Insgesamt sechs Gebäude der alten Mühle musste die Familie Lambotte in der Normandie wieder auf Vordermann bringen.

Foto: Sascha Aumüller

Die tollen Retro-Deko-Gegenstände wurden auf Flohmärkten in der Nähe zusammengekauft.

Foto: Joëlle Stevenazzi

Auf dem zwei Hektar großen Gelände findet sich immer ein natürlich beschattetes Platzerl.

Foto: Sascha Aumüller

Cécile und Julien Lambotte sind nicht die Sorte Bobos, die erst im Lockdown das Landleben entdeckt haben und bald darauf den dazupassenden Zweitwohnsitz. Noch vor Beginn der Pandemie verliebten sich die Gestalterin und der Filmbeleuchter in eine Baustelle auf dem Land. Im Sommer 2019 beschloss das Pariser Paar dann, ganz aus der Tretmühle der Großstadt auszubrechen und in eine baufällige Mühle in der Normandie zu ziehen. Mit Sack und Pack und drei Kindern – das vierte war schon unterwegs – ging es an ein Bächlein in Crulai im Niemandsland der Normandie.

Verschleppter Jugendlicher

Tausend arbeitsreiche Tage später haben bislang 250 Gäste die drei Zimmer der "Moulin des Lambotte" bewohnt. Darunter der 16-jährige Théophile, der vermutlich ebenfalls von seinen Eltern aus der Stadt hierher verschleppt wurde. Nach dem Aufenthalt schrieb er ins Gästebuch: "Bei der Ankunft bemerkte ich panikartig, dass es kein WLAN, sondern nur schlechten 4G-Empfang gibt. Man ist hier komplett von der Welt abgeschnitten, was aber nicht weiter unangenehm auffällt."

Dass es hier auch sonst alles andere als ungut ist, liegt daran, dass die drei Gästezimmer als großzügige Appartements daherkommen, die mit liebevoll kuratierten Details wie einem orangefarbenen Wählscheibentelefon aus Bakelit (hast du eine Ahnung, was das ist, Théo?) oder Modemagazinen wie Elle aus den 1960ern versehen sind. Cécile und Julien sieht man ständig arbeiten auf dem zwei Hektar großen Gelände der alten Mühle, auf dem auch Hendln, Ziegen und ein Lama herumstolzieren.

Picknick mit Frischkäse

Als wir zu Gast waren, baute Julien gerade einen Stahlbottich zum lässigen Swimmingpool um. Wir wunderten uns, dass man trotzdem ständig das Gefühl haben darf, bei Freunden zu Besuch zu sein, die sich viel Zeit für uns nahmen. Frühstück im Vorgarten des Zimmers im Nebengebäude? Ja klar, bringen wir rüber! Im Picknickkorb soll auch eine Rolle von Juliens köstlichem Ziegenfrischkäse sein? Das ist doch selbstverständlich!

Wer will, muss die Mühle viele Tage lang nicht verlassen, ohne dass es fad wird oder einen der Hunger quält. Gäste können sich dort rundum bekochen lassen, selbst eine Forelle aus dem Bächlein angeln, Beeren und Nüsse klauben oder in einem Schnellkurs das Käsen erlernen. (Sascha Aumüller, 18.7.2022)

Weitere Oasen:

Zurück in den Futurismus: Das Haus Dellacher in Oberwart ist ein Juwel

Südtirol im Schildkrötentempo: Das Ottmanngut in Meran

Marseille: Zum zivilisierten Trinken geht's ins Museum

Prag und Ještěd: Über den Wolken im Fernsehturm

Das verträumte Fischerdörfchen von Lignano

Restaurant Kle in Zürich: Eine vegane Insel im Zürcher Geschnetzelten

Rubenshaus in Antwerpen: Wo sich der Meister vor der Welt zurückzog