Der Selbstbedienungsladen in Straß im Straßertale, Niederösterreich, ist gefüllt mit Lebensmitteln aus der Region, bezahlt wird per Bankomat.

Foto: Regine Hendrich

Der absolute Superrenner ist die Cremeschnitte im Glas. "Aber eigentlich geht alles gut", sagt Karl Schwillinsky, "selbst Ausgefalleneres." Im Kühlschrank hinter ihm reihen sich Gläser mit Gulasch, Paella, Bärlauchpesto, Kalbsrahmbeuschel, Jambalaya, gefüllten Paprika, abgepackte Wildsalami und Kaminwurz’n. Auf der Glasscheibe klebt das Logo, das eine Karikatur von Schwillinsky in einem Einmachglas zeigt, darunter steht: "Quarantäne Deluxe".

Schwillinsky ist Koch, er stand in der Vergangenheit in einer Reihe von heimischen Haubenlokalen in der Küche. In der Corona-Krise, im Zuge der Quarantänen, Lockdowns und des Herunterfahrens des gesellschaftlichen Lebens, hat Schwillinsky seinen Selbstbedienungskühlschrank im niederösterreichischen Zöbing gestartet. Der 55-Jährige gilt nicht nur hier im Kamptal im Waldviertel als gastronomisches Urgestein. Er bietet Caterings für Veranstaltungen an und organisiert gemeinsam mit seiner Frau, der Winzerin Barbara Öhlzelt, Weinverkostungen und mehrgängige Menüs. Als die Gastronomie schließen musste und Feste pandemiebedingt auszufallen begannen, beschloss Schwillinsky, für seine Kundschaft weiterzukochen.

Der Gastronom Schwillinsky vor dem Take-away-Kühlschrank mit seinen Gerichten, abgepackten Wildspezialitäten und alkoholfreiem Verjussaft der Winzerin Barbara Öhlzelt.
Foto: Regine Hendrich

Auf Anhieb funktioniert

Im März 2020, nur eine Woche nach Verkündung der ersten bundesweiten Ausgangssperre, stellte der Gastronom einen Eiskasten in den Hof des Weinguts seiner Partnerin. Er füllte seine Gerichte in Gläser ab, klebte Preispickerln darauf und hinterließ sie seiner Kundschaft im neuen Kühlschrank, aus dem man sich seither bedienen kann. Am Holztor befestigte er einen Postkasten, der als Kassa dient. Die Hauptspeisen kommen auf acht bis elf Euro, die Desserts auf bis zu fünf Euro. Den Bezahlvorgang kontrolliert niemand. "Das hat auf Anhieb wunderbar funktioniert", sagt Schwillinsky. "Die Leute sind ehrlich, sie hinterlassen eher mehr als weniger Geld. Zu Ostern haben sie uns Schokohasen mit hineingeworfen. Das ist richtig bezaubernd." Nachgefüllt wird jeden Tag, geliefert wird bis nach Tirol. Sogar aus Paris kam eine Bestellung.

400.000 Gläser hat Schwillinsky eigenen Angaben zufolge über das gesamte Vorjahr verkauft. Der Kühlschrank habe seine Firma am Laufen gehalten. Der Spitzengastronom war der Erste in seiner Region, der ein derartiges Service angeboten hat. Heute häufen sich die Selbstbedienungsläden und Containershops – nicht nur in Niederösterreich, sondern in ganz Österreich. Die Wirtschaftskammer (WKO) bestätigt, dass die Anzahl der Automaten "massiv angestiegen" ist, vor allem in dünner besiedelten Regionen. Diese leiden nicht nur am Bevölkerungsschwund, sondern auch an einem Rückgang der klassischen Lebensmittelhändler.

24-Stunden-Selbstbedienungsapparat der Kultfleischerei Mosshammer im Grazer Uni-Viertel mit Steaks, Burgern, Spareribs, Eingemachtem im Glas. Weil der so gut lief, hat Mosshammer auch einen Tortenautomaten vom Gratkorner Konditor Erich Handl montiert.
Foto: Walter Müller

Wachteleier und Hundesalon

Die Pandemie erforderte zusätzlich neue Ansätze für die Vermarktung regionaler Produkte. Feilgeboten wird heute eine breite Palette von Produkten. Die Auswahl reicht von Wachteleiern, Blumen und Wein über Hanfprodukte und Aufladekabel bis hin zu Handys oder Waschsalons für Hunde. Wie viele solcher Shops ohne direkten Kundenkontakt zwischen Vorarlberg und dem Burgenland stehen, lässt sich allerdings nicht eruieren. Denn aus der Gewerbeanmeldung geht nicht hervor, ob es sich um ein konventionelles Geschäft oder einen unbetreuten Container handelt.

Hier sei die Rechtslage "sehr komplex", sagt Christoph Tamandl, Geschäftsführer des Fachverbands des Lebensmittelhandels der WKO, die für die Selbstbedienungsläden Leitfäden zur Verfügung stellt. Denn an den Bestimmungen, allen voran an jenen die Öffnungszeiten betreffenden, scheiterte bereits so mancher Automatenbetreiber. Wer nur die eigenen Produkte anbietet, darf uneingeschränkt offenhalten. Wer hingegen Ware zukauft, gilt als Handelsbetrieb, wodurch die Ladenöffnungszeiten einzuhalten sind.

Doris Wasserburger bietet im Pasta-Drive-in direkt bei der Produktion in Straß frische Teigwaren an. Das Geld wird im Postkasten hinterlassen.
Foto: Regine Hendrich

Tamandl begrüßt zwar "ausdrücklich innovative Geschäftsmodelle und Formen der Gewerbeausübung, die dazu beitragen können, die Nahversorgung der Bevölkerung auch in strukturschwachen ländlichen Regionen zu gewährleisten". Für alle Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer müssten aber dieselben Spielregeln gelten.

Rechts der Selbstbedienungsladen des Familienunternehmens Obstbau Bischof im steirischen Gleisdorf – Kernöl, Äpfel, Fruchtsäfte gibt es hier. Hier hinterlässt man Bargeld in der Kassa. (Anna Giulia Fink, 14.7.2022)