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Wer mit Bauern spricht, vernimmt oft Verzweiflung: Sie killen mit ihren Rindern das Klima, sagt man über sie, rotten Insekten und Vögel aus, und nebenbei verschmutzen sie noch das Grundwasser und sind Tierquäler, so die Wahrnehmung und auch Zuschreibung vieler. Klar ist: Probleme gibt es genug. Die Auswege sind aber oft andere, als die meisten von uns denken würden. Fünf Gedanken nach der Lektüre zahlreicher Studien zum Thema.

Die österreichische Kuh: klimafreundlicher als ihr Ruf.
Foto: APA/BARBARA GINDL

1. Was außerhalb des Feldes passiert, ist wichtiger als das, was im Feld passiert.

Die meisten Arten kommen am Rand von Feldern und außerhalb vor, dort, wo vielleicht eine Hecke ist, ein Blühstreifen, Gebüsch oder Wiesen, die länger nicht gemäht wurden. Forscher haben in Niedersachsen zwei Jahre lang über 1.000 Wildbienen an den Rändern von Feldern gezählt. Sie verglichen, wie sich die Zahl der Bienen auf einem Biofeld, einem "normalen" und einem konventionellen Feld mit Blühstreifen unterscheidet. Blühstreifen sind extra für Insekten angelegte Blumenwiesen.

Dabei zeigte sich, dass am Rand des Biofeldes doppelt so viele Bienen vorkamen als am Rand des konventionellen Feldes mit Blühstreifen. So weit, so wenig überraschend. Aber: Auf den Biofeldern war der Ertrag um 50 Prozent niedriger, das ist bei Winterweizen in der Gegend nicht unüblich. Man kann also auf 50 Hektar konventionellem Feld so viel Weizen ernten wie auf 100 Hektar Biofeld.

Die Forscher rechnen vor: Man könnte auf den 50 Hektar, die übrig bleiben, Blühstreifen anlegen. Das wäre fast viermal effektiver, um den Wildbienen Lebensraum zu schaffenm als ein Biofeld. Klar ist: Im Biolandbau herrscht oft mehr Bewusstsein für Landschaft und Ökologie. Aber gefördert wird, keinen Kunstdünger und keine synthetischen Pestizide zu verwenden. Die Studie legt nahe: Blühstreifen zu fördern kann effektiver sein!

(Batáry, Tscharntke 2022)

2. Kleine Felder sind besser als große.

In der DDR wurde in den 1950er-Jahren in kurzer Zeit die Landwirtschaft kollektiviert. Es wurde also kleinen Familienbetrieben das Land weggenommen, und es ging in staatliche Kooperativen über. Aus 800.000 kleinen Betrieben wurden 20.000 große. Das ging damit einher, dass die Landschaft plattgemacht wurde, es gab also nur mehr wenige, dafür riesige Felder, die meistens mit Monokulturen bepflanzt wurden. Die durchschnittliche Größe der Felder stieg enorm. In Westdeutschland stieg die Feldergröße nur moderat.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands änderte sich daran wenig, außer dass die Felder nun in Privateigentum standen. Forscher nutzten das, um an der ehemaligen Grenze relativ ähnliche Felder zu untersuchen. Der einzige Unterschied: In Ostdeutschland waren die Felder sechsmal so groß wie in Westdeutschland. Das Ergebnis: Die Länge der Feldränder war im Westen um 70 Prozent größer. Wie oben beschrieben sind sie essenziell für die Natur.

Dadurch war der Artenreichtum im Westen deutlich größer als im Osten. Laut den Forschern ist es ökologisch effektiver, ein großes Feld in mehrere kleine Felder aufzuteilen, als das große Feld biologisch zu bewirtschaften. Das schließt einander natürlich nicht aus, man kann auch kleinere Felder bio bewirtschaften. Es ist aber eine wichtige Erkenntnis für die Politik: Kleinere Felder sind ökologisch wertvoll. Weil sie aber mehr Arbeit machen, bräuchte es dafür saftige Förderungen.

(Batáry et al. 2017)

3. Flächen sich selbst zu überlassen ist ein größeres Problem, als sie zu intensiv zu bewirtschaften.

Der Mensch nimmt der Natur, den Pflanzen und Tieren, Lebensraum, indem er Grünflächen zu Äckern macht, Häuser und Straßen in die Wiese baut und Wälder stark bewirtschaftet. Da ist naheliegend zu sagen: Besser ist, wir überlassen die Natur sich selbst. Das ist oft auch klug, etwa in Urwäldern und manchen Schutzgebieten. Aber gerade in den österreichischen Alpen, wo immer mehr Almen aufgelassen werden, ist das kontraproduktiv.

Denn dort wird oft seit langer Zeit Almwirtschaft mit Kühen, Schafen oder Ziegen betrieben, die die Wiesen düngen, das Gras abfressen und so für spezifische Bedingungen sorgen, an die sich viele Insekten und Pflanzen angepasst haben. Hört die Bäuerin auf, die Fläche zu bewirtschaften, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt, holt sich der Wald auf kurz oder lang die Wiese zurück. So ist der Anteil des Waldes in Österreich von von 45,8 Prozent (1990) auf 47,2 Prozent (2019) gestiegen.

