Um das Gelbe Trikot duellieren sich Jonas Vingegaard (in Gelb) und Tadej Pogacar (dahinter). Von hinten bringt sich Geraint Thomas (links) in Stellung.

Foto: Reuters/Gonzalo Fuentes

Die zweite Tourwoche hatte einiges zu bieten. Die frenetisch gefeierten Bergankünfte, die Übernahme des Gelben Trikots durch Jonas Vingegaard oder die Hitzeschlacht auf dem Weg in die Brettspielstadt Carcassonne ließen das Radsportherz höherschlagen. In der historischen Festungsstadt war es so heiß, dass sich Ineos-Fahrer Thomas Pidcock zur Erfrischung unter die örtliche Brunnenfontäne stellte. Die Duschen im Teambus waren besetzt.

Besetzung schwindet

Weniger stark besetzt geht indes das Fahrerfeld ins finale Drittel der Frankreichrundfahrt. Der Verschleiß an Fahrern nimmt zu. Musste zuerst das Team des letztjährigen Toursiegers Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) Ausfälle zweier Fahrer verkraften, so steht es im Vergleich mit Jumbo-Visma mittlerweile pari. Noch vor der Etappe am Sonntag von Rodez nach Carcassonne stieg Primoz Roglic aus. Der Slowene war ursprünglich als Kapitän und Aspirant für den Gesamtsieg seines Jumbo-Visma-Teams gestartet. Allerdings stürzte er auf der fünften Etappe, kugelte sich die Schulter aus und verrichtete fortan Helferdienste für Jonas Vingegaard, die neue Nummer eins im Team.

Seine Unterstützung wird dem Dänen fehlen. Ebenso die des niederländischen Edelhelfers Steven Kruijswijk. Dieser stürzte am Sonntag folgenschwer und musste mit dem Krankenwagen abtransportiert werden. So haben inzwischen UAE und Jumbo-Visma je nur noch sechs Fahrer im Peloton. Vingegaard stürzte selbst auch, kam aber mit Schrammen davon.

Helfer werden wichtiger

Somit rücken vor den schweren Etappen durch die Pyrenäen diejenigen in den Vordergrund, deren Arbeit sonst im Verborgenen stattfindet – die Domestiken, die Edelhelfer. Pogacar wird auf einen wiedererstarkten Rafal Majka bauen, Vingegaard auf Allrounder Wout van Aert und den US-Amerikaner Sepp Kuss. Dieser gilt als exzellenter Bergfahrer und müsse nun "die besten Tage seines Lebens haben", so Eurosport-Experte Jens Voigt. Gleichzeitig beäugen sich die beiden Kontrahenten hinsichtlich des Toursiegs. Wie siamesische Zwillinge hängen sie aneinander, lassen gelegentlich in Form von kleinen Attacken ihre Muskeln spielen. Es könnte sich ein Zweikampf anbahnen, wie es ihn seit Ullrich gegen Armstrong nicht mehr gab. Lachender Dritter könnte jedoch der Brite Geraint Thomas sein, dessen Team Ineos-Grenadiers noch in voller Mannschaftsstärke fährt.

Falls die Pyrenäengipfel keine Entscheidung herbeigeführt haben, wartet als 20. Etappe ein Einzelzeitfahren. Jedoch geht es diesmal über 40,7 flache Kilometer, nicht wie 2020 zur Planche des Belles Filles hoch, wo Pogacar seinen ersten Coup landete und die Tour für sich entschied. Und da wäre auch noch die Komponente Corona. Das Virus jagt dem Tourtross weiterhin unermüdlich und unberechenbar hinterher.

Am Ruhetag wurde das gesamte Peloton noch einmal großflächig getestet. Dabei gab es laut Weltradsportverband UCI zwei positive Ergebnisse. Die beiden Fahrer, deren Identität nicht preisgegeben wurde, seien allerdings asymptomatisch und könnten gegebenenfalls bei der nächsten Etappe starten. Dies entscheide sich Dienstagmorgen. Für das Gesamtklassement würden beide keine Rolle spielen. Nach Angaben von Bora-hansgrohe sind die Österreicher Patrick Konrad, Marco Haller und Felix Großschartner nicht betroffen, ihre Tests fielen negativ aus.

Falls die positiv getesteten Fahrer am Dienstag starten, wären von den 176 gestarteten noch 151 dabei. Am Ruhetag verabschiedeten sich Jakob Fuglsang (Israel Premier Tech) wegen eines Rippenbruchs und Michael Mørkøv (Quick-Step Alpha Vinyl). Letzterer kam am Vortag nicht innerhalb der Karenzzeit ins Ziel. (Jens Wohlgemuth, 18.7.2022)