Gekommen, um zu bleiben, sind auch Österreichs Fans. Es könnte freilich sein, dass sie zwischendurch heimreisen und fürs Viertelfinale wiederkommen.

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Es geschah am vergangenen Donnerstag. Da hat Frankreich bei der Fußballeuropameisterschaft der Frauen in Rotherham Belgien mit 2:1 bezwungen. Diani und Mbock Bathy trafen für die Französinnen, der zwischenzeitliche Ausgleich durch Cayman war zu wenig für Belgien, Frankreich sicherte sich vorzeitig den Gruppensieg. "Schön und gut", werden Sie jetzt sagen. Aber vielleicht auch: "Was kümmert mich das vier Tage später?"

Das Spiel, dem im New York Stadium in Rotherham 8.137 Zuschauer vor Ort beiwohnten, hat einen Meilenstein markiert: In der 16. Partie der Endrunde wurde bereits die Zuseherzahl der gesamten Euro in den Niederlanden 2017 übertroffen. Das Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber England und Österreich war mit 68.871 das bestbesuchte Spiel bei einer Frauen-Euro überhaupt.

Sichtbarkeit, Sichtbarkeit

Wenn es um Fußball der Frauen geht, ist Sichtbarkeit nach wie vor das große Stichwort. Österreichs Teamchefin Irene Fuhrmann wird nicht müde, es bei den vielen Medienterminen immer und immer wieder zu wiederholen: "Die Aufmerksamkeit hilft dabei, junge Mädchen zum Fußball zu bringen. Die Sichtbarkeit ist enorm wichtig."

Und die ist bei der Endrunde in England jedenfalls gegeben. Vor der Partie zwischen Österreich und Norwegen in Brighton, in der sich Österreich mit famoser Leistung und einem 1:0 den Aufstieg ins Viertelfinale sichern sollte, waren die Fans langsam, aber stetig eingetrudelt. Zwei Stunden vor Matchbeginn war schon einiges los. Klar, Fanzones und Rahmenprogramme animieren zur frühen Anreise, die Stadien sind schon längst keine reinen Sportstätten mehr. Insgesamt kamen 12.667 Zuschauerinnen und Zuschauer an diesem Abend ins Amex Community Stadium.

Plakate, Plakate

Auch in der Stadt Brighton war das Turnier sichtbar: Banner mit Spielerinnen hingen von Laternenmasten, auf denen sonst nur Möwen das teilweise wilde Geschehen im Urlaubsort überblicken. Keine Sorge, die Möwen waren eh auch da. Plakatreihen schmückten die Promenade. Immer wieder schummelten sich Fans mit Lionesses-Shirts ins rege Treiben.

Sarah Puntigam, Barbara Dunst, Marina Georgieva und die Freude über den Aufstieg ins Viertelfinale. Dunst hat einen Sessel in die Hand und damit Anleihen bei David Alaba genommen, der auch schon derart gejubelt hat.
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Im Durchschnitt sahen 839.000 Fußballfans das Match in ORF 1. Mit der Quote erreichte ORF 1 einen Marktanteil von 41 Prozent, in der Zielgruppe der Zwölf- bis 49-Jährigen kam man gar auf 44 Prozent. Die Kurve des TV-Faninteresses zeigt nach oben. Das Auftaktspiel gegen Gastgeber England hatte durchschnittlich 638.000 Zuseherinnen und Zuseher, beim Match gegen Nordirland am 11. Juli waren im Schnitt 502.000 Fans dabei.

Cricket, Rugby, Golf

Vor Ort fühlt es sich zeitweise wie in einer Bubble an. Einer Blase, die immer größere Löcher bekommt, langsam in die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung leckt, aber dennoch in sich geschlossen ist. Gerade wenn man sich nicht unmittelbar an den Spieltagen in den Spielorten aufhält. Keine (gefühlte) Mehrheit scheint zu wissen, dass gerade die besten Kickerinnen Europas in England um den Thron spielen. In einem Land, in dem der Fußball seinen Ursprung hat, ist das bezeichnend. In den Pubs, den Geburtsstätten des Public-Sport-Viewings, rittert die Euro mit Cricket, Rugby und Golf um die Bildschirme. Sie gewinnt nicht oft, auf Nachfrage kann Abhilfe geschaffen werden. In einigen wird per Tafel ausgewiesen: "Women’s Euros live". Damit sich jeder und jede auskennt.

Es ist wie so oft eine Frage des Anspruchs. Vor Turnierstart wurde bekannt, dass mehr als 500.000 Tickets für die Spiele der Euro an die Fans gebracht wurden. Das ist vor allem im Vergleich zur Euro 2017 in den Niederlanden eine bemerkenswerte Entwicklung. "Der Frauenfußball ist mittlerweile in einer anderen Sphäre. 517.000 Tickets, wer hätte das gedacht, das ist ganz einfach fantastisch", sagte Nadine Kessler, Abteilungsleiterin für Frauenfußball bei der Uefa.

Ausverkauft

Wenn Österreich am Donnerstag im zweiten Viertelfinale auf Deutschland trifft, werden 17.250 Tickets erhältlich sein. So viel fasst das Brentford Community Stadium. Schon Tage vor Anpfiff rechnet man mit einem ausverkauften Stadion. Nach dem atmosphärisch fulminanten Auftakt im Old Trafford in Manchester wurden Österreichs Kickerinnen immer wieder gefragt, ob die weiteren Gruppenspiele in puncto Zuschauerzahlen enttäuschend wären. Die meisten ÖFB-Spielerinnen sind in der deutschen Liga engagiert. Dort lag der Zuseherschnitt 2021/2022 bei 804.

Die vielen Fans sahen bisher ein sportlich anspruchsvolles Turnier. Bis Sonntag gab es kein 0:0. Und wer konnte überzeugen? Gastgeber England stotterte nur anfangs gegen starke Österreicherinnen, schaltete gegen Norwegen in den fünften Gang. Österreichs Viertelfinalgegner Deutschland präsentierte sich souverän, Frankreich ebenso. Am Mittwoch geht es mit dem ersten Viertelfinale zwischen Spanien und England in die K.-o.-Phase. (Andreas Hagenauer aus Brighton, 17.7.2022)