In zweiten Teil dieses Gastblogs beschreibt Stefan Rastl, mit welchen diskriminierenden Strukturen Frauen in amerikanischen Spezialeinheiten konfrontiert waren. Den ersten Teil des Blogs finden Sie hier.

William Donovan, dem Direktor des Office of Strategic Service (OSS, amerikanischer Nachrichtdienst im Zweiten Weltkrieg), und anderen hochrangigen männlichen Mitarbeitern war der großartige Verdienst von Frauen im Zweiten Weltkrieg durchwegs bewusst. So versuchten sie, die meist männlichen Entscheidungsträger auf die herausragenden Qualitäten von Frauen im Kampfeinsatz aufmerksam zu machen und von deren Einsatz zu überzeugen.

Mária Gulovičová: Ehrung mit Diskriminierung

Einer dieser Versuche war die öffentliche Auszeichnung der Widerstandskämpferin Mária Gulovičová, einer jungen slowakischen Lehrerin, die aufgrund ihrer Fremdsprachenkenntnisse einer anderen OSS-Mission während des slowakischen Nationalaufstands als Dolmetscherin zuarbeitete. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands verhalf sie mehreren Agenten nach einer wochenlangen Odyssee zur gemeinsamen Flucht, während der verbleibende Teil der Gruppe gefasst, gefoltert und im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurde.1

So kam es, dass Mária Gulovičová persönlich durch William Donovan mit dem amerikanischen "Bronze Star", einer hohen Medaille für Heldenmut, ausgezeichnet wurde. Wie in vielen Fällen, kam es auch hier zu einer Diskriminierung, da ihr höhere Auszeichnungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Geschlechtes verwehrt wurden.2

Als Ort der Verleihung wurde erstmals die zum damaligen Zeitpunkt rein männliche US-Militärakademie West Point ausgewählt. Ein klares Signal an die angehenden Offiziere dieser Eliteschule, um ihnen das Können und den Heldenmut von Frauen vor Augen zu führen.3 Dennoch mussten weitere 30 Jahre vergehen, bis der US-Präsident Gerald R. Ford im Jahr 1975 ein Gesetz unterzeichnete, welches Frauen den Zugang zur US-Militärakademie in West Point als Kadettinnen ermöglichte.

Viele der eingesetzten Frauen bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben, allein 13 Agentinnen der Spezialeinheit des britischen Nachrichtendienstes Special Operations Executive in Frankreich starben direkt bei ihren Einsätzen oder wurden in Konzentrationslager verschleppt und exekutiert. Trotz aller Entbehrungen, Erfolge und Aufopferungen im Zweiten Weltkrieg wurde Frauen die Teilnahme an den sich nach dem Zweiten Weltkrieg bildenden Spezialeinheiten grundsätzlich verwehrt.

Kampf gegen Ausschluss von militärischen Spezialeinheiten

Eine dieser Spezialeinheiten sind beispielsweise die 1952 gegründeten US-Army Special Forces, die unter der Bezeichnung "Green Berets" bekannt sind und unter anderem durch die "Rambo"-Filmreihe oder die TV-Serie "A-Team" den Einzug in die Popkultur geschafft haben. Der Gründer und erste Kommandant der Green Berets war OSS-Veteran Colonel Aaron Bank, doch trotz dieser Verbindung4 zum OSS wurden Frauen kategorisch vom Dienst in dieser Spezialeinheit ausgeschlossen. Um das Green Beret zu erhalten, muss von Applikanten der US-Army Special Forces Qualification Course erfolgreich absolviert werden. Dieser ist von der Vorselektion bis zum Abschluss durch eine hohe Ausfallquote von rund 80 Prozent gekennzeichnet.

