Letzte Vorbereitungen vor dem hohen Besuch: Zum zehnten Mal reist Joe Biden in politischer Funktion nach Israel, erstmals als US-Präsident.

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Als US-Präsident Joe Biden offiziell nach Israel eingeladen wurde, da war die israelische innenpolitische Welt noch in normaler Unordnung – und der Regierungschef hieß damals nicht Naftali Bennett. Drei Monate später steht mit Jair Lapid ein Mitte-links-Politiker an der Spitze der Regierung – zumindest für die nächsten paar Monate.

Als US-Präsident der Demokratischen Partei trifft Biden also einen ideologisch Gleichgesinnten – was man von seinen früheren Begegnungen mit dem ehemaligen und vielleicht zukünftigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht behaupten konnte. Diesen wird Biden auch diesmal treffen, allerdings in dessen Rolle als Oppositionschef. Der präsidiale Programmplan sieht dafür nur 15 Minuten vor, und falls sich Netanjahu ungewohnt zeitdiszipliniert zeigt, dann bleibt es auch dabei.

Erstmals als Präsident

Biden betritt bestens bekanntes Pflaster, wenn er am Mittwoch um 15.30 Uhr Ortszeit am Flughafen Ben Gurion von Lapid empfangen wird. Der 79-Jährige war schon zehnmal in politischer Funktion in Israel, er selbst bezeichnet sich als Zionisten. Zum ersten Mal betritt Biden nun als Präsident der Vereinigten Staaten israelischen Boden.

Je nach Perspektive wird Bidens Besuch in Israel als nationales Großereignis gesehen; oder – so die weniger patriotische Sichtweise – als bloßer Höflichkeitszwischenstopp vor der wahren Destination der Reise, nämlich Saudi-Arabien.

Dort wird Biden am Freitag an einem Gipfel von Golfstaaten teilnehmen, für den sich auch Israel-Feinde wie Irak und Katar angesagt haben. Zudem wird er in diesem Rahmen auch den saudischen König sowie Kronprinz Mohammad Bin Salman treffen. Im Wahlkampf hatte Biden noch erklärt, er werde den Kronprinzen wegen dessen grober Menschenrechtsverletzungen wie einen "Aussätzigen" behandeln.

Alternative Energiequellen

Nun herrscht Krieg in der Ukraine – und Biden braucht nicht nur alternative Energiequellen, sondern auch ein breites Bündnis gegen Moskau. Bidens Nahostreise ist demnach nicht nur seiner Israel-Liebe geschuldet, sondern auch dem US-amerikanischen Durst nach Öl und der verzweifelten Suche nach Verbündeten gegen die Mächte Russland und China.

Israels Bevölkerung ist Biden nicht nur zugetan: Tendenziell werden US-Präsidenten aus dem Lager der Republikaner als israelfreundlicher wahrgenommen als demokratische, weil sie sich palästinensischen Ansprüchen weniger stark verpflichtet fühlen.

Das galt ganz besonders für Bidens Vorgänger Donald Trump, der sich in puncto Israel vorbehaltlos auf die Seite der rechtskonservativen Regierung Netanjahus stellte. Als Biden angelobt wurde, befürchteten in Israel manche eine Rückkehr zum differenzierten Nahostkurs Barack Obamas (2009–2017).

USA halten sich zurück

Ihre Ängste waren unbegründet. Der Druck, den Bidens Administration auf Israel beispielsweise in der Frage des Siedlungsbaus im Westjordanland ausübt, hält sich in Grenzen. Israels nun bereits mehrjährige innenpolitische Krise gibt Washington einen Grund, sich mit Kritik zurückzuhalten. Man erklärt stets, die internen Konflikte nicht noch zusätzlich anheizen zu wollen. Es dürfte auch während dieses Besuchs bei freundlichen Worten, emsigem Händeschütteln und ein paar wohlgeschliffenen Statements bleiben. Biden trifft neben Regierungschef Lapid auch Staatspräsident Jitzchak Herzog, Vizepremier Bennett, Verteidigungsminister Benny Gantz und eben Netanjahu. Auch ein Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem steht auf dem Programm.

Es gibt aber auch durchaus sensible diplomatische Punkte, die durch Bidens Reiseplan berührt werden. Als erster US-Präsident wird er Ostjerusalem besuchen, um dort dem palästinensischen Augusta-Victoria-Spital Geldzusagen zu machen, wobei israelische Staatsvertreter nicht dabei sein dürfen. In konservativen Kreisen in Israel und in der US-Diaspora wird das als Abweichung vom Protokoll betrachtet: Israel hat Ostjerusalem annektiert.

57 Prozent der Israelis sind skeptisch, dass Biden tatsächlich in der Welt für israelische Interessen einsteht – das gilt wohl auch für seinen Besuch in Saudi-Arabien. Wobei es unter der Zensurdecke bereits seit längerem auch direkte Kontakte zwischen Israelis und Saudis gibt. Nur eben nicht auf offizieller Ebene. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 13.7.2022)