Der Toscanapark in Gmunden.
Foto: Stadtgemeinde Gmunden

Ausgerechnet jener Ort, der für Ruhe und Erholung steht, sorgt in Gmunden für Stress und Empörung. Der Toscanapark ist ein Kleinod der Stadt. Hier gehen Leute mit ihren Hunden Gassi, unter den Bäumen sitzen Familien beim Picknick, und der Bürgermeister sagt, durch den Park führe seine Lieblingslaufstrecke. Plötzlich aber bangen die Gmunderinnen und Gmunder um ihren Zugang zum Park.

Eine Gruppe von Architektinnen und Geschäftsleuten hat das gesamte Parkareal gepachtet – relativ unbemerkt. Ganz Gmunden dachte bis vor wenigen Tagen, die Gruppe wolle lediglich ein leerstehendes Schloss in ein Hotel verwandeln. Nun lautet die Befürchtung: Sie wolle Schritt für Schritt den Park privatisieren. Die ganze Stadt fragt sich nun: Wie konnte es dazu kommen? Was haben die neuen Pächter vor?

Tourismus hinkt hinterher

Ausgangspunkt ist Gmundens Bettenproblem. Gute, große Hotels fehlen, obwohl die Lage günstig wäre: am kühlen Traunsee gelegen, Ausgangspunkt für Wanderungen – vor allem die beliebte, nicht ungefährliche auf den Traunstein – zudem eine feine Kunstszene samt Traditionsbetrieb Gmundner Keramik. "Sehenswert und stilvoll" lautet der Marketing-Leitsatz in Gmunden. Viele Gmunder sagen, dem wird die Stadt nicht immer gerecht.

Zahlen aus dem aktuellsten Tourismusbericht Oberösterreichs stellen Gmunden kein gutes Zeugnis aus. Rund 78.000 Nächtigungen wurden in der Saison 2020/21 registriert. Das reicht im Gemeinde-Ranking des Bundeslandes nur für Platz 15. Deutlich davor liegen St. Wolfgang (288.000 Nächtigungen), das ähnlich große Bad Ischl (236.000), aber auch die kleinste Gemeinde im Salzkammergut, Obertraun am Hallstätter See (129.000). "Wir lassen uns so viel entgehen", lautet etwa die Kritik der Gmundner SPÖ.

Bei Hotelplänen ist Gmunden ein gebranntes Kind. Seit der Jahrtausendwende kamen und gingen Architekturbüros mit ihren Konzepten. Das Projekt Lacus Felix etwa sollte das Areal beim ehemaligen Seebahnhof schmücken – beste Lage am Ufer, mit herrlichem Blick auf die Gmundner Innenstadt. Doch undurchsichtige Verträge und abspringende Investoren sorgen für ein jähes Ende. Außerdem wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehrere stillgelegte Hotels in Luxuswohnungen umgestaltet. Trotz dieser Skepsis kann sich Gmunden auf einen Punkt einigen: Ein neues Hotel muss her.

Auf dem Areal des Toscanaparks finden auch freie Trauungen statt. Im Hintergrund ist die Tribüne der Festwochen Gmunden zu sehen.
Foto: luza

Pacht auf 100 Jahre

Der scheinbar ideale Platz dafür liegt im Toscanapark. Die Halbinsel am Westufer des Traunsees ist im Besitz von Bund und Land Oberösterreich. 15 Gehminuten sind es nur vom Rathausplatz in der Innenstadt. Über einen Holzsteg kommt man auf das berühmte, idyllische Seeschloss, das der TV-Serie Schlosshotel Orth als titelgebende Herberge diente. Im Toscanapark stehen mehrere Hinweisschilder. Ja, hier wurde gedreht. Was da nicht steht: Nein, ein Hotel gab es hier nie.

Das Seeschloss hat einen Zwilling: das Landschloss Ort. Ein quadratischer Hof, gleich am Beginn des Holzstegs. Bis 2018 war dort eine Forstschule untergebracht. Die Schule siedelte ab in den Süden nach Traunkirchen. Seither ist das Landschloss unbenutzt. Die Idee der Gemeinde: das Schloss touristisch nutzen, in ein Hotel umwandeln.

Das wäre besonders günstig. Die Gmundner Toskana hat zwar keinen schiefen Turm von Pisa, aber immerhin ein Kongresszentrum aus den 1980er-Jahren, wenn auch ein schlecht frequentiertes. Laut Informationen aus dem Rathaus gebe es zwar Anfragen für Tagungen. Häufig entschieden sich Veranstalter dann aber für einen anderen Ort, weil die Teilnehmenden nicht zentral untergebracht werden können. Das würde ein Hotel im Landschloss ändern. Im Idealfall verzeichnete Gmunden dann auch in touristisch schwachen Wintermonaten mehr Nächtigungen. Bei einer internationalen Ausschreibung erhielt die Toscana Hotel Errichtungsgesellschaft den Zuschlag. Sie darf das Landschloss auf der Toscana-Halbinsel umgestalten, samt Anbau für weitere Hotelbetten.

