Kishida will die pazifistische Nachkiegsverfassung ändern und somit das Lebensziel seines Vorgängers Shinzo Abe weiterführen. Der Ex-Premierminister war am Freitag erschossen worden.

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Tokio – Bei der Oberhauswahl in Japan hat die Regierungskoalition von Ministerpräsident Fumio Kishida ihre Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer ausgebaut. Kishidas Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr Juniorpartner "Komeito" errangen zusammen 76 der zur Wahl stehenden 125 Mandate, berichtete der Sender NHK am Montag auf Grundlage erster Prognosen. Die LDP allein baute ihren Anteil demnach auf 63 von bisher 55 der zur Wahl stehenden Sitze aus.

Kishida hat damit eine solide Machtbasis, um die gewaltigen Herausforderungen seines Landes anzugehen. Dazu gehört etwa Japans wirtschaftliche Erholung, die von der Corona-Pandemie durch steigende Energie- und Lebensmittelpreise bedroht ist. Zudem haben Russlands Invasion in der Ukraine, Chinas wachsendes Machtstreben und Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm die Sicherheitslage verschärft. Strukturprobleme wie die rasante Überalterung der Gesellschaft angesichts niedriger Geburtenraten, der Arbeitskräftemangel, Landflucht und die horrende Staatsverschuldung bleiben ungelöst.

Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderung

Er wolle die Verteidigung des Landes "drastisch stärken", kündigte der Regierungschef folgerichtig am Montag laut der Nachrichtenagentur Kyodo an. Kishida sagte, er werde das Erbe seines zwei Tage vor der Wahl erschossenen Vorgängers Shinzo Abe fortsetzen. Dazu gehört eine Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung – Abes politisches Lebensziel. Abe wollte die Existenz der sogenannten Selbstverteidigungsstreitkräfte in der Verfassung verankern. Zwar erreichte er keine Änderung der Verfassung, ließ sie dafür aber einfach "uminterpretieren", um die Rolle des Militärs an der Seite der heutigen Schutzmacht USA auszuweiten.

Das Lager der Befürworter einer Verfassungsänderung – neben den Koalitionsparteien auch zwei konservative Oppositionsparteien – sicherte sich bei der Wahl die hierfür nötige Zweidrittelmehrheit. Abe glaubte, dass die Verfassung nicht der einer unabhängigen Nation entspreche, da sie Japan 1946 von der damaligen Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei. Heute sind die USA Japans Schutzmacht. Am Montag sprach US-Außenminister Antony Blinken bei einem Kurzbesuch in Tokio Kishida das Beileid seiner Regierung für Abes Tod aus.

Blinken hatte nach der Tötung Abes seinen Reiseplan geändert, um auf der Rückreise aus Thailand einen Zwischenstopp in Tokio einzulegen. Er nannte Abe "einen Mann mit Visionen, der in der Lage war, diese Vision zu verwirklichen". (APA, 11.7.2022)