Alle Autoren, schreibt Michael Pollan, "stehen vor der Aufgabe, die blühende Vielfalt der Welt und unserer Erfahrung davon buchstäblich in überschaubare Proportionen zu bündeln". Erst recht gilt das und stellt eine besondere Herausforderung dar, wenn sie im Wortsinn unbeschreibliche Phänomene begreiflich machen wollen. Zum Beispiel wenn der Journalist und Buchautor Pollan über die Wirkung psychoaktiver Pflanzen schreibt oder wenn die Ärztin und medizinische Forscherin Andrea Jungaberle darüber berichtet, was Wissenschaft und alltägliche Erfahrung zum Thema Bewusstseinsveränderung beitragen können.

Michael Pollan: Selbstversuch mit Kaffee – oder ohne.
Foto: Jeannette Montgomery Barron

Pollan hat sich seit seinem ersten Buch, Second Nature, vor mehr als 30 Jahren mit dem Verhältnis der Menschen zur umgebenden Natur beschäftigt, zunächst mit allem, was wächst, dann insbesondere mit Nahrungsmitteln und unterschiedlichen Esskulturen. Ein Ergebnis seiner Recherchen, in Das Omnivoren-Dilemma, war, dass praktisch alles Essen uns zuträglich ist außer das industriell produzierte. Seit einiger Zeit erkundet er, was Pflanzen uns neben Nahrung und Schönheit noch bieten, nämlich die Möglichkeit eines mehr oder weniger radikal veränderten Erlebens der Wirklichkeit – nenn es, literarisch verbrämt, ein Durchschreiten der Pforten der Wahrnehmung, nenn es Drogenrausch –, wobei es da gleich ein bezeichnendes Übersetzungsproblem gibt. Denn "Drugs" sind sowohl Drogen wie Medikamente, und Pollan verweist darauf, wie sehr die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Substanzen juristisch und daher gesellschaftlich bedingt ist.

In Kaffee Mohn Kaktus widmet er sich diesen drei Pflanzen (im Original heißen die beiden Letzteren etwas deutlicher Opium und Meskalin). Wie er über ihre Natur- und Kulturgeschichte und über die Ergebnisse medizinischer Forschung schreibt, ist ebenso informativ und vergnüglich zu lesen wie die Schilderungen seiner eigenen Erfahrungen: Sein Anbau von Mohn ist ein Flashback zu den schlimmsten Zeiten des US-amerikanischen Drogenkriegs; die Teilnahme an einem psychedelischen Meskalin-Ritual in der Tradition der Ureinwohner verzögert sich wegen Covid, wird dann aber für Pollan umso eindringlicher; und sein Selbstversuch mit Kaffee besteht darin, etliche Wochen lang keinen zu trinken, was ihm äußerst schwerfällt – die Droge der Aktivierung, des rationalen Denkens habe ihm schmerzlich gefehlt, schreibt er.

Michael Pollan, "Kaffee Mohn Kaktus. Eine Kulturgeschichte psychoaktiver Pflanzen". € 28,80 / 286 Seiten. Kunstmann, 2022

Ebenfalls einen Dreiklang, der sich sogar ein wenig reimt, hat der Titel des Buches von Andrea Jungaberle. Yoga, Tee, LSD nennt sie als Kürzel für verschiedene Möglichkeiten, Bewusstseinsveränderungen herbeizuführen, in der "Grauzone zwischen schulmedizinisch akzeptierter Therapie, Selbstbehandlung und Freizeitgebrauch". Ihr Hauptinteresse gilt dabei der Renaissance "substanzunterstützter" Behandlungsformen. Ärzte hatten in den 1950er- und 1960er-Jahren mithilfe von LSD und Psilocybin überraschende Psychotherapieerfolge erzielt, doch bevor sie systematisch klinisch forschen konnten, kam es in den USA und damit praktisch weltweit zu einem politisch motivierten Verbot der Substanzen.

Andrea Jungaberle, "Yoga, Tee, LSD. Bewusstseinsveränderung in Wissenschaft und Alltag". € 20,60 / 324 Seiten. Schattauer, 2022Auf Netflix ist gerade die vierteilige Doku-Serie "Verändere dein Bewusstsein" zu sehen, eine Adaption des gleichnamigen Sachbuchs von Michael Pollan.

Nun, nach fast einem halben Jahrhundert, ist Bewegung in die psychiatrische Forschung und Praxis gekommen, und das ist der eigentliche Fokus von Jungaberles Buch. Als Notärztin, die Drogenprobleme immer wieder hautnah erlebt, ist sie gegen kritiklose Euphorie immun. Doch ebenso stößt sie sich an der Ablehnung all dessen, was nicht in den etablierten ärztlichen Kanon passt. Das Buch, betont unakademisch und für Laien verständlich geschrieben, möchte über die Bedeutung intensiver, entgrenzender Selbsterfahrung aufklären – etwa bei der Behandlung von Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischen Störungen. Was Pollan auch als Recherche in eigener Sache betreibt, wird bei Jungaberle zu einem Rundflug über die vielen Erfahrungen, die User und Wissenschafter mit "Drogen" gemacht haben, bis hin zu neuesten Forschungen.

Beide bewegen sich mit ihren Plädoyers auf vermintem Gelände. Da investieren einerseits Libertäre und andere Milliardäre bereits in Psychedelika-Start-ups, andererseits berufen sich Politiker und ärztliche Standesvertreter auf die "Schedule 1 Drug"-Klassifikation, die Heroin, Cannabis und den Peyote-Kaktus gleichwertig einstuft: wertlos, gefährlich, daher verboten. An einigen renommierten Unis wird mittlerweile klinisch geforscht, anderswo gehen der Drogenkrieg und die Praxis des Einsperrens unvermindert weiter. In Zeiten wie diesen, die sich gerade ändern, sind beide Bücher jedenfalls lohnende Orientierungshilfen.
(Michael Freund, 17.7.2022)