Vor einer Woche kam der Schock: Auf eine Anfrage der Grünen an den zuständigen Landesrat Markus Achleitner in Linz erfuhr Gmunden, dass die Firma gleich das gesamte Parkareal mitgepachtet haben soll. Der Pachtvertrag gelte bereits seit April. Ohne vorab mit Gmunden gesprochen zu haben, setzten die Immobiliengesellschaften von Land und Bund einen Vertrag mit den Hotelentwicklern auf. Er soll 50 Jahre gültig sein, mit Option auf weitere 50 Jahre. Die Gemeinde kann aber keine Details prüfen, wegen einer Verschwiegenheitspflicht laut Vertrag. Obwohl es um die wichtigste Grünfläche der Stadt geht. Der Verdacht keimte auf, dass die Gesellschafter etwas verbergen wollten.

Fragen zunächst unerwünscht

Bei einen Anruf bei der Geschäftsführerin des Planungsbüros, der Architektin Ingeborg Krebs-Hinterwirth, sagt diese, sie sei für ein Treffen mit dem STANDARD bereit. Sie melde sich in Kürze mit einem Terminvorschlag. Nach drei Stunden die Kehrtwende: Sie werde per Mail eine schriftliche Stellungnahme zum Projekt am Toscanapark übermitteln. Ohne noch eine einzige konkrete Frage gehört zu haben. Mehrfache Vorschläge, sich zuerst die Fragen anzuhören, wiegelt sie ab. Ein schriftliches Statement sei in solch einem Fall "ja ein üblicher Prozess", hieß es.

So blieb zunächst unbeantwortet, zu welchem Zweck die Gesellschaft den gesamten Park pachtet. Ziel sei laut Stellungnahme die Errichtung eines Tourismusbetriebs, "der die gesamte Region belebt und fördert". Krebs-Hinterwirth: "Es besteht nicht der geringste Anlass, hier eine Einschränkung zu befürchten, weshalb wir auch die aktuelle Berichterstattung und politische Statements nicht nachvollziehen können."

Auf Fragen via E-Mail reagierte sie am Freitagnachmittag dann doch. Man habe den gesamten Park gepachtet, weil dies eine Vorgabe der internationalen Ausschreibung im Jahr 2017 gewesen sei. Dem widerspricht der Gmundner Gemeinderat vehement. Die Verpachtung des Toscanaparks sei nie Gegenstand von Beschlüssen gewesen. "An die Stadt ist diesbezüglich auch nie eine Information ergangen", hieß es in einer Aussendung. Krebs-Hinterwirth wiederum sagt: "Auch im Rahmen der jeweiligen Bewilligungsverfahren, haben wir mit der Stadtgemeinde Gmunden stets transparent und offen kommuniziert." Das Hotel soll im Jahr 2025 in Betrieb gehen.

Die Sorgen im Hinblick auf den Park nehmen unterschiedliche Formen an. Die Gesellschaft könnte etwa ein Exklusivrecht auf Veranstaltungen durchsetzen, wird befürchtet. Die Neos sprechen von einer "Salamitaktik" und wittern eine schrittweise Privatisierung der Halbinsel. Ein weiterer Punkt: Ein Passus im Vertrag soll Änderungen im Wegenetz erlauben. Die sogenannte Wittgenstein-Allee, ein idyllischer Uferweg mit bestem Ausblick auf Seeschloss und Gmundner Altstadt, soll in der Wunschvorstellung der Planer so umgelegt werden, dass ein zusätzlicher, exklusiver Seezugang erschlossen wird.

Die Wittgensteinallee im Toscanapark mit Blick auf das Seeschloss Ort.
Foto: Stadtgemeinde Gmunden

Die Gmundner Stadtpolitik hält zusammen. Alle fünf Fraktionen des Gemeinderates setzen sich für die weitere öffentliche Nutzung des Toscanaparks ein. Sie fordern einen Einblick in den Pachtvertrag. Vorwürfe richten sich auch gegen die Landesimmobiliengesellschaft (LIG), weil sie Gmunden nicht über den Vertragsabschluss in Kenntnis gesetzt habe. Die LIG wehrt sich und sagt: "Wir haben euch stets informiert."

An Bäume ketten

Tatsächlich heißt es im Amtsblatt vom 1. Juli 2021, dass "im Laufe des Jahres 2021" ein Pachtvertrag für das gesamte Areal des Parks zustande komme. Den Vorwurf muss sich die Gmundner Politik gefallen lassen, bei einer heiklen Causa wie der Toscana-Halbinsel nicht regelmäßig auf öffentliche Kundmachungen geachtet zu haben. Dass die LIG das Amtsblatt als ständigen Informationsfluss interpretiert, darf auch diskutiert werden.

Am Donnerstag seien Passagen aus dem Vertrag verlesen worden, wird erzählt. Gmunden hat bei Änderungen im Wegenetz offenbar ein Vetorecht. Der Vertrag schließe auch aus, dass das Hotel später in Luxuswohnungen umgewandelt wird. Gmundens Stadtrat wirkt seither etwas beruhigter. Juristisch besteht kein Recht auf Einsicht des Vertrags, doch soll es bald Gespräche mit Land, Bund, Gmunden und der Hotelerrichtungsgesellschaft geben. Sorgen bleiben dennoch. "Im Notfall", hieß es im Gemeinderat am Montag, "müssen wir uns an die Bäume ketten." (Lukas Zahrer aus Gmunden, 9.7.2022)