Kein menschengemachtes Objekt ist weiter gereist als Voyager 1. Die Sonde hat schon 23,5 Milliarden Kilometer hinter sich und es geht ihr noch erstaunlich gut.

Illustr.: Nasa

45 Jahre ist es her, dass Voyager 1 und Voyager 2 die Erde verlassen haben. Trotz der unvorstellbaren Distanzen, die die beiden Veteranen mittlerweile zurückgelegt haben, stehen sie immer noch in Kontakt mit der Bodenstation. Mit 23,46 Milliarden Kilometer ist Voyager 1 die langlebigste und am weitesten gereiste Weltraumsonde der Menschheit. Das entspricht der 157-fachen Entfernung zwischen Erde und Sonne, jedes Jahr kommen 540 Millionen Kilometer dazu. Voyager 2 ist ihrer Schwester mit bisher 19,54 Milliarden Kilometern (130,6 AE) aber knapp auf den Fersen.

Der Saft geht aus

Auf ihrem Flug haben die beiden Sonden so manche Grenze hinter sich gelassen: So sind Voyager 1 und Voyager 2 die bislang einzigen von Menschenhand hergestellten Objekte, die das interstellare Medium erreicht haben, jene Zone rund um die Sonne, in der der Sonnenwind nicht mehr "bläst". Nachdem die Energiereserven beider Sonden um vier Watt pro Jahr abnehmen, ist ihre Lebensspanne begrenzt. Um Strom zu sparen, wurden von zehn Instrumenten bisher schon sechs abgeschaltet. Aber selbst wenn der Betrieb aller Instrumente eingestellt wird, dürfte der Kontakt zu Voyager 1 und 2 innerhalb der nächsten zehn Jahre verloren gehen.

Insgesamt sind die beiden Veteranen freilich noch erstaunlich gut in Schuss – zumindest waren sie das, bis Voyager 1 im Mai 2022 begann, merkwürdige Daten zu senden. Obwohl Voyager 1 im Rahmen ihrer verbliebenen Möglichkeiten noch gut funktionieren sollte, lieferte das Lagekontrollsystem AACS (Attitude and Articulation Control Subsystem) unsinnige Werte: Die empfangenen Daten passen nicht zu den tatsächlichen Bewegungen und der Ausrichtung der Raumsonde. Mit anderen Worten: Voyager 1 scheint sich über ihre Position im Weltraum nicht ganz im Klaren zu sein.

Weiterhin Kontakt

Das AACS ist für die Sonden unerlässlich, da es unter anderem für die Orientierung der Antenne in Richtung Erde notwendig ist. Zumindest bisher scheint die Antenne jedoch richtig ausgerichtet zu sein. Sie empfängt die Befehle der Nasa und schickt ihre Daten wie erwartet zielsicher zur Erde. Außerdem hat das Problem die Sonde bisher nicht dazu veranlasst, sich in den abgesicherten Modus zu begeben. In diesem "Safety"-Zustand bleiben nur die wichtigsten Funktionen aktiv.

Ob und welche Auswirkungen das Problem auf den weiteren Verlauf der Voyager-1-Mission haben könnte, lässt sich noch nicht vorhersagen. Zunächst müsste man erst einmal herausfinden, warum Voyager 1 überhaupt Junkdaten sendet, meinen die Forschenden. "Dabei sieht sich das Engineering-Team einigen Herausforderungen gegenüber", sagt Suzanne Dodd, Projektmanagerin für die Voyager-Missionen am Jet Propulsion Laboratory der Nasa. Eine davon sei die gewaltige Distanz, über die hinweg kommuniziert werden muss: Es dauert 20 Stunden und 33 Minuten, bis ein Signal Voyager an ihrer aktuellen interstellaren Position erreicht – auf eine Antwort muss man also zwei Tage warten.

Video: Die Reise von Voyager 1.
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Mühsame Detektivarbeit

Besondere Hoffnung setzt das Team auf die alten technischen Dokumentationen der Sonde. Dafür müssen sich die Ingenieure durch jahrzehntealte Handbücher und Texte wühlen. Es ist eine mühsame Detektivarbeit, denn viele der Papiere und Datenträger, auf denen man die Lösung zu finden hofft, sind schwer aufzufinden oder gänzlich verschollen.

In den ersten zwölf Jahren der Voyager-Mission hätten mehrere Tausend Ingenieure und Forschende an dem Projekt gearbeitet. "Als sie in den 70er- und 80er-Jahren in den Ruhestand gingen, nahmen viele ihre Kisten mit nach Hause und verstauten sie in ihren Garagen", sagte Dodd. Diese Dokumente wiederzufinden sei eine zeitraubende Angelegenheit.

Lösungsansätze

Sollte man die Quelle der Anomalie finden, könnte man das Problem möglicherweise durch Softwareänderungen oder den Wechsel auf redundante Hardwaresysteme lösen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich das Voyager-Team auf Back-up-Hardware verlässt: Im Jahr 2017 zeigten die primären Triebwerke von Voyager 1 Anzeichen von Verschleiß, sodass die Ingenieure zu einem anderen Triebwerkssatz wechselten, der ursprünglich während der planetaren Begegnungen des Raumfahrzeugs verwendet worden war. Diese Triebwerke funktionierten, obwohl sie 37 Jahre lang nicht benutzt worden waren.

"Niemand hätte zu Beginn gedacht, dass die Mission so lange dauern könnte", meinte Dodd. Ein technischer Schluckauf wie der nun beobachtete sei daher alles andere als verwunderlich – immerhin sind diese Raumfahrzeuge beinahe ein halbes Jahrhundert alt. Und Dodd ist optimistisch, dass auch der aktuelle Aussetzer nicht verhindern kann, dass wir Voyagers Flug noch eine kleine Weile begleiten werden. (tberg, 17.7.2022)