Nach dem gewaltsamen Tod der 13-jährigen Leonie W. ist nun die Anklageschrift gegen drei junge Männer, die das Mädchen durch Drogen wehrlos gemacht und anschließend vergewaltigt haben sollen, fertig.

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Wien – Dass sich Exekutive und Justiz mit deviantem menschlichem Verhalten beschäftigen, liegt in der Natur der Sache. Stimmen aber die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft Wien in ihrer 16-seitigen Anklageschrift zum "Fall Leonie" gegen drei Verdächtige erhebt, dürften auch abgebrühte Veteranen ein mulmiges Gefühl bekommen. Kann man doch in dem Dokument mit der Aktenzahl 421 St 38/21 f nachlesen, wie verstörend empathielos die drei jungen Afghanen, die schuld am Tod der 13-jährigen Leonie W. in der Nacht auf den 26. Juni 2021 sein sollen, gehandelt haben sollen.

"Zubai", "Haji" und "Ramesh" lauten die Spitznamen der drei Angeklagten. "Zubai" ist mit 23 Jahren der älteste, im Jahr 2015 kam er nach Österreich. Von März 2018 bis Februar 2020 wurde er drei Mal wegen Suchtmittelhandels verurteilt, bei der letzten Verhandlung wurden auch die offenen Vorstrafen widerrufen, sodass er insgesamt 17 Monate in Haft musste, aus der er im Mai 2021 entlassen wurde.

Zwei von drei Angeklagten vorbestraft

Er zog danach zu seinem 19-jährigen Freund "Haji", dem Zweitangeklagten, in dessen Gemeindewohnung in Wien-Donaustadt. Auch dieser hat seit seiner Ankunft im Jahr 2015 drei Vorstrafen gesammelt, zuletzt verließ der Hilfskoch im Juli 2020 das Gefängnis.

Der Drittangeklagte "Ramesh" ist dagegen unbescholten, dafür ist sein Alter unklar. Als er im April 2021 nach einer Zeit in Serbien nach Österreich einreiste, gab er als Geburtstag den 20. Dezember 2004 an und wäre demnach heute mit 17 Jahren noch minderjährig. Die Staatsanwaltschaft gab allerdings ein Altersgutachten in Auftrag, das ergab, dass der Angeklagte spätestens im Juli 2002 zur Welt gekommen sein könne, also mindestens 20 Jahre alt ist.

"Ramesh" war es auch, der das spätere Opfer einige Wochen vor dessen Tod via Internet kontaktierte. Anfang Juni traf er sich mit der 13-Jährigen und ihrer besten Freundin, die immer wieder von Niederösterreich nach Wien zum Praterstern oder an den Donaukanal kamen. Laut Anklage soll er den Mädchen im Prater Drogen angeboten haben und via Übersetzungssoftware ein Angebot gemacht haben: "Wenn du mal zu mir kommen willst und einen Schwanz haben willst, kannst du zu mir kommen", schrieb er der Unmündigen. Er bot den beiden Freundinnen auch Geld an, falls sie zu ihm kommen würden, bei einem weiteren Treffen soll er Leonie betatscht haben.

Treffen mit 13-Jähriger gegen Mitternacht

Am Abend des 25. Juni war Leonie mit ihrer besten Freundin in ihrer Heimatstadt Tulln unterwegs, kontaktierte dann aber um 23 Uhr einen Bekannten, um von ihm im Auto nach Wien gebracht zu werden. Gegen Mitternacht trafen die drei Angeklagten das Mädchen und ihren Begleiter am Donaukanal, Leonie verabschiedete sich "für 20 Minuten" von ihrem Bekannten und ging mit dem Trio mit, um eine Ecstasy-Tablette zu konsumieren.

Die Anklagebehörde meint, dass die drei Männer da den Entschluss gefasst haben müssen, Leonie in die Wohnung von "Haji" und "Zubai" einzuladen, um sie dort zu vergewaltigen. Um 2.15 Uhr erreichte die Gruppe die Wohnung und schenkte sich Getränke ein – in dem von Leonie lösten die Männer allerdings sieben Ecstasy-Tabletten auf. Als das Mädchen durch die Wirkung des Rauschmittels wehrlos war, zogen sie Leonie aus und vergewaltigten sie nacheinander mehrmals.

Vergewaltigung mit Handy gefilmt

"Zubai" filmte einen Teil des Verbrechens sogar mit seinem Mobiltelefon. Da die Ermittler die Aufnahme im Internet-Speicherplatz des Handyherstellers fanden, konnte der gerichtsmedizinische Sachverständige den Todeszeitpunkt auf 5.57 bis 6.30 Uhr eingrenzen. Die Todesursache ist dagegen weniger klar: Sowohl die Überdosis als auch unbeabsichtigtes Ersticken im Zuge der Vergewaltigung kommen infrage.

Als die Angeklagten bemerkten, dass Leonie nicht mehr reagierte, sollen sie ihr zunächst Zitronensaft eingeflößt und sie geduscht haben. Als sie realisierten, dass das Kind tot war, trugen sie die Leiche aus der Wohnung und lehnten sie auf einem nahen Grünstreifen gegen einen Baum. Während "Zubai" seine Flucht ins Ausland vorbereitete, tarnten sich "Haji" und "Ramesh" als Ersthelfer und riefen um 6.56 Uhr sogar den Notarzt.

Im Ermittlungsverfahren leugneten alle drei die Vorwürfe, belasten sich aber teils gegenseitig. "Zubai" will freiwilligen Geschlechtsverkehr gegen Geld mit Leonie gehabt und sonst wenig mitbekommen haben. "Haji" sagt, er habe während der Vergewaltigung des Kindes durch "Zubai" die Hand des weinenden Mädchens gehalten, er habe aber aus Angst vor seinem Mitbewohner nichts unternommen.

"Selbst schuld, dass sie gestorben ist"

Außerdem erklärte der Afghane den Polizisten, dass "ihn das nichts angehe, sie sei nicht seine Freundin gewesen und außerdem sei sie selbst schuld, dass sie gestorben ist, sie habe Drogen genommen und sei einfach von zu Hause weggelaufen". Drittangeklagter "Ramesh" wiederum sagte, er habe einvernehmlichen Sex mit dem Mädchen gehabt, dann müsse er von den anderen selbst durch ein gepantschtes Getränk betäubt worden sein.

Die Verteidiger der Angeklagten, Wolfgang Haas, Astrid Wagner und Thomas Nirk, haben nun zwei Wochen Zeit, Berufung gegen die Anklage wegen Vergewaltigung mit Todesfolge und schweren sexuellen Missbrauchs einer Unmündigen einzulegen. Machen sie davon keinen Gebrauch, wird es wohl frühestens im September zu einem Prozess kommen.

Verteidiger Haas kündigt im STANDARD-Gespräch bereits an, die Anklageschrift zu akzeptieren. Er konzediert der Staatsanwaltschaft "gründliche und umfangreiche Ermittlungen", sieht aber den zweiten Anklagepunkt kritisch. Schließlich habe selbst die Polizei in einer ersten Aussendung nach dem Fund von Leonies Leiche davon geschrieben, bei dem Opfer handle es sich um eine etwa 18-Jährige. Haas geht also davon aus, dass sein Mandant tatsächlich nicht wusste, wie alt das Mädchen war. (Michael Möseneder, 15.7.2022)