A wie Augustinermönch

Der Wunsch seiner Mutter und finanzielle Schwierigkeiten trugen dazu bei, dass der 21-jährige Student Johann Mendel 1843 ins Augustinerkloster St. Thomas in -->Brünn eintrat. Die Brünner Dependance des 1256 gegründeten Ordens bot einen idealen Ort für wissenschaftliche Betätigung: Man fühlte sich dort zu besonderem Maße zu intellektueller Tätigkeit verpflichtet. Die Augustiner von Brünn waren nach einem kaiserlichen Dekret von 1802 auch zu Lehrtätigkeit angehalten. Als Augustinermönch, der für seelsorgerische Tätigkeit wenig geeignet war, konnte sich Mendel vielseitig wissenschaftlich betätigen – und seine revolutionären -->Kreuzungsexperimente durchführen. Er musste seine Forschungstätigkeit allerdings sukzessive zurückschrauben, als er 1868 zum Abt seines Klosters gewählt wurde. Als solcher war er mit der Regelung der Grundsteuer in Mähren befasst, in seinen letzten Lebensjahren mit einem Steuerstreit mit dem Staat.

B wie Brünn/Brno

Gregor Mendel wurde am 20. Juli 1822 im nordmährischen Heinzendorf geboren, das damals zu Österreich-Schlesien zählte, und nicht in Brünn. Doch nach dem Eintritt ins Augustinerkloster verbrachte er in Mährens wichtigster Stadt den Hauptteil seines Lebens. Anders als vielfach dargestellt, war Mendel in Brünn nicht das einsame Genie hinter der Klostermauer, sondern in ein dichtes Netzwerk wissenschaftlicher Aktivitäten eingebunden, unter anderem als -->Imker, -->Meteorologe und Mitgründer des -->Naturforschenden Vereins in Brünn. In Brno sind heute mehrere Orte dem Forscher gewidmet: die Mendel-Universität, das Mendel-Museum der Masaryk-Universität und das Mitmachmuseum Mendelianum. In Brno gibt es rund um den Geburtstag auch ein großes Mendel-Festival.

C wie Correns, Carl

Der deutsche Botaniker Carl Correns war mit seinem niederländischen Kollegen Hugo de Vries und dem Österreicher Erich -->Tschermak-Seysenegg einer der drei sogenannten "Wiederentdecker" Mendels. Der Begriff ist umstritten, denn Mendels epochale Arbeit über die Pflanzen-Hybriden war bis zur "Wiederentdeckung", die im Jahr 1900 erfolgte, rund ein Dutzend Mal zitiert worden, allerdings nicht von akademischen Botanikern. Correns, de Vries und Tschermak bestätigten Mendels Versuchsergebnisse durch eigene Experimente, die sie zum Teil erst nach der Lektüre seiner Arbeit durchführten. Correns war es, der die Bezeichnung Mendel’sche -->Regeln prägte, der mit dieser Formulierung betonen wollte, dass es sich nicht um strenge Gesetze handelt, sondern um Regeln, von denen es auch Ausnahmen gibt, etwa die von ihm beschriebene Kopplung von Merkmalen.

Gregor Mendel war bahnbrechender Forscher und Geistlicher – und alles andere als ein einsamer Privatgelehrter.
Fatih Aydogdu

D wie Darwin, Charles

Über das Verhältnis von Gregor Mendel zum mehr als zwölf Jahre älteren Charles Darwin (1809–1882), dem (Mit-)Begründer der Evolutionstheorie, sind viele Arbeiten verfasst worden. Faktum ist, dass es in der Bibliothek des Augustinerklosters einige Bücher Darwins gab, so auch eine deutsche Übersetzung der "Origin of Species", die Mendel gelesen und mit Anmerkungen versehen hat. Umgekehrt hat Darwin keine Originalpublikation von Mendel besessen, wohl aber ein Buch über Pflanzenhybriden, in dem Mendel erwähnt wird. Wie sehr Mendel der Evolutionstheorie Darwins anhing, ist unklar. Wesentliche Teile von Mendels Nachlass sind nicht erhalten.

