Seit Montag ist der Wasserstand des Neusiedler Sees so gering wie seit 1965 nicht mehr. Damals begannen die regelmäßigen Messungen. Davor war der See schon mehrmals ausgetrocknet, doch auch die aktuellen Werte sind bemerkenswert. Denn die niedrigsten Wasserstände verzeichnet der Neusiedler See für gewöhnlich Ende September, Anfang Oktober – also nach dem heißen Sommer und vor den größeren Niederschlägen im Herbst.

Der aktuelle Negativrekord wird zudem wohl auch nicht lange anhalten. Regen ist nicht in Sicht, sehr wohl ist aber für die nächsten Tage eine Hitzewelle angekündigt – wodurch wieder viel Wasser aus dem See verdunsten wird.

Viele Liegeplätze sind in Rust derzeit leer. Der Grund dafür, ist dass viele Yachten nicht mehr ausfahren können, weil der Wasserstand zu niedrig ist. Das soll das Baggerschiff im Vordergrund nun ändern.
Foto: Guido Gluschitsch

Leere Liegeplätze

Der niedrige Wasserstand hat bereits Auswirkungen auf den Tourismus. Die Bootsliegeplätze machen es dem See gleich und erinnern eher an den Herbst als an den Sommer. Die meisten Anlegestellen für private Yachten sind nämlich leer. Die Eigner haben, weil schon im Frühjahr absehbar war, dass der See sehr wenig Wasser haben wird, ihre Yachten gleich gar nicht in den See heben lassen. Die Boote, die im Wasser sind, sind etwa in Rust oder Purbach zu Immobilien geworden. Nur Podersdorf freute sich unlängst über den starken Westwind und damit über einen Wasserstand, der auch Yachtbesitzern das Auslaufen ermöglichte. Auf der westlichen Seeseite, von welcher der Wind das Wasser in den Osten geblasen hat, wurde der Neusiedler See wieder zu einer Schlammlandschaft.

Doch nun soll alles besser werden. In Rust ist seit einigen Tagen eine Art Bagger im Einsatz, der die Fahrrinne von den Liegeplätzen raus auf den See um 25 Zentimeter abgraben soll.

Das Schöne und das Nützliche

An diesem Teil ist die Bürste befestigt, die den Schlamm auflockert, damit er dann abgesaugt werden kann.
Foto: Guido Gluschitsch

"Eine Schönheit ist es ja nicht", sagt der Bürgermeister der Freistadt Rust, Gerold Stagl (SPÖ), aber wenn er seine Arbeit gut verrichte, würde ihn das nicht weiter stören. "So habe ich den See noch nie gesehen", sagt Stagl und erinnert daran, dass die Zeiten, in welchen der See austrocknete, keine schönen waren. "Weder für die Menschen noch für die Tiere." Denn trocknet der See aus, bläst der Wind den Schlamm und das Salz aus dem Becken. In erster Linie geht es beim aktuellen Vorhaben aber um den Tourismus.

Das sagt auch Verkehrslandesrat Heinrich Dorner (SPÖ): "Die Schlammbeseitigung ist für Bootsfahrten – egal ob private Segelboote oder große Ausflugsschiffe – von großer Bedeutung." Doch es geht bei dem Pilotprojekt, das die Freistadt Rust rund 80.000 Euro kosten wird, um noch mehr.

Ein mehrere Kilometer langer Schlauch führt entlang der Straße vom Hafen in das Schlammsammelbecken am Ortsende von Rust.
Foto: Guido Gluschitsch

Künftige Anschaffungen

Die neu gegründete Seemanagement GmbH, deren Hauptaufgabe die Erhaltung des Neusiedler Sees ist, sieht sich die Arbeit des Baggers genau an. Hier wird nämlich eine neue Technologie angewendet, wie Christian Sailer, Leiter der Taskforce Neusiedler See, erklärt. "Eine Bürste löst den Schlamm auf, der dann abgesaugt, weggepumpt und untersucht wird." Gemessen wird vor allem, wie hoch der Anteil des Schlamms im abgepumpten Material ist. Der Anbieter der Technologie verspricht einen Schlammanteil von 30 bis 70 Prozent. Bei anderen Methoden, die im See schon zum Einsatz kamen, betrage dieser Anteil nur zehn Prozent. Zudem erklärt der Betreiber des Arbeitsboots, dass sich der Rover am Grund des Sees so langsam bewege, dass Fische und andere mobile Tiere problemlos ausweichen könnten.

