Medienministerin Susanne Raabs Team verhandelt derzeit intensiv über Mediennovellen.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Wien – Die Regierungsverhandlungen über neue Regeln für Regierungswerbung von Bund, Ländern und Gemeinden sowie über eine neue Presseförderung sollen nach STANDARD-Informationen vor finalen Verhandlungen stehen. Sie bringen – soweit bisher erkennbar – einiges Spannungspotenzial mit sich – etwa, wie die EU-Kommission eine neue Presseförderung sieht. Aber auch, wie die einzelnen Medienhäuser die Pläne aufnehmen.

Der Stand der Entwürfe nach STANDARD-Informationen aus mehreren Quellen – die Entwürfe sind noch Gegenstand von Verhandlungen, Stellungnahmen von Ministerium und Grünen stehen bisher aus:

Regierungsinserate mit Deckel

  • Deckel Die Werbeschaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden – ohne Beteiligungen in ihrem Besitz – sollen künftig gedeckelt, also nach oben limitiert werden. Das genaue Limit soll noch nicht fixiert sein. Eine Möglichkeit wäre, dieses Limit an der Zahl der Userinnen und User eines Mediums zu orientieren. Für eine Regelung, die für Bund, Länder und Gemeinden gilt, bräuchte es wohl eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat.
  • Ausnahmen von der Meldepflicht für öffentliche Werbebuchungen unter 5.000 Euro pro Quartal sollen ebenso fallen wie Ausnahmen für Buchungen in seltener als viermal pro Jahr erscheinenden Medien. Das sind große, teils gezielt genutzte Schlupflöcher, um Meldungen öffentlicher Werbebuchungen zu umgehen.
  • Transparenter und nutzerinnenfreundlicher soll die RTR GmbH künftig die Meldungen von öffentlichen Stellen über ihre Werbebuchungen publizieren. Bisher müssen die Daten nach zwei Jahren gelöscht werden, die Veröffentlichungen sind eher unübersichtlich und müssen aufbereitet werden, um ein sinnvolles Bild der Buchungen zu bekommen.

Presseförderung für Journalistinnen und Journalisten

ÖVP und Grüne wollen offenbar auch das Presseförderungsgesetz wesentlich ändern. Diese Förderung wurde bei Österreichs EU-Beitritt 1995 von der EU akzeptiert und gilt damit als sogenannte alte Beihilfe – eine Ausnahmeregelung von den strengen EU-Beihilfenregelungen.

Auch die Höhe der Presseförderung – bisher rund 8,9 Millionen Euro pro Jahr – ist von der EU akzeptiert, eine Aufstockung ist ebenfalls in Brüssel zu notifizieren.

Geplant ist nach unbestätigten STANDARD-Infos:

  • Aufstockung Die Presseförderung soll nach bisherigen Überlegungen auf 20 bis 25 Millionen Euro aufgestockt werden.
  • Qualitätsförderung Die Qualitätsförderung soll wesentlich aufgestockt werden. Den Fördertopf gibt es bereits, er unterstützt bisher Journalismusausbildung in Redaktionen, Korrespondentinnen, Leseförderung und Presseclubs. Künftig soll der größte Teil der Presseförderung in Qualitätsförderung gehen, die Medien nach der Zahl der – voraussichtlich nach Journalismus-KV – angestellten Journalistinnen und Journalisten fördert. Hier soll es eine Obergrenze geben, die ein wesentlicher Teil der österreichischen Tageszeitungen erreichen dürfte.
  • Onlinemedien, Gratiszeitungen, Monatstitel, Podcasts sollen künftig offenbar ebenfalls diese Qualitätsförderung bekommen. Bisher geht die Presseförderung ausschließlich an Kauftages- und -wochenzeitungen.

Die zwei weiteren Säulen der Presseförderung sollen laut STANDARD-Infos erhalten bleiben. Das ist einerseits eine Vertriebsförderung, die bisher an alle Kauftages- und -wochenzeitungen geht und in diesem Jahr bis zu 180.000 Euro beträgt. Andererseits die besondere Förderung der regionalen Vielfalt, die an nicht marktbeherrschende Kauftageszeitungen geht – derzeit an "Presse", STANDARD, "Neue Vorarlberger Tageszeitung" und "Neues Volksblatt".

Die Förderung für die – mittelbar gehaltene – ÖVP-Parteizeitung "Volksblatt" soll noch Verhandlungsthema sein. Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger hat sich zuletzt im "Falter"-Podcast gegen eine Förderung von Parteimedien ausgesprochen.

Spannende EU-Prüfung

Kommen die Entwürfe in dieser kolportierten Form, muss jedenfalls die Änderung der Presseförderung der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden. Wenn die EU-Kommission die Ergänzung der Qualitätsförderung als grundlegende Änderung beurteilt, müsste möglicherweise die gesamte Presseförderung beihilfenrechtlich geprüft werden.

Bei der Notifizierung der Digitaltransformationsförderung für klassische Medienhäuser verwehrte die EU-Kommission Österreich eine geplante Basisförderung und verlangte einen Projektbezug solcher Förderungen.

Die geplante Qualitätsförderung soll sich an konkreten Kriterien orientieren, wie sie die EU-Kommission in früheren Verfahren gefordert habe, heißt es zu solchen Bedenken.

Spannungspotenzial in der Branche

Kaufzeitungsverlage und ihr Verband zeigten sich bisher wenig begeistert von Presseförderung für Gratistitel wie "Oe24", dessen Schwestermarke "Österreich" gerade die Republik auf Presseförderung klagt, und "Heute".

Eine Begrenzung für öffentliche Inserate, die einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen ausmachen, könnte Boulevardtitel, aber womöglich etwa auch einige Regionaltitel verstimmen, wenn der Deckel auch für Länder und Gemeinden gilt.

Kleinere, nicht marktbeherrschende Titel wie "Presse", STANDARD, "Neue Vorarlberger", die von der regionalen Vielfaltsförderung profitieren, könnte eine Gesamtprüfung der Presseförderung durch die EU irritieren.

Konfliktstoff ORF-Gesetz

Die privaten verlegerischen Medienhäuser schauen zudem schon sehr angespannt auf den nächsten medienpolitischen Verhandlungspunkt, der kommende Woche anstehen dürfte: eine Novelle zum ORF-Gesetz, die dem ORF mehr Möglichkeiten online einräumen soll, insbesondere im Streaming. (fid, 13.7.2022)

DER STANDARD bat eine Sprecherin von Medienministerin Susanne Raab und die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger um Stellungnahme zu den STANDARD-Infos, bisher blieben diese Anfragen unbeantwortet.