E wie Erbsen

Bevor Mendel 1856 im Klostergarten mit den systematischen -->Kreuzungsexperimenten bei Erbsen begann, hatte er zwei Jahre lang nach geeigneten erbkonstanten Sorten gesucht. Mendel betrachtete Merkmale der Erbsenpflanze, aber auch deren Samen, die klar zu unterscheiden waren. Dazu gehörten insbesondere die Blüten- und die Samenfarbe. Zwischen 1856 und 1863 kultivierte er schätzungsweise 28.000 Erbsenpflanzen, die es ihm ermöglichten, die Mendel’schen -->Regeln aufzustellen.

F wie Fälscher?

Mendel wurde posthum vorgehalten, dass seine Resultate zu schön seien, um wahr zu sein. Einer der ersten und prominentesten Forscher, die diesen Verdacht äußerten, war 1936 der britische Statistiker und Populationsgenetiker R. A. Fisher. Er wollte errechnet haben, dass Mendel nur mit einer fünfprozentigen Wahrscheinlichkeit auf seine Zahlen gekommen sein konnte. Heute geht man davon aus, dass Mendel seine Zahlen nicht frisierte und alles seine Ordnung hatte, zumal Mendel auch – anders als viele Forscherinnen und Forscher heute – auch ungeschönt über "schlechte" oder schwer zu interpretierende Daten berichtete. Grundsätzlich gilt der Privatgelehrte als bescheiden, ehrlich und gewissenhaft.

G wie Genetik

Gregor Mendel wird gerne als der Vater der Genetik bezeichnet. Doch als er seine bahnbrechenden Erkenntnisse 1866 publizierte, gab es weder den Begriff Genetik noch die Bezeichnung Gen. Mendel war zwar fraglos auf der Suche nach dem Träger des Erbguts und fand mit seinen bahnbrechenden Versuchen heraus, dass es einen solchen geben muss. Aber ob er dabei an eine feste Substanz dachte, ist alles andere als klar. Der Begriff Gen wurde zudem erst 1909 von Wilhelm Johannsen vorgeschlagen, der Begriff Genetik drei Jahre früher von William Bateson. Dieser britische Biologe trug besonders viel zur Bekanntheit Mendels bei – unter anderem mit dem 1902 erschienenen Buch Mendel’s "Principles of Heredity: A Defence". Bateson konnte zudem zeigen, dass die Mendel’schen Regeln auch für Tiere gelten. William Bateson gab seinem 1904 geborenen Sohn den Vornamen Gregory – natürlich wegen Mendel. Gregory Bateson sollte zwar Biologe, allerdings kein Genetiker werden: Berühmt wurde er vor allem als Anthropologe und Kybernetiker.

H wie Habichtskraut

Mendel experimentierte auch mit Habichtskräutern.
gemeinfrei

Nachdem Mendel die Kreuzungsversuche mit Erbsen 1863 abgeschlossen hatte, begann er mit künstlichen Bestäubungen innerhalb anderer Pflanzengattungen. Dazu gehörten vor allem Kreuzungen zwischen mehreren Arten aus der Gattung der Habichtskräuter. An dieser wildwachsenden Blume, die besonders viele verschiedene selbstständige Formen besitzt, wollte er experimentell erforschen, wie es zur Artbildung kam. Die Versuche blieben unabgeschlossen.

I wie Imker

Neben seinen Erbsenzüchtungen führte Mendel ab 1870 auch Versuche zur Veredelung von Honigbienen durch. Der Abt trat in diesem Jahr auch dem Brünner Bienenzuchtverein bei, sollte dessen Obmannstellvertreter werden und damit auch einer der führenden Imker Mährens. 1871 baute er im Klostergarten ein Bienenhaus, wo er verschiedene Rassen züchtete. Unter anderem wollte er aus Italien importierte helle Königinnen mit einheimischen schwarzen Drohnen paaren. Diese -->Kreuzungsexperimente mit Bienen sollten die Mendel’schen -->Regeln auch im Tierreich beweisen.

J wie Johann

Ursprünglicher Vorname Mendels. Erst mit der Aufnahme in den Augustinerorden 1843 erhielt der den Namen Gregor, eigentlich: Gregorius.

K wie Kreuzungsexperimente

Mendel führte mit mehreren Arten Kreuzungen beziehungsweise Hybridisierungen durch. Am bekanntesten sind seine Versuche mit Erbsen. Er experimentierte aber auch mit Habichtskräutern und Bienen. Bei der Kreuzung der Erbsen übertrug er die Pollen der einen Sorte auf die Narben der anderen. Zugleich hat er unerwünschte Selbst- und Fremdbestäubungen verhindert. Mit dieser Technik, die er während des Studiums erlernt hatte (-->Pomologie), unternahm er erstmals große Versuchsreihen. Aus 355 künstlichen Befruchtungen bei Erbsen zog er 12.980 Hybriden und konnte so gesicherte Erkenntnisse über die regelhafte Aufspaltung der Merkmale gewinnen.

