Es waren erst drei Tage vergangen seit dem Besuch von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador im Weißen Haus in Washington. Da gelang es dem sechsjährigen Spürhund Max im Norden Mexikos einen der großen historischen Kartellbosse aufzuspüren: Rafael Caro Quintero, 69 Jahre alt und Gründer des ersten großen mexikanischen Kartells, benannt nach seiner Operationsbasis Guadalajara. Er wurde in San Simón, einem Dorf im nördlichen Bundesstaat Sinaloa gestellt. Mexikos Marine fand ihn in Büschen und nahm ihn fest. Er ist der erste ranghohe Drogenboss, der in den dreieinhalb Jahren Amtszeit von López Obrador festgenommen wird.

Quintero soll sich widerstandslos ergeben haben.
Foto: Mexico's Secretariat of the Navy via AP

Die Aktion, bei der die US-Antidrogenbehörde DEA nach eigenen Angaben mithalf, verlief offenbar unspektakulär. Caro Quintero ergab sich widerstandslos. Offizielle Fotos zeigen einen erschöpften älteren Herren mit tiefschwarz gefärbtem Haar, in Jeans, hellblauem Hemd und beiger Jacke. Für Dramatik sorgte seine Überstellung in die Hauptstadt, wo er in das Hochsicherheitsgefängnis von Almoloya eingeliefert wurde: Einer der Hubschrauber der Eskorte stürzte aus bislang ungeklärten Gründen ab; 14 Elitesoldaten kamen ums Leben.

Über die Festnahme freute sich vor allem die US-Regierung, die ein Kopfgeld von 20 Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt hatte. Caro Quintero wird vorgeworfen, hinter der Ermordung und Folter eines Doppelagenten der DEA im Jahr 1985 zu stecken. Der Drogenboss wurde kurz darauf in Costa Rica gefasst, verbüßte dann eine 40-jährige Haftstrafe in seiner Heimat, wurde 2013 aber dank eines Richterspruches vorzeitig entlassen. Bis die USA davon erfuhren und den Auslieferungsantrag aktivierten, war Caro Quintero bereits untergetaucht. Die US-Regierung hatte dies Mexiko extrem übel genommen.

Ein Blackhawk, der beim Einsatz assistierte crashte. 14 Elitesoldaten kamen ums Leben. Die Gründe sind noch unbekannt.
Foto: AP/Guillermo Juarez

Neuer Weg

Das geschah zwar vor der Amtszeit von López Obrador, aber unter ihm hatten sich die Beziehungen nochmals deutlich verschlechtert. Er wechselte die Sicherheitsstrategie. Statt Drogenkrieg galt fortan eine "Umarmungsstrategie". Kartelle wurden nicht länger militärisch verfolgt. Sozialprogramme sollten benachteiligte Jugendliche davon abhalten, sich den Kartellen anzudienen. Gleichzeitig pflegte López Obrador freundschaftliche Beziehungen zu den Paten, insbesondere dem Sinaloa-Kartell. Er setzte sich immer wieder für in den USA Inhaftierte ein, etwa für den legendären Drogenboss Joaquín "El Chapo" Guzmán und den ehemaligen Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos, der bei der Einreise in die USA festgenommen worden war.

Max, der erfolgreiche Schnüffler.
Foto: Mexican Navy/Handout via REUTERS

Der Präsident reiste außerdem mehrfach in die Drogenhochburg Sinaloa und traf sich dort mit der Mutter von "El Chapo". Als Elitesoldaten 2019 einen seiner Söhne aufspürten und festnahmen, ordnete López Obrador die Freilassung des Drogen-Juniors an. Killer des Sinaloa-Kartells hatten nach der Festnahme die Stadt blockiert, 14 Menschen ermordet und mit einem Blutbad gedroht. Außerdem strich der Präsident Gelder für die Drogenfahndung und löste Einheiten der DEA auf.

Doppeltes Spiel?

Ob ihm all dies in Washington vorgehalten wurde, ist nicht überliefert. Dennoch sehen Experten in der Festnahme von Caro Quintero ein klares Zeichen der Beschwichtigung. Ob damit auch ein Strategiewandel eingeläutet wird, oder vielleicht gar ein doppeltes Spiel dahinter steckt, ist noch unklar. Caro Quintero hatte nach seiner Freilassung in einem Interview jedenfalls beteuert, er sei nicht daran interessiert, wieder ins Geschäft einzusteigen. Laut DEA soll er aber rückfällig geworden sein. Er habe den Söhnen von Chapo Guzmán Marktanteile abluchsen wollen.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht hatte Caro Quintero einst angeboten, Mexikos Auslandsschulden zu begleichen. Diese Zeiten sind lange vorüber. Aus den Kartellen sind lose Zusammenschlüsse weitgehend autonomer Zellen geworden, die sich neben Drogen auch aus Schutzgelderpressungen sowie Menschen– und Waffenhandel finanzieren. Die Gewaltspirale dreht sich jedenfalls immer schneller, der Drogenhandel blüht und die lokale Bevölkerung wird immer mehr zur Geisel der organisierten Kriminalität.

Während Caro Quintero aus dem Verkehr gezogen wurde, ließ die Polizei zeitgleich vier mutmaßliche Killer des Sinaloa-Kartells frei. Sie hatten sich Anfang der Woche unweit der Hauptstadt schwere Gefechte mit der Polizei geliefert. Es handele sich um eine Zelle von Ovidio Guzmán. Der vermeintliche Rivale von Caro Quintero habe beschlossen, den Drogenhandel in Mexiko-Stadt zu übernehmen. (Sandra Weiss, 17.7.2022)