Im Nachhinein betrachtet, muss ich schon sagen, dass die Idee, die Abkürzung zu nehmen, nicht die beste war. Klar, im ersten Moment spritzen die Endorphine regelrecht aus den Ohren, wenn du mit der Kombi aus E-Bike und einem rund 30 Kilogramm schweren Anhänger, der bergab auch noch anschiebt, den steilen, ausgesetzten Weg runterbretterst. Aber wenn der Anhänger dann am linken Rad einen deutlich stärkeren Schlag kriegt als am rechten, dann kann es schon sein, dass er zu einer Schraube ansetzt, die in einem Bauchfleck endet. Und wenn man dann im Hang die Trümmer wieder zusammenklaubt, die frischen Kratzer am ganz neuen Hänger wegzuwischen versucht, dann wird einem schnell klar, dass man im Endeffekt über die paar Serpentinen Umweg sogar schneller gewesen wäre.

Ein E-Bike und einen Anhänger. Mehr braucht man nicht für einen Camping-Urlaub.
Foto: Gluschitsch

Lektion 1: Gespannfahren

Es ist das Erste, was man lernt, wenn man mit der B-Turtle, so heißt der Zeltanhänger, und dem E-Bike unterwegs ist; dass man die Konzentration weg vom Ehrgeiz hin zum gelassenen Gespannfahren verlagert. Das sagt auch der fürs Marketing zuständige Gunnar Keller. Er erinnert sich verzeihend an Hänger, die in Kurven umgefallen sind oder die schlicht abgewetzt wurden, weil wieder jemand vergessen hat, dass das Gespann hinten breiter ist als vorn. Downhill-Detonationen samt Schneckenhaus dürften aber die Ausnahme sein.

Das Unternehmen Gentle Tent residiert in einem alten Bauernhof am Khleslplatz in Wien-Meidling, vermietet und verkauft verschiedene, aber stets spezielle Zelte. Vergangenes Jahr begann das Geschäft mit dem Fahrradcamping. Damals waren es fünf Räder, die man verlieh. Inzwischen sind es derer 15. Der Großteil der 150 Stück umfassenden Jahresproduktion geht aber gleich in den Verkauf. Rund 3500 Euro kostet der Anhänger mit dem größeren, dem Zwei-Personen-Zelt.

Am Anhänger liegt zusammengefaltet das Zelt, darunter gibt es noch einmal jede Menge Stauraum, etwa für die Luftpumpe, Sessel, Tisch und was man sonst noch so braucht.
Foto: Gluschitsch

Auf den ersten Blick ist das auch nicht billiger als ein Urlaub mit Meerblickzimmer, Halbpension und Schickimicki. Vor allem, wenn man bedenkt, dass man ja um wohl das gleiche Geld auch noch ein E-Bike erstehen muss, wenn man nicht schon eines hat. Denn allein mit Muskelkraft wird die Reise mit Anhänger sicher bald beschwerlich – selbst, wenn man sich dabei nicht über einen Riegel runterdersteßt.

Vielleicht kam des Preises wegen die Idee, Reisen mit den Leihrädern auszurichten. Das kostet dann, je nach Dauer, Destination und Package, nur einen Bruchteil. Topseller ist die Drei-Tage-Tour über das Himaleithagebirge nach Purbach und retour. Auch mehrtägige Touren an den Neusiedler See, in die Wachau, ins Wald- und Weinviertel gibt es. Oder von Passau nach Wien. Das ist die einzige Tour, die nicht am Firmensitz in Wien startet und endet, sondern am Bahnhof in Passau beginnt.

Grundsätzliches

Für mich ist Reisen an sich schon ein Horror. In einer Gruppe reisen zu müssen wäre die Hölle. Und Campen geht sowieso nicht. Allein die Vorstellung, am Abend warmen Wein trinken zu müssen und in der Früh beim Zähneputzen im Gemeinschaftsbad von den Toiletten nebenan ... Lassen wir das. Konzentrieren wir uns auf das, was ich mag. Alleinsein und Radfahren.

Darum starte ich eine individuelle Tour, auch runter ins Burgenland, keine 45 Kilometer lang. Ich campe wild, auf einem Grundstück, aber mit Erlaubnis der Besitzerin.