L wie Lehrer

Bereits als Gymnasiast musste Mendel seinen eigenen Unterricht als Privatlehrer für andere Schüler finanzieren. Ab 1849 war er Aushilfslehrer am k. k. Gymnasium in Znaim, wo er Mathematik und Griechisch unterrichtete, ab 1854 an der Oberrealschule in Brünn, an der er bis 1868 unterrichtete. Mendel galt als äußerst beliebter Lehrer.

M wie Meteorologe

Von den 13 wissenschaftlichen Artikeln, die Mendel zeit seines Lebens verfasste, handeln nur zwei von seinen Kreuzungsexperimenten, während sich nicht weniger als neun mit meteorologischen Themen befassen. Seine erste meteorologische Arbeit erschien 1862. Als Abt war er Gründungsmitglied der Meteorologischen Gesellschaft und ließ 1878 eine meteorologische Messstation im Kloster errichten, die Daten an die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nach Wien lieferte. Als wissenschaftlich bedeutsam gilt sein Vortrag "Die Windhose vom 13. October 1870", die erste Beschreibung eines solchen Wirbelsturms. Seine letzten meteorologischen Messungen führte er im Juli 1881 durch, wenige Monate vor seinem Tod.

N wie Naturforschender Verein

Mendel war 1861/62 einer der Gründer des Naturforschenden Vereins in Brünn. Er trug dort seine wichtigsten Forschungsergebnisse vor, die vor allem aus dem Bereich der Meteorologie stammten, aber natürlich auch seine revolutionären "Versuche über Pflanzen-Hybriden" am 8. Februar und am 8. März 1865. Die Publikation erschien ein Jahr später in den "Verhandlungen des Naturforschenden Vereines in Brünn". 1869 wurde Mendel Vizepräsident des Vereins.

O wie Obstbaumzucht

-->Pomologie

P wie Pomologie

So nennt man die Lehre von den Obstsorten und vom Obstbau. Gregor Mendel half schon im elterlichen Garten beim Veredeln von Obstbäumen. Während seines Theologiestudiums belegte er auch das Fach Obstbaumzucht und erlernte damals die Kreuzungstechnik, Auslese und Samenvermehrung. Ein Zentrum der Pomologie in Mähren war das Augustinerkloster in Brünn. Franz Cyril Napp, als Abt des Klosters unmittelbarer Vorgänger von Mendel, war Mitglied des Pomologenvereins und später auch dessen Vorsitzender. Ihm ist es auch zu verdanken, dass es im Kloster eine Obstbaumschule gab. Auch Napp war an Fragen der Vererbung interessiert und begrüßte entsprechende experimentelle Untersuchungen, wie sie Mendel durchführte.

R wie Regeln, Mendel’sche

Nach welchen Regelmäßigkeiten die Vererbung von Eigenschaften auf die nächste Generation stattfindet, war bis Mendel (und auch noch einige Jahrzehnte danach) ein großes Rätsel der Wissenschaft. Mendels epochale Leistung war es, anhand seiner aufwendigen --> Kreuzungsexperimente Regelhaftigkeiten zu erkennen, die bis dahin verborgen gewesen waren. Bei der statistischen Auswertung seiner Erbsen-Hybriden bemerkte Mendel drei Regeln: die Uniformitätsregel, die Spaltungsregel und die Unabhängigkeitsregel (siehe Grafik, allerdings nur für den dominant-rezessiven Erbgang).

Die Uniformitätsregel beschreibt die Nachkommen (F1) reinerbiger Vorfahren (P). Alle F1-Individuen sehen gleich aus. Die F1 nannte Mendel Hybriden oder Bastarde. Wichtiger Umkehrschluss: Erscheint eine F1 nicht uniform, war einer der Elternteile nicht reinerbig. Die Spaltungsregel gilt für die darauffolgende Generation (F2). Merkmale der F2-Individuen sind bei dominant-rezessiver Vererbung im Verhältnis 3:1 aufgespalten. Im sogenannten intermediären Erbgang spalten sich die Merkmale jedoch 1:2:1. Die Unabhängigkeitsregel besagt, dass zwei P-Merkmale unabhängig voneinander an die F1 vererbt werden. Diese Regeln beziehen sich freilich nur auf Merkmale, die nur von einem einzelnen Gen bestimmt sind.

