Sie hofft, dass das Wasser in den kommenden Monaten doch wieder zurückkehrt. Und dass sie und ihre Familie dann vom Garten aus wieder auf blaugrün leuchtendes Wasser schauen können – und nicht auf Schotter und Schlamm. (Jakob Pallinger, 13.7.2022)