Nach dem Studium der Bewerbungsregeln erkannte eine findige Offizierin der US-Army, dass es eigentlich keine geschlechtsspezifischen Verbote in den Regeln zur Teilnahme an diesem Kurs für Frauen gab. Im Jahr 1980 gelang Captain Kathleen Wilder, einer Offizierin aus dem militärischen Nachrichtendienst, daher erstmals die Zulassung zum Kurs. Bereits während ihrer Teilnahme am Kurs wurde sie offen von fast allen Ausbildnern diskriminiert, und trotz erfolgreicher Absolvierung wurde ihr das Green Beret samt dazugehörigem Special Forces Tab (Schulterabzeichen) vorerst verwehrt.5

Eine – aufgrund einer offiziellen Beschwerde eingeleiteten – Untersuchung kam zu dem Schluss, dass diese Diskriminierung unzulässig gewesen sei, weswegen ihr das Abzeichen schlussendlich zuerkannt wurde. Wilder trug das Special Forces Tab schlussendlich bis zu ihrer Pensionierung, doch die Zuteilung zu einem sogenannten A-Team (aktive Operationseinheit der Special Forces, welche normalerweise aus zwölf Personen besteht) fand aufgrund ihres Ausscheidens aus der Fifth Special Forces Group nicht mehr statt.6

Nach dem Abschluss Wilders wurden die Regeln geändert und Frauen konnten nun keinesfalls mehr am Auswahlverfahren teilnehmen.7 Es sollte wiederum bis zum Jahr 2020 dauern, bis eine Frau den Qualifikationskurs erneut erfolgreich absolvierte. Es ist davon auszugehen, dass diese Soldatin auch einem A-Team zugeteilt wurde und mittlerweile an Einsätzen teilnimmt, die Verifikation dieser Annahme ist jedoch nicht möglich, da diese Information der Geheimhaltung unterliegt.

Soldatinnen in der Armee

Neben den Green Berets gibt es auch andere Spezialeinheiten der amerikanischen Streitkräfte, die bereits weibliche Mitglieder führen. Dies fußt auf einem neueren Gesetz des amerikanischen Kongresses, welches Geschlechterneutralität in Auswahlverfahren vorschreibt. Diese Frauen dienten bereits in Syrien, Afghanistan oder dem Irak, so wurde beispielsweise Navy Senior Chief Petty Officer Shannon Kent bei einem Einsatz im Kampf gegen den Terrorismus getötet. Die Unteroffizierin der US Navy leistet Aufklärungsarbeit für Einsätze der Spezialeinheit Navy Seals gegen den Islamischen Staat in Syrien.8

Navy Senior Chief Petty Officer Shannon Kent war für die Navy Seals im Bereich Aufklärungsarbeit tätig.
Foto: Gemeinfrei

Eine unrühmlichere Rolle nahm hingegen Captain Emily Rainey ein, die einer Einheit der Psychological Operations (Spezialeinheit, die sich mit psychologischer Kriegsführung beschäftigt) angehörte, welche ihre modernen Wurzeln auch im Zweiten Weltkrieg hat. Sie führte bei der Erstürmung des US-Kapitols im Jahr 2021 eine Gruppe von Aufständischen an. Nachdem die US-Army eine Untersuchung gegen sie einleitete, schied sie freiwillig aus dem Armeedienst aus.9 Sie betreibt bis heute einen Instagram-Account, auf dem sie weiterhin Verschwörungstheorien verbreitet und ihre erlernten Fähigkeiten gegen die eigene Regierung einsetzt.10

Das Erbe der – im ersten Teil dieses Blogs besprochenen – Geheimagentin Virginia Hall selbst geriet fast in Vergessenheit, jedoch wurden der bescheidenen Frau nach ihrem Tod mehrere Ehrungen zuteil. So ist heute eine von fünf Ausbildungsstätten der CIA nach ihr benannt, und die OSS-Society, ein Verein, der das Erbe des Kriegsgeheimdienstes pflegt, vergibt den Virginia Hall Award. Eine der Preisträgerinnen ist Gina Haspel, die erste weibliche Direktorin der CIA. (Stefan Rastl, 11.7.2022)