Wer sich krank fühlt oder infiziert ist, sollte immer zu Hause bleiben. Das gilt für alle Infektionskrankheiten.

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Die Corona-Infektionszahlen bleiben weiter stabil hoch, gleichzeitig steht die Abschaffung der Quarantäne-Regeln im Raum. Eine diskutierte Möglichkeit ist, dass anstelle der Absonderung Verkehrsbeschränkungen über positiv Getestete verhängt werden. Ziel sei es, die Wirtschaft zu entlasten, indem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ohne Symptome während einer Corona-Infektion arbeiten gehen könnten – mit FFP2-Maske.

Während die meisten Bundesländer bereits jetzt nur eine fünftägige Quarantäne plus Verkehrsbeschränkungen bis zum zehnten Tag verordnen, geht Wien einen strengeren Weg. In der Bundeshauptstadt kann man sich ab Tag fünf lediglich freitesten, eine automatische Aufhebung der Quarantäne gibt es nicht. Auch in Zukunft wolle man von der Quarantäne nicht absehen, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Denn: Nur zehn Prozent jener, die sich freitesten wollen, schaffen das auch am fünften Tag. Für 70 Prozent sei es bis zum zehnten Tag gar nicht möglich. Und die Verkehrsbeschränkungen seien "unkontrollierbar".

Verschiedene Ansichten

Für den Wiener Weg plädiert auch der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Akademie der Wissenschaften in Wien. Er schätzt das Risiko weiterer Ansteckungen ohne Quarantäne zu hoch ein: "Ein infizierter Mitarbeiter könnte etliche Kollegen anstecken", ist sich Elling sicher. Denn auch ohne Symptome kann man infektiös sein. Und dabei geht es seiner Meinung nach nicht nur um Kollegen, auch "auf dem Weg zur Arbeit, in den Öffis etwa, könnte sich das Virus schnell verbreiten".

Der Epidemiologe Gerald Gartlehner hingegen spricht sich recht offen für eine Abschaffung der Quarantäne aus. Im Ö1-"Morgenjournal" erklärte er, dass es sich bei der derzeit dominanten BA.5-Variante um ein hoch infektiöses Virus handle und dass bei sehr hohen Infektionszahlen – die in den nächsten Wochen noch erwartet werden – die Quarantäne von Infizierten kaum noch einen Erfolg brächte. Der Grund: Viele Menschen seien bereits ansteckend, bevor sie Symptome entwickeln oder überhaupt wissen, dass sie sich infiziert haben. In dieser Zeit würden schon viele Ansteckungen stattfinden. Auch Simulationsstudien bestätigen laut Gartlehner, dass Absonderungen dann noch kaum einen Nutzen bringen würden.

Ablauf der Welle beobachten

Elling jedoch geht davon aus, dass es gerade jetzt, "wo die Welle noch am Ansteigen ist, zu mehr Infektionen kommen würde, wenn sich Infizierte nicht mehr absondern müssten". Vor allem der Schutz für vulnerable Personen wäre kaum noch vorhanden: "Alle Menschen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächtem Immunsystem könnten sich im öffentlichen Raum kaum noch sicher fühlen", ist der Molekularbiologe überzeugt.

Warum ein Abschaffen der Quarantäne vor allem während des Anstiegs einer Corona-Welle nicht sinnvoll wäre, erklärt er so: "Jede Corona-Welle bekommt irgendwann einen Höhepunkt. An diesem sind sehr viele Menschen bereits immun gegen die dominante Variante." Das Virus findet also nicht mehr genug Menschen, die sich noch anstecken können, und die Welle beginnt wieder langsam abzuflachen.

Wenn man nun während des Aufbaus einer Welle die Absonderungen aufheben würde, könne es passieren, dass die Welle viel höher wird als mit Quarantänebeschränkungen. Besser wäre es, die Absonderungsregeln zu lockern, wenn die Welle den Peak bereits überschritten hat. Der Simulationsforscher Peter Klimek nennt das die "antizyklische Quarantäne". Zusammengefasst bedeutet das: Während sich eine Welle aufbaut, müssen alle Infizierten in Quarantäne – wenn sie wieder im Begriff ist, abzuflachen, fallen alle Absonderungsregeln.

Mit Corona leben

Laut Elling wäre eine solche Quarantäne-Regelung eine Möglichkeit. Dabei gibt er jedoch zu bedenken, "ob ein solches Hin und Her für die Bevölkerung noch nachvollziehbar wäre", und er fügt hinzu: "Meiner Meinung nach wäre jede Aufhebung der Quarantäne-Regeln ein falsches Signal. Wir würden damit vermitteln, dass eh alles nicht so schlimm sei."

Bleibt die Frage, welche Konsequenzen es für den Herbst mit sich brächte, wenn jetzt im Sommer die Quarantänebestimmungen gelockert würden. "Da wir nicht wissen, welche Variante im Herbst auf uns zukommt, ist alles über den Corona-Herbst im Moment nur reine Spekulation", sagt Elling. Und er fügt hinzu: "Eine Corona-Welle schützt leider nicht vor der nächsten Welle. Mit Corona zu leben bedeutet, sich so wenig wie möglich anzustecken, und das sollte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auch möglich gemacht werden." (14.07.2022, jaa, ook)