Obwohl die Ausrüstung der B-Turtle, wenn sie am und im Anhänger ist, spartanisch wirkt, ist das Set überkomplett und alles gut durchdacht.
Foto: Gluschitsch

Zwei Stunden und vier Minuten dauert die Anreise. Es geht zügig dahin, wenn man sich nicht allzu oft damit aufhält, auf allen vieren am Boden herumzukriechen. Vom Khleslplatz geht es entlang der Liesing aus Wien raus und stets über Radwege oder Nebenfahrbahnen, vorbei an Feldern und Reitställen, über Bäche und durch das eine oder andere Schlumpfhausen. So nenne ich Siedlungen, wo sich zwei Häuser nebeneinander wie ein Zehn-Fehler-Suchbild ähneln. Man kommt aber auch durch alte Ortsteile. Die sensationelle App Komoot fand den Weg.

Die Liegefläche ist riesig, im Vorzelt hat man Stehhöhe, und das Staufach unter dem Hänger ist vom Zelt aus zu öffnen. Am Ende fühlt man sich eher wie beim Glamping als beim Camping.
Foto: Gluschitsch

Zwischen Münchendorf und Ebreichsdorf findet aber auch dieses Programm keine andere Route mehr als über die Bundesstraße. Das heißt wohl, dass es genau dort, wo jeder behauptet, dass man ohne Auto komplett aufgeschmissen ist, gar keine Radwege gibt. Und als ein Radweg wieder losgeht, wünscht man dem, der ihn genau so angelegt hat, dass er jeden Tag dreimal drauffahren muss, weil man nur hinkommt, wenn man erst gegen die Einbahn, über einen Grünstreifen oder einen großen Umweg fährt.

Lektion 2: Radweg-Inferno

Am Ziel ist der Zorn über diese und andere Unzulänglichkeiten, wie etwa Poller auf dem Radweg, zwischen denen man mit einem Lastenrad oder Anhänger nur mit Akrobatikkenntnissen durchkommt, wieder verflogen. Aus der 120 Liter fassenden Wanne hole ich die Luftpumpe und beginne damit, den Boden und den Schlauch, der das Zelt bildet, aufzublasen. Der Zeltaufbau ist unkompliziert und dauert nur ein paar Minuten. Mit vier Heringen befestige ich das Vorzelt, in dem man Stehhöhe hat. Auf weiteres Verzurren verzichte ich. Es ist kein starker Wind angesagt, und der Hänger, auf dem der Boden des Zelts fixiert ist, steht auch so sehr gut. Wenn ich dann später mit meinem neuen Corona-Wamperl auch noch beim Niederhalten mithelfe, sollte in der Nacht nichts mehr passieren. Sollte.

Lektion 3: Wildtiere

Gegen zwei Uhr nachts beginnt es auf einmal im Vorzelt zu rascheln. Sessel und Tisch, die mir Gunnar Keller noch mitgegeben hat, habe ich vor dem Schlafengehen doch wieder vors Zelt gestellt und dann die Plane nicht mehr geschlossen. Aber lange dauerte das Raten nicht, welche Bestie mich da heimsucht. Sie begann nämlich fürchterlich zu mauzen. Und erst als klar war, dass es hier sicher nichts zu fressen gibt, durfte ich wieder schlafen. Sicher eine Stunde lang. Dann startete Versuch Nummer zwei des wilden Tigers.

Das Zelt ist auf Wunsch hin luftig und jedenfalls gelsensicher und damit auch tauglich für einen Ausflug an den Neusiedler See.
Foto: Gluschitsch

In der Früh war ich dann aber doch sehr ausgeruht. Bis das Zelt verstaut war, hat es ein paar Minuten länger gedauert, als es nötig gewesen wäre. Ja, wieder die Katze. Aber auch so war das Gespann in zehn Minuten wieder abfahrbereit.

Lektion 4: Fazit

Abgesehen von der Flucherei auf dem Stück Bundesstraße war auch die Rückfahrt ein wahrer Genuss. Vielleicht ist Fahrradcamping doch etwas für mich. So im Nachhinein betrachtet. (Guido Gluschitsch, 17.7.2022)