Häusliche Pflege und Kinderbetreuung sind immer noch weitgehend Frauensache – und zwar immer mehr, wie das Wifo konstatiert.

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Österreich wichtigster ökonomischer Thinktank, das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), tut sich derzeit vor allem in Sachen Energiekrise mit Ideen hervor. In einem aktuellen Bericht, der dem STANDARD vorliegt, befassen sich die Ökonominnen und Ökonomen aber auch mit der Frage, wie es mit der Entwicklung von Wohlstand und Wohlbefinden in Österreich allgemein bestellt ist. Dies geschieht anhand bestimmter Indikatoren, die sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Uno orientieren.

Es zeigt sich: In zwei Bereichen gab es in den vergangenen Jahren deutliche Rückschritte – in der Frauen- und Jugendpolitik. Da wäre zunächst die Anzahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die weder beschäftigt noch in Aus- oder Weiterbildung sind. Diese Gruppe gilt als gefährdet – und das Wifo ortet hier eine "signifikante Verschlechterung", heißt es im Bericht.

"Signifikante Verschlechterung" bei Jugendlichen

Konkret wuchs der Anteil der erwerbs- und ausbildungslosen Jungen an der Gesamtheit der 15- bis 29-Jährigen zwischen den Jahren 2017 und 2022 im Durchschnitt um jährlich einen Prozentpunkt. Derzeit liegt er bei 8,8 Prozent. Besonders schlimm war das Corona-Jahr 2020, in dem der Anteil "stark auf die Covid-19-bedingten Verwerfungen reagierte und um mehr als einen Prozentpunkt zulegte". Immerhin lässt sich seit Ende der Corona-Einschränkungen wieder eine "graduelle Verbesserung der Lage" beobachten.

Zweiter Bereich, in dem es nicht rund läuft: der Unterschied zwischen Männern und Frauen betreffend häusliche Betreuungspflichten, sei es die Pflege von Kindern oder von kranken Angehörigen. Bei 25,1 Prozent aller Frauen stellen Betreuungspflichten einen wichtigen Grund dar, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen – bei Männern hingegen ist es lediglich bei 6,3 Prozent der Fall. Dieser Wert Österreichs liegt deutlich über dem EU-Schnitt.

Der "Gender Gap" wird größer statt kleiner

Dieser sogenannte "Gender-Gap" war eigentlich seit der Jahrtausendwende im Begriff, sich zu verringern – ehe er sich seit dem Jahr 2018 wieder zu verbreitern begann. Dass bald danach die Pandemie ausbrach, fällt auch hier negativ ins Gewicht, etwa wegen des Homeschoolings.

Immerhin: Es gibt auch Bereiche, in denen Österreich besser dasteht als vor einem Jahrfünft. So ortet das Wifo in Sachen Armutsgefährdung "einen moderaten Fortschritt".

Besonders gut im EU-Vergleich steht das Land auch bei der Erwerbstätigenquote dar, also des Anteils der Erwerbstätigen zwischen 20 und 64 Jahren an der Gesamtbevölkerung dieses Alters: Dieser liegt mit 77,4 Prozent auf Rekordniveau.

Last but not least: Auch die Anzahl tödlicher Arbeitsunfälle ging jedes Jahr um knapp zwei Prozentpunkte zurück, was einen "signikanten Fortschritt" darstellt. (Joseph Gepp, 18.7.2022)