Nicht nur die junge Generation ist von der Klimakrise betroffen, sagt Ingrid Korosec, die Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes, im Gastkommentar, auch die Seniorinnen und Senioren leiden darunter.

Die Bevölkerung ist bereit: Mitglieder des Klimarates bei der Übergabe ihrer Empfehlungen an Leonore Gewessler und Martin Kocher.
Foto: Imago/Michael Indra

An die Nachgeborenen. Dieses Gedicht von Bert Brecht kam mir in den Sinn, als der Klimarat seine Empfehlungen veröffentlichte.

Inhaltlich decken sie ein weites Feld ab. Sie reichen von der Einsetzung einer unabhängigen Klimakommission als Kontrollorgan geplanter und gesetzter Maßnahmen (gut!) bis zum Antidiskriminierungsverbot für krummes Gemüse (wirklich?). Manches lässt sich durch Gesetze und Verordnungen regeln, anderes setzt Freiwilligkeit und Einsicht voraus.

Keine Lobby

Wichtiger scheint mir jedoch, dass die Diskussion mit dem Klimarat offiziell in der Gesellschaft angekommen ist, denn die 100 Mitglieder sind ganz normale Menschen, hinter denen keine Lobby, keine Interessenvertretung, keine Partei steht. Das verleiht ihnen Glaubwürdigkeit. Niemand kann sich darauf berufen, er/sie habe "die furchtbare Nachricht nur noch nicht empfangen".

"Wir sind – ungewollt und ohne böse Absicht – mitverantwortlich."

Warum mache ich als Seniorenpolitikerin Klima überhaupt zu meinem Thema? Darauf gibt es zwei Antworten. Die Generation 60 plus zählt aufgrund ihres Alters, ihrer Lebensumstände und der hohen Armutsgefährdung zu den Hochrisikogruppen des Klimawandels. Der Aufschwung der Nachkriegszeit und der verschwenderische Umgang mit Ressourcen der 1960er- und 1970er-Jahre führten zur heutigen Krise. Wir sind – ungewollt und ohne böse Absicht – mitverantwortlich.

Ältere leiden anders

Alle leiden unter dem Klimawandel, Ältere leiden anders. Schlecht belüftbare Wohnungen in dichtverbauten Stadtvierteln bedeuten körperlichen Stress für jeden, für uns sind sie tödlich. Ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um zwei Grad lässt die Zahl der Hitzetoten um 50 Prozent steigen. In den vergangenen zehn Jahren starben mehr Menschen über 65 durch die Hitze als im Verkehr.

Ältere Menschen auf dem Land gelten als besonders autofixiert. Stimmt. Körperliche Einschränkungen und öffentlicher Verkehr, der im besten Fall auf die Bedürfnisse von arbeitenden Menschen und Schülerinnen und Schülern abgestimmt ist, lassen wenig andere Möglichkeiten. Ein Verzicht aufs Auto heißt hier konkret, mangels Optionen, ein Verzicht auf ein eigenständiges Leben. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Mich an der Diskussion zum Klimaschutz zu beteiligen, gebietet daher die Vernunft.

Alltagstaugliche Lösungen gesucht

Die über 60-Jährigen machen 26 Prozent der Bevölkerung aus. Für sie müssen alltagstaugliche Lösungen gefunden werden.

Armut verringert die Verhinderungs- und Ausweichoptionen gegenüber klimatischen Veränderungen, da den Menschen weniger Geld zur Verfügung steht, um deren Folgen zu minimieren oder diesen vorzubeugen. Das gilt für jene 800.000 Menschen, die die laufenden Kosten nicht aus ihrem Haushaltseinkommen bestreiten können, und für jene 1,7 Millionen, die keinerlei Rücklagen für unerwartete Ausgaben haben. Darunter finden sich zahlreiche Pensionistinnen und Pensionisten. Der Hinweis, dass die Medianpension weniger als 1200 Euro beträgt, sollte genügen. Sie können aus eigener Kraft keine Anpassungsmaßnahmen vornehmen und Klimamaßnahmen nur mit gezielten Unterstützungen durch die öffentliche Hand mittragen.

Was ist Wohlstand?

Und im Mittelstand muss sich die Vorstellung von "Wohlstand" ändern. Koppelt er sich vom Konsum los, werden soziale Gerechtigkeit, gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen und eine lebenswerte Umwelt als Kriterien stärker einbezogen, lösen Veränderungen weniger Ängste aus.

Hier umzudenken ist eine Bringschuld, die auch wir Älteren leisten müssen, soll Zukunft für alle stattfinden. Reagieren wir nicht, werden die Nachgeborenen "unserer nicht mit Nachsicht gedenken" – zu Recht. (Ingrid Korosec, 11.7.2022)