Camilla hat bereits vor ihrem tatsächlichen Geburtstag Kuchen bekommen – ihr Sohn Tom Parker Bowls feierte mit ihr im National Liberal Club.

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Camilla wird schon länger an der Seite von Charles akzeptiert – auch von ihrer Schwiegermutter.

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Am 9. April 2005 heiratete das Paar.

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Welch wohltuende Wirkung ihr Nationalgetränk entfalten kann, lernen die Briten von klein auf. Mag auf der Insel wie anderswo auch der Siegeszug riesiger Kaffeebecher unaufhaltsam sein – in der Krise wird allemal eine schöne Tasse Tee gebrüht. Auch als Muntermacher, Erfrischung, Beruhigungs- oder Aufputschmittel dient das stets mit Milch angereicherte Getränk. Und als Ehekitt.

Ehekitt? Diese bisher weithin unbekannte Funktion hat kürzlich die Herzogin von Cornwall offenbart. Dem Magazin "Vogue" berichtete Camilla vom vollgestopften Terminkalender des Thronfolgers Prinz Charles, aber auch von ihren eigenen vielfältigen Verpflichtungen. Da gehe es den Eheleuten manchmal, so die Herzogin in einem maritimen Vergleich, "wie Schiffen, die nachts aneinander vorbeifahren". Doch irgendwann im Lauf des Tages gelinge ihnen doch immer ein Zusammentreffen: "Wir trinken eine Tasse zusammen und besprechen den Tag. Das ist wunderbar."

Aus dem Schatten getreten

Aus Anlass ihres 75. Geburtstags an diesem Sonntag ziert Charles' Frau das Cover der jüngsten Ausgabe der Modezeitschrift. Auch sonst ist die Herzogin zuletzt aus dem Schatten des Mannes getreten, der seit mehr als 50 Jahren zu ihrem Schicksal geworden ist. Erst langjährige Geliebte, später als böse Dritte in Charles' gründlich schiefgegangener Ehe mit seiner ersten Frau Diana verhöhnt, hat sich die vor 17 Jahren zur Prinzgemahlin aufgerückte Herzogin mit freundlichem Lächeln und eisernem Schweigen die Gunst des Volks erarbeitet, in dieser Hinsicht ihrer Schwiegermutter nicht unähnlich.

Und so hat die zunächst tiefskeptische Queen – Ehebrecher beiderlei Geschlechts galten bei Hof wenig – nicht nur längst ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut zu der Frau, die ihrem schwierigen Ältesten lebenslangen Halt gegeben hat. Elizabeth II hat die Anerkennung auch ganz öffentlich gemacht: Zu Jahresbeginn wurde Camilla in den Hosenbandorden aufgenommen, über dessen Mitgliedschaft die Monarchin bestimmt.

Für die Zukunft wichtiger war der öffentlich geäußerte Wunsch, die Schwiegertochter solle dereinst den Titel "Queen Consort" tragen dürfen. Dass dies in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fand, mag als Beleg für Camillas Rehabilitierung dienen.

Plus für Monarchie

Gewiss gebe es gerade in der älteren Generation "manche, die dem Thronfolger niemals sein Verhalten gegenüber Diana verzeihen werden", analysiert die Königsexpertin des "Daily Telegraph", Camilla Tominay. Umfragen zufolge aber gilt ein Vierteljahrhundert nach dem Unfalltod der "Königin der Herzen" die damals öffentlich angefeindete Camilla als Plus für die Monarchie: unprätentiös, den Menschen zugewandt, eine unersetzliche Stütze für den Thronfolger.

Charles sei durch die zweite Ehe von einem alten Grantler zu einem "unmissverständlich glücklichen Mann" mutiert, lautet die Beobachtung der britisch-amerikanischen Autorin Tina Brown. In ihrem rechtzeitig zum 70-Jahr-Platin-Thronjubiläum erschienenen Buch "The Palace Papers" lobt sie Camilla als "charmant, diskret, geduldig".

Die Charles-Biografin Catherine Mayer hat die Rolle seiner zweiten Frau im Leben des Prinzen auf eine prägnante Formel gebracht. "Nur Camilla ist es gelungen, im Umgang mit Charles sie selbst zu bleiben, weil sie nichts vor ihm zu verbergen hat", glaubt die frühere London-Korrespondentin des US-Magazins "Time", die der Herzogin von Cornwall auch mehrfach persönlich begegnet ist. Nicht zuletzt deren "unerschütterliche Frohnatur" sei für den grüblerischen Prinzen von eminenter Bedeutung.

Wohltätig und lesefreudig

Seit der Heirat 2005 haben die Briten unbekannte Seiten an der Herzogin entdeckt, die dem eindimensionalen Bild der Charles-Geliebten und Diana-Rivalin interessante Aspekte hinzufügten. Seit langem arbeitet sie hart als Schirmherrin der britischen Osteoporose-Gesellschaft. Auch setzt sie sich für eine Reihe von Organisationen ein, die sich um Opfer häuslicher Gewalt kümmern.

Inzwischen weiß man auch, dass Camilla eifrige Konsumentin zeitgenössischer Romane ist. Wann immer sie die alte Freundin auf eine neue Autorin hinweise, berichtete Lucia Santa Cruz, laute die Antwort: "Kenne ich schon." Die Leselust teilt die Mutter von zwei Kindern aus erster Ehe mit ihrem Mann: Besonders vergnüglich sei es, hat Camilla der "Vogue" anvertraut, "wenn wir im gleichen Zimmer sitzen und lesen. Wir sind zusammen, müssen aber keine Konversation treiben."

Getrennt, aber zusammen

Elegant hat Camilla mit Hinweisen aufs Lieblingsgetränk und die stille Lesegemeinschaft damit auch Gerüchte aus der Welt geschafft, die seit mehr als einem Jahrzehnt immer mal wieder durch die Gazetten geistern: Die Eheleute hätten sich entfremdet und lebten weitgehend getrennt. Daran stimmt, dass sich die beinahe 75-Jährige immer wieder auf ihren Landsitz Ray Mill (Grafschaft Wiltshire) zurückzieht und dort die Anwesenheit von Kindern und fünf Enkeln im Alter zwischen zwölf und 14 Jahren genießt. Ganz ähnlich wie Charles: Der liebt sein Landhaus Highgrove in der benachbarten Grafschaft Gloucester über alles und hält sich gern dort auf.

Hat der englische Adel nicht schon immer so gelebt? Normalsterblichen mag es nicht vergönnt sein, unter allerlei Residenzen auszuwählen. Aber Camillas Tipp der gemeinsamen Tasse Tee – mal sehen, ob der nicht demnächst in Eheratgebern auftaucht. (Sebastian Borger aus London, 17.7.2022)