Für das Klima ist das gut, weil Bäume Kohlenstoff speichern. Für die Arten, die zuvor auf der Wiese gelebt haben, geht der Lebensraum verloren. Sie drohen auszusterben. Eine Analyse des Umweltbundesamtes zeigt, dass das Nichtbewirtschaften von Flächen eine größere Bedrohung für die Biodiversität des Landes ist als die zu intensive Bewirtschaftung.

(Umweltbundesamt 2016: Biologische Vielfalt in Österreich)

4. Was in Österreich nicht produziert wird, muss anderswo produziert werden.

Dass in reichen Ländern drastisch weniger tierische Produkte konsumiert werden müssen, ist wissenschaftlicher Konsens. Würden wir etwa Erbsen, Karfiol und Brokkoli auf einem Acker anbauen statt dort Tierfutter wie Mais oder Soja, sparen wir riesige Flächen. Dann können wir auch weniger Dünger und Pestizide nutzen und die Agrarlandschaft weniger intensiv bearbeiten, so das Argument: Das senkt zwar die Erträge, aber wir haben ja jetzt zusätzliche Flächen frei, die das wieder ausgleichen.

Das Problem mit dieser Argumentation: Österreich ist keine Insel. Österreichische Betriebe sind in den internationalen Handel eingebettet. Sie exportieren Fleisch, Milch, Eier, Obst und Gemüse, Getreide und Getränke im Wert von über zwölf Milliarden Euro pro Jahr (2020). Global steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln stark an, weil es auf der Welt immer mehr Menschen gibt und der Wohlstand und die Nachfrage nach Fleisch und Co steigt. Fleisch, das Österreich exportiert, muss anderswo nicht hergestellt werden.

Weil in Österreich relativ viel Gras an Rinder verfüttert wird, ist in Österreich produziertes Rindfleisch im globalen Vergleich eher klimafreundlich. Lokal sorgt das für Emissionen, aber bei Treibhausgasen ist eine globale Sicht notwendig. Würde man das Rindfleisch jetzt nicht mehr in Österreich herstellen, sondern anderswo, könnten die Emissionen dadurch steigen. Darum gilt: In einer globalisierten Welt müssen Importe und Exporte mitgedacht werden.

(Breunig, Mergenthaler 2022)

5. Die Erträge in der Landwirtschaft müssen überall auf der Welt massiv steigen.

In den nächsten 30 Jahren steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln global geschätzt um etwa die Hälfte. Der Druck auf die Natur ist aber jetzt schon so hoch, dass sie an der Grenze zum Kollaps steht. Eine von acht Millionen Arten könnte aussterben. Konsequenzen: unklar, eher nicht so positiv. Die Landwirtschaft muss also die eierlegende Wollmilchsau werden: Sie muss global mehr produzieren, ohne zusätzliche Flächen in Äcker umzuwandeln, und gleichzeitig für mehr Tierwohl sorgen und soll weniger Pestizide und Dünger verwenden.

Es braucht eine nachhaltige Intensivierung, schreibt der Weltklimarat, ein Zusammenschluss von tausenden Wissenschaftern. Das heißt: Auf einem gleich großen Feld müssen deutlich mehr Erdäpfel produziert werden, ohne die Natur weiter zu belasten – oder im Gegenteil, inklusive gleichzeitiger Entlastung durch Blühstreifen, Hecken, Bäume, Fruchtwechsel, aber auch durch zielgerichtete Gentechnik, Präzisionslandwirtschaft. Weil der Druck so groß ist, ist die Entlastung über die Nachfrageseite zentral: Wer weniger Fleisch und Käse isst und Milch trinkt, verbraucht weniger Fläche.

So oder so steigt global aber die Nachfrage nach Essen enorm. Das renommierte World Resources Institute argumentiert: Reiche Länder müssen sich solidarisch zeigen und ihre Erträge ebenfalls deutlich erhöhen. So leisten sie einen Beitrag zur Welternährung, denn zur Erinnerung: Wir sind keine Insel, essen Avocados aus Peru und exportieren Milchpulver nach China. Das ist genau das Argument von oben: weniger konsumieren und trotzdem mehr produzieren, weil die Nachfrage global so stark steigt.

Je mehr wir auf weniger Fläche produzieren, desto eher können wir auch wieder Flächen der Natur überlassen, wo das sinnvoll ist, etwa Moore oder Feuchtwiesen renaturieren oder größere Flächen zu Schutzgebieten machen, wo dann sanfte Landwirtschaft betrieben wird.

(World Resources Institute 2021)

Im nächsten Beitrag der Serie gehe ich noch detaillierter darauf ein, wie die Landwirtschaft (nicht) zur eierlegenden Wollmilchsau wird. Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an, um ihn nicht zu verpassen. (Andreas Sator, 22.7.2022)