S wie Statue

Einweihung des Mendel-Denkmals 1910 in Brünn.
Foto: gemeinfrei

1910, zehn Jahre nach Mendels spektakulärer "Wiederentdeckung", wurde in Brünn eine Marmorstatue zu Ehren Mendels "von Freunden der Wissenschaft" errichtet und feierlich eingeweiht. 1950, als unter Stalin die krausen Theorien des Agrarwissenschafters und "Anti-Gentikers" Trofim Lyssenko galten, der führende sowjetische Genetiker verfolgt und in den Tod getrieben hatte, wurde die Statue entfernt und in einen Innenhof des Klosters verbannt. Erst 1965 erhielt sie einen würdigeren Platz im Kloster.

T wie Tschermak, Erich

Erich Tschermak-Seysenegg (1871–1962) gilt als einer der drei "Wiederentdecker" Mendels. Sein Status ist freilich umstritten, da er erstens zeitlich nach -->Correns und de Vries dran war, sich zweitens in seiner Arbeit aus dem Jahr 1900 wenig Hinweise auf Mendel finden und er drittens angeblich Mendels Regeln zunächst gar nicht verstanden habe. In der neueren Literatur wird Tschermak der Status eines Wiederentdeckers allerdings wieder zugesprochen. Tschermak, der von 1909 bis 1941 ordentlicher Professor für Pflanzenzüchtung an der Boku war und zudem eine Professur für Botanik an der Wiener Universität innehatte, war einer der Ersten, die Mendels Regeln in der Pflanzenzucht praktisch anwendeten. Erst vor relativ kurzer Zeit wurden seine problematischen Äußerungen und Aktivitäten während der NS-Zeit eingehender erforscht.

U wie Unger, Franz

Der Pflanzenphysiologe Franz Unger (1800–1870) war ab 1850 Professor an der Universität Wien und einer der prägenden Lehrer Mendels, als dieser in -->Wien studierte. Mendel besuchte bei Unger die Vorlesung "Anatomie und Physiologie der Pflanzen". Der Botaniker vertrat unter anderem die damals noch nicht unumstrittene These, dass es bei der Befruchtung zur Verschmelzung einer weiblichen und einer männlichen Zelle kommt. Dieser These hing auch Mendel an, was womöglich zum Scheitern bei seiner Lehramtsprüfung beitrug, als er vermutlich von einem Gegner Ungers geprüft wurde. Unger glaubte außerdem an eine Art von evolutionärem Fortschreiten der Natur, allerdings noch nicht in der Version -->Darwins.

V wie Vererbungslehre -->Genetik

W wie Wien

Zur kaiserlichen Residenzstadt hatte Mendel ein ambivalentes Verhältnis. 1851 bis 1853 studierte Mendel an der Uni Wien Mathematik und Naturwissenschaften. Er hörte Vorlesungen unter anderem beim Physiker Christian Doppler, dem Entdecker des Doppler-Effekts, und beim Botaniker Franz -->Unger. In Wien scheiterte er allerdings gleich zwei Mal an der Lehramtsprüfung, das erste Mal 1850 und das zweite Mal 1856. Die Gründe seines jeweiligen Scheiterns sind nach wie vor nicht ganz klar; seine schlechte Gesundheit spielte wohl auch eine Rolle.

Z wie Zeit

Der Text, in dem sich das ansonsten nicht dokumentierte Mendel-Zitat findet.

Von Mendel ist der prophetische Ausspruch "Meine Zeit wird schon kommen!" überliefert. Der Satz findet sich in einem Text, der von einem Zeitgenossen Mendels (nämlich Emanuel Ritter von Proskowetz) verfasst wurde und 1902 in der "Neuen Freien Presse" erschien. Bewiesen ist der Ausspruch allerdings nicht. Dass Mendel fast 140 Jahre nach seinem Tod zu seinem 200. Geburtstag als Vater der Genetik groß gefeiert wird, hat sich der Mönch und Naturforscher, der erstaunlich viele Interessen und Identitäten hatte, aber vermutlich nicht gedacht. (Klaus Taschwer, 16.7.2022)