Das Tiroler Start-up Juve Automotion ist das erste Unternehmen Österreichs, das sich auf die Vermietung und Servicierung von wasserstoffbetriebenen Lkws spezialisiert hat.

Foto: florian lechner

Statt zu brummen, zischt es nur ein paarmal, wenn Ewald Perwög den Dreiachser startet. Auf den ersten Blick sieht die weiße Zugmaschine aus wie jeder andere Lkw. Der alles entscheidende Unterschied steckt unter der Haube oder, besser gesagt, hinter dem Cockpit. Denn Perwög steuert keinen stinkenden Diesel-Brummi, sondern einen mit Wasserstoff betriebenen Laster des US-Herstellers Hyzon.

Das Tiroler Start-up Juve Automotion ist Österreichs erstes Unternehmen, das sich Handel, Betrieb und Wartung wasserstoffbetriebener Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge verschrieben hat. Perwög ist dessen Co-Geschäftsführer.

Noch nehmen sich die Dimensionen der jungen Firma bescheiden aus. Neben Perwög besteht sie momentan nur aus seinem Kompagnon Thomas Thaler. Firmensitz ist ein Büro in Innsbruck. Doch in Kürze wird es sehr viel geschäftiger und personalintensiver werden. Ab August will Juve – der Name hat übrigens nichts mit italienischem Fußball zu tun, wie Perwög betont – erst richtig durchstarten. Dann sollen die ersten Wasserstoff-Lkws nach Tirol geliefert werden. Mangel an Fachkräften, wie er derzeit in vielen Branchen beklagt wird, fürchtet er keinen: "Beim Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist das Interesse der Jungen enorm, wir erhalten sehr viele Bewerbungen."

Der Firmenchef selbst ist von Idealismus getrieben: "Wir können angesichts der Klimakatastrophe nicht so weitermachen wie bisher." Perwög gilt als "Vater" der Wasserstoff-Initiative des Tiroler Lebensmittelhändlers MPreis. Dort wurde ein international beachtetes Projekt ins Leben gerufen. Seit März wird in einer eigenen Single-Stack-Elektrolyseanlage "grüner Wasserstoff" produziert – DER STANDARD berichtete. Damit und nicht mit Gas befeuert das Unternehmen inzwischen die Öfen der hauseigenen Großbäckerei. Die Abwärme der Wasserstoffproduktion wird zum Heizen genutzt. Im Mittelpunkt steht aber die Umrüstung der Lkw-Flotte von Diesel auf Wasserstoff.

Großer Bahnhof für Wasserstoff-Lkw

Genau hier kommt Juve ins Spiel. Das Unternehmen entstand im Zuge des MPreis-Wasserstoffprojektes. Der familiengeführte Lebensmittelhändler ist wichtigster – weil erster und größter – Kunde sowie Finanzier. Bis 2027 soll dessen gesamte rund 50 Lkws umfassende Flotte auf Wasserstoff umgerüstet werden. Als exklusiver Vertriebspartner von Hersteller Hyzon in Österreich kauft Juve die Fahrzeuge und importiert sie. MPreis mietet sie inklusive After-Sales-Betreuung, also der Wartung im laufenden Betrieb.

Gilt als Mastermind hinter der Wasserstoff-Initiative des Tiroler Lebensmittelhändlers MPreis: Ewald Perwög, Geschäftsführer von Juve Automotion.
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Im August werden die ersten drei Wasserstoff-Lkws in Tirol erwartet. Jener, der für den Medientermin benutzt wurde, ist ein Anschauungsobjekt von einer niederländischen Molkerei, die bereits auf CO2-neutralen Transport setzt. Aufgrund von Nachschubproblemen bei der Produktion verzögerte sich die ursprünglich schon für Mai angekündigte Lieferung der Fahrzeuge. Sobald sie da sind, werden es die drei ersten Wasserstoff-Lkws sein, die in Österreich zum Einsatz kommen. Bis 2024 ist geplant, insgesamt 70 derart angetriebener Hyzon-Fahrzeuge an Juve zu liefern. Das Interesse potenzieller Kunden sei bereits groß, sagt Perwög.

Juve wird dann als Händler, Vermittler und Berater auftreten. Das MPreis-Projekt dient als Anstoß und Fundament des Geschäftsmodells. Anderen Tiroler Unternehmen soll damit gezeigt werden, dass der Umstieg auf Wasserstoff machbar und sinnvoll ist. Denn die Technologie selbst ist ausgereift und einsatzbereit, wie Perwög erklärt. Aber es fehlt noch die nötige Infrastruktur, um sie im Alltag einzusetzen.

Schulungen

Wasserstoff-Lkws brauchen eigene Werkstätten und speziell geschulte Mechaniker. Dazu arbeitet Juve mit dem Tiroler Kfz-Meisterbetrieb Auer aus Thaur zusammen. Die ersten Mechaniker haben die nötigen Schulungen absolviert. In Kooperation mit Juve und Hyzon werden weitere folgen. Die erste Tankstelle für Wasserstoff-Lkws in Westösterreich wurde bei der MPreis-Zentrale in Völs in Betrieb genommen. Weitere sind in geplant.

Während in Tirol die emissionsfreie Antriebsalternative in der Privatwirtschaft bereits realisiert wird, sieht die Bundesregierung in ihrer jüngst veröffentlichten Wasserstoff-Strategie dieses Potenzial offenbar noch nicht. Denn im Strategiepapier wird Wasserstoffantrieb für Schwerfahrzeuge als "ineffizient" und damit "nicht prioritär" eingestuft.

Jeder Cent zählt

Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, diese Technologie zu priorisieren und damit als förderwürdig anzuerkennen, sagt Perwög: "Für Transportunternehmen zählt der Preis, da geht es um Centbeträge. Und derzeit ist Diesel dank großzügiger Subventionen deutlich billiger als Strom, der zur Herstellung von Wasserstoff benötigt wird." Daher plädiert Perwög für einen eigenen Stromtarif zur Herstellung von elektrolytischem grünem Wasserstoff – aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen. Diesen Tarif könne man laufend an den aktuellen Dieselpreis anpassen und so Kostengleichheit schaffen. Der Markt werde sich dann für die "grüne Lösung" entscheiden, ist Perwög überzeugt. Und mit diesem Umdenken würden sich auch die Rahmenbedingungen für CO2-freie Anwendungen rasch verbessern.(Steffen Arora, 13.7.2022)