Außenministerin Truss ist eines von fünf aktuellen Kabinettsmitgliedern im Rennen um den Parteivorsitz.

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London – Nach dem angekündigten Rückzug des britischen Premierministers Boris Johnson haben sich bereits elf konservative Politiker auf die Nachfolge beworben. Am Sonntag kündigten Außenministerin Liz Truss, Handelsministerin Penny Mordaunt und der Abgeordnete Rehman Chishti ihre Kandidatur an. "Unsere Führung muss sich ändern. Es muss weniger um die Person an der Spitze gehen und viel mehr um das Schiff", twitterte die 49-jährige Mordaunt. Sie hat sich als vehemente Brexit-Unterstützerin einen Namen gemacht.

Damit sind nun fünf aktuelle Kabinettsmitglieder im Rennen: Außer Mordaunt und Truss auch Finanzminister Nadhim Zahawi, Verkehrsminister Grant Shapps und Chefjustiziarin Suella Braverman. Medienberichten zufolge läuft die Bewerbungsfrist bis Dienstagabend. Anschließend wählen die 358 Fraktionsmitglieder der Konservativen Partei in mehreren Abstimmungsrunden zwei Bewerber aus – zwischen ihnen entscheiden die Parteimitglieder dann in einer Stichwahl. Bis 20. Juli sollen die beiden Namen feststehen. An diesem Tag beginnt nämlich die parlamentarische Sommerpause.

Ex-Finanzminister Sunak gilt als Favorit

Als Favorit der Buchmacher gilt derzeit Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der von zahlreichen einflussreichen Tories unterstützt wird. Allerdings werfen Anhänger des noch amtierenden Premiers Johnson ihm vor, den Regierungschef hintergangen zu haben, wie die Sonntagszeitung "Observer" berichtete. Weitere Kandidaten sind die früheren Kabinettsmitglieder Sajid Javid und Jeremy Hunt, die ehemalige Staatssekretärin Kimi Badenoch und der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Tom Tugendhat.

"Ich bin mir sicher, dass wir noch ein paar Kandidaten bekommen, bevor wir die Nominierungsphase am Montag beenden, und dann geht der Auswahlprozess los", sagte Geoffrey Clifton-Brown vom zuständigen Parteikomitee dem Sender LBC. In einem Namensbeitrag für den "Daily Telegraph" (Montagausgabe) kündigte Truss eine weiterhin harte Haltung gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Steuersenkungen an.

"Unter meiner Führung würde ich vom ersten Tag an Steuern senken, um umgehend Maßnahmen zu ergreifen, damit die Menschen die täglichen Lebenshaltungskosten bewältigen können", schrieb Truss. Sie gilt als bevorzugte Kandidatin der konservativen Basis, die die Letztentscheidung über den Parteichef trifft.

Keine Empfehlung von Johnson

Im Zentrum des Wahlkampfs stehen Fragen nach Steuersenkungen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts der explodierenden Inflation zu entlasten, der Umgang mit der EU nach dem Brexit sowie die Zuwanderungspolitik.

Der scheidende britische Premierminister Boris Johnson gibt keine Empfehlung für seine Nachfolge ab. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Rücktrittsankündigung lehnte es der 58-Jährige am Montag ab, einen Nachfolger im Amt des Vorsitzenden der konservativen Tories und des britischen Premierministers zu empfehlen.

Neue Vorwürfe gegen Johnson

Johnson hat den Parteivorsitz abgegeben, will aber als Premierminister so lange im Amt bleiben, bis die Nachfolge geklärt ist – was sich monatelang hinziehen könnte. Das erbost nicht nur die oppositionelle Labour Party, sondern auch zahlreiche konservative Abgeordnete. Daher könnten die Tories die Wahl des oder der neuen Vorsitzenden nun beschleunigen.

Blackman sagte, möglich sei, dass es bereits in dieser Woche am Mittwoch und Donnerstag zu ersten Abstimmungen in der Tory-Fraktion kommt. Ziel ist, dass ein Ergebnis bis zum 5. September feststeht, der ersten Parlamentssitzung nach der Sommerpause. Medienberichten zufolge sollen die Hürden für eine Bewerbung verschärft werden.

Gegen Amtsinhaber Johnson gab es indes neue Vorwürfe. Er soll 2008 in seiner Zeit als Bürgermeister von London die Bewerbung einer jungen Frau für einen Job im Rathaus gefördert haben, die ihm wiederum vorwirft, sein Amt für eine sexuelle Beziehung zu ihr genutzt zu haben. Das legen Mitschnitte eines Gesprächs der beiden von 2017 nahe, die die "Sunday Times" veröffentlichte. Downing Street verwies auf Anfrage der Zeitung darauf, dass die Vorwürfe die Zeit vor Johnsons Zeit als Premierminister betreffen. Außerdem wolle man sich zum Privatleben des 58-Jährigen nicht äußern. (APA, red, 11.7.2022)