Rund 80.000 Euro wird das Absaugen des Schlammes die Freistadt Rust kosten. Wie viel ein Randsprung kostet, haben wir nicht erfragt, aber ratsam ist ein solcher derzeit ohnedies nicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Es gehe nun darum, erklärt Erich Gebhardt, Leiter der Seemanagement GmbH, herauszufinden, welche Methode am erfolgreichsten eingesetzt werden kann. Denn am Ende des Pilotprojekts steht die Anschaffung mehrerer Maschinen, um den Schlamm in den Hafenbereichen des Neusiedler Sees abzutragen und so in diesen Bereichen die Wassersäule zu erhöhen. Alle Seiten betonen, wie groß der Zuspruch zu diesen Vorhaben sei. "Alle, mit denen wir gesprochen haben, waren dafür, das rasch umzusetzen", sagt etwa Gerold Stagl, fügt jedoch hinzu: "Aber es wird auch andere Meinungen geben."

In der Zwischenzeit in Purbach

Erich Gebhardt stößt ebenfalls nur auf Zuspruch. Nach den Vorhaben in Purbach gefragt – dort kündigte man schon im Frühjahr an, die Fahrrinne auszubaggern –, muss er aber zugeben, dass er hier noch keine Auskunft geben könne, weil Purbach eine der Gemeinden sei, mit denen die Gespräche noch ausstehen. Währenddessen hat in Purbach ein Bagger die Arbeit an der Kanalkopfausfahrt bereits aufgenommen. Möglich, dass die Kommunikation da zum ÖVP-regierten Purbach von der landeseigenen Seemanagement GmbH nicht ganz so gut ist wie zu roten Gemeinden.

Hinter dem Rücken der Seemanagement GmbH rückte auch in Purbach der Bagger aus, um die Kanalkopfausfahrt wieder schiffbar zu machen.
Foto: Rainer Schüller

25.000 Euro investierte Purbach in die Baggerarbeiten, die inzwischen auch schon wieder abgeschlossen sind. Und wie Bürgermeister Martin Horak sagt, stieß der Auftrag nicht nur auf Begeisterung. "Jetzt ist die Ausfahrt wieder schiffbar, aber wenn der Wasserstand weiter zurückgeht, ist auch diese Arbeit irgendwann sinnlos. Es ist also nur eine temporäre Lösung." Er warte nun die Gespräche mit der Seemanagement GmbH ab und ist vor allem auf die dann anfallenden Kosten gespannt. Der Schlamm, der in Purbach abgesaugt wurde, musste entsorgt werden.

Schlammmanagement

In Rust sammelt man den Schlamm in einem Becken am Ortsrand – ein dicker blauer Schlauch führt vom Hafen entlang der Zufahrt durch den Schilfgürtel zurück in den Ort. Insgesamt werden in Rust 7675 Kubikmeter Schlamm aus der Hafenzufahrt und der Zufahrt zu den Bootsliegeplätzen am Nordhafen gesaugt. Die Forschung Burgenland beschäftigt sich bereits in einem Projekt mit der sinnvollen und nachhaltigen Nutzung des Schlamms. Christian Sailer kann sich vorstellen, diesen als Dämmmaterial oder in der Landwirtschaft zu verwenden.

Bis große Mengen des Schlamms anfallen, wird es aber ohnedies noch ein paar Monate dauern. Das Entfernen des Schlamms ist im Naturschutzgebiet nicht immer erlaubt – das hat vorwiegend im Herbst und Winter zu geschehen. Für die aktuellen Projekte wurden Sonderbewilligungen eingeholt. Und von diesen könnte es demnächst mehr geben. Davon geht zumindest Christian Sailer aus, damit künftig das ganze Jahr über gearbeitet werden kann.

Wer da am Schlauch stand, kann nicht mehr herausgefunden werden. Klar ist aber, dass die Projekte zur Rettung des Neusiedler Sees auf zehn Jahre ausgelegt sind.
Foto: Guido Gluschitsch

Zuleitung aus Ungarn

Alle Anstrengungen von Land und Gemeinden bündeln sich in dem Wunsch, den See zu erhalten, ihn nicht austrocknen zu lassen. Neben der Entfernung des Schlamms und dem Schilfmanagement geht es dem Land Burgenland auch darum, Wasser aus der Moson-Donau in Ungarn in den Neusiedler See zu leiten. Nachdem das große Bauvorhaben auf ungarischer Seite überraschend eingestellt wurde, fürchten nun einige Befürworterinnen und Befürworter dieser Zuleitung, dass das Projekt nun gestoppt würde. Damit das nicht eintritt, wird diese Woche noch eine Delegation des Landes nach Ungarn reisen, um eine Grundsatzvereinbarung zu unterzeichnen. Gleichzeitig bemüht sich Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) gerade in der Sache um einen Termin bei Victor Orbán. Am Ende wird durch das Donauwasser der Wasserspiegel des Neusiedler Sees jedes Jahr um bis zu zehn Zentimeter gehoben werden können.

Bis dahin wird aber noch viel Wasser die Donau runterrinnen. "Die Projekte zur Rettung des Neusiedler Sees sind auf zehn Jahre ausgelegt", erklärt Landesrat Heinrich Dorner. (Guido Gluschitsch, 19.7.2022)