Die Folgen des Klimawandels sind vielfältig und äußerst ungleich verteilt. Extremwetterereignisse, die durch die Erderwärmung häufiger werden, führen vermehrt zu Gewalt gegen Frauen, wie Forscherinnen nachgewiesen haben.
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Die Folgen des Klimawandels betreffen jeden und jede von uns – und werden dies in Zukunft noch stärker tun als heute. Es zählt aber zu den großen Ungerechtigkeiten der vom Menschen verursachten Erderwärmung, dass das Maß der Betroffenheit sehr ungleich verteilt ist. In vielen Fällen sind gerade Menschen äußerst stark von den Folgen der globalen Klimaveränderungen betroffen, die in viel geringerem Ausmaß dazu beigetragen haben als andere. Welche Formen diese Folgen annehmen können, ist noch längst nicht in vollem Umfang bekannt.

Zu einem gleichermaßen überraschenden wie erschreckenden Ergebnis kommt in diesem Zusammenhang eine Studie von Forscherinnen rund um Kim van Daalen von der Universität Cambridge: In einer Analyse der vergangenen zwei Jahrzehnte hat sich gezeigt, dass Extremwetterereignisse, die durch den Klimawandel immer wahrscheinlicher werden, zu einer Zunahme von Gewalt gegen Frauen führen. In der Folge von Dürren, Wirbelstürmen oder Überflutungen kam es demnach verstärkt zu körperlicher, sexueller und häuslicher Gewalt gegen Frauen und Angehörige von sexuellen Minderheiten. Die Studie, die kürzlich im Fachblatt "Lancet Planetary Health" erschienen ist, ist die bisher umfangreichste Studie zu den Zusammenhängen zwischen geschlechtsspezifischer Gewalt und Klimawandel.

Zwangsheirat und sexuelle Übergriffe

Hitzewellen, schwere Stürme, Dürren oder Überflutungen, die durch den Klimawandel immer wahrscheinlicher werden, verschärfen die schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Wie eine Metaanalyse von 41 Studien zum Thema zeigte, resultiert daraus oftmals gewalttätiges Verhalten gegen Frauen und sexuelle Minderheiten. Derartige Folgen von Wetterereignissen mit verschiedenen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt umfassen körperliche und sexuelle Übergriffe bis hin zu Zwangsheirat, Menschenhandel und psychischen Missbrauch.

Die Gründe, warum extreme Wetterereignisse zu geschlechtsspezifischer Gewalt führen, sind laut dem Forschungsteam von Ort zu Ort unterschiedlich. "In Bangladesch zum Beispiel wurden junge Mädchen nach extremen Überschwemmungen in einigen Fällen zur Heirat gezwungen, weil die Familien dann einen Mund weniger zu ernähren haben", sagt Niaz Asadullah, Wirtschaftswissenschafter an der Monash University Malaysia in Sunway City, der nicht an der Studie beteiligt war. "Der Verlust von Ernten und Haushalten aufgrund von extremen Wetterereignissen setzt Mädchen zusätzlich unter Druck und macht sie angreifbar."

Frauen bahnen sich den Weg durch ein überflutetes Gebiet nach einer großen Überschwemmung im Juli 2020 in Südasien, von der Bangladesch stark betroffen war.
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Erhöhtes Risiko für die Schwächsten

Als Beispiel für ein Extremwetterereignis, das zu Gewalt gegen Homosexuelle führte, wird von den Studienautorinnen der Hurrikan Katrina genannt, der 2005 New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana verwüstete. Nach der Wirbelsturmkatastrophe kam es zu einer Häufung von Angriffen auf Homosexuelle, die von religiösen Extremisten für die Tragödie verantwortlich gemacht wurden. In anderen Fällen wurden Transgender-Personen in Notunterkünften bedroht oder ihnen der Zugang zu Hilfe verwehrt. "Sexuelle Minderheiten sind erhöhten Risiken ausgesetzt, die bei Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt unbedingt berücksichtigt werden müssen", sagt Studienerstautorin van Daalen.

Homosexuelle waren nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans 2005 vermehrt Gewaltakten ausgesetzt.
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"Die Studie deckt sich mit dem, was wir über Katastrophen wissen", sagt Susan Cutter, Direktorin des Hazards Vulnerability and Resilience Institute an der University of South Carolina in Columbia, die nicht an der Studie beteiligt war. "Jede Art von Katastrophe, ob sie nun mit dem Klima zusammenhängt oder nicht, hat unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf die Schwächsten." (Tanja Traxler, 18.7.2022)