Laut dem VfGH ist das Cannabisverbot vor allem eine politische Frage.

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Der private Konsum von Cannabis bleibt in Österreich weiterhin untersagt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in einer heute veröffentlichten Entscheidung einen Antrag auf Aufhebung des Verbots abgelehnt. Aus Sicht des Höchstgerichts war das Vorbringen "aussichtslos" und daher schon aus diesem Grund abzulehnen.

Ein Niederösterreicher hatte unter anderem vorgebracht, dass das Verbot im Suchtmittelgesetz unverhältnismäßig, unsachlich und somit verfassungswidrig sei. Der Mann argumentierte in einem Individualantrag mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft über die Cannabispflanze und ihre Gefährlichkeit sowie den geänderten gesellschaftlichen Anschauungen.

Bei Cannabis bestehe demnach nur ein sehr geringes Risiko einer psychischen oder physischen Abhängigkeit. Das Suchtpotenzial sei zudem viel geringer als etwa bei Nikotin oder Alkohol. Cannabis sei auch keine "Einstiegsdroge." Die Regelungen im Suchtmittelgesetz seien daher nicht mit dem öffentlichen Interesse des Gesundheitsschutzes begründbar.

Politische Frage

Laut den Höchstrichterinnen und Höchstrichtern ist Cannabis ein Suchtmittel, das von zahlreichen völker- und unionsrechtlichen Rechtsakten, erfasst wird. Es liege im "rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, den Konsum von auf solche Weise erfassten Suchtmitteln strenger zu regeln als den Konsum anderer Suchtmittel, etwa von Alkohol oder Tabakwaren". Der Gesetzgeber müsse auch nicht alle potentiell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen verbieten oder zulassen.

Die Frage, ob Cannabis legalisiert werden soll, sei also eine politische Entscheidung – und keine rechtliche Frage, die vom Verfassungsgerichtshof geklärt werden müsse. Vor diesem Hintergrund habe das Höchstgericht die weitere Behandlung des Antrags einstimmig abgelehnt.

Polizeilich vorgemerkt

Der 26-jährige Antragssteller Paul Burger war Ende 2020 von zwei Polizisten in Zivil mit einem halb abgebrannten Joint erwischt worden. Das Verfahren, das daraufhin gegen ihn eingeleitet wurde, war aufgrund der Geringfügigkeit des Vergehens zwar eingestellt worden, der Mann blieb allerdings polizeilich vorgemerkt und scheint damit bei allfälligen zukünftigen Amtshandlungen im Polizeicomputer auf.

Bereits davor engagierte sich Burger für die Legalisierung des "rein auf den Eigenbedarf ausgerichteten Cannabis-Konsums in Österreich". Er wolle selbst entscheiden, "ob ich auf meinem Balkon Cannabis rauchen kann oder nicht. Das fällt in meine Privatsphäre und geht den Staat nichts an."

Anwalt Helmut Graupner, der Burger im Verfahren vertrat, zeigte sich enttäuscht über die kurze Begründung des Höchstgerichts. "Diese (einstimmige!) Entscheidung ist des Verfassungsgerichtshofs nicht würdig", schreibt Graupner auf Twitter. Es sei "respektlos" gegenüber den Betroffenen, sie "sie derart abzukanzeln und ihnen eine auch nur ansatzweise Auseinandersetzung mit ihren Argumenten zu verweigern". Wer kriminalstrafrechtlich verfolgt wird, hat laut Graupner zumindest ein Recht auf eine ordentliche Begründung.

Strafrechtliches Verbot

Derzeit sieht das Strafrecht unterschiedlich hohe Strafen für den Cannabis-Konsum vor. Sie richten sich nach dem jeweiligen THC-Gehalt. Wer etwa bis zu 20 Gramm der Reinsubstanz ohne Verkaufsabsicht besitzt – also zum Eigengebrauch – dem droht eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten.

Eine große öffentliche Debatte zum Thema gab es in Österreich bisher nicht – im Gegensatz zu Deutschland, wo es laut dem Regierungsprogramm der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP zu einer Legalisierung der Substanz im Sinne einer "kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" kommen soll. Ein erster Gesetzesentwurf könnte bis Ende des Jahres vorliegen. Die Umsetzung selbst dürfte laut Expertinnen und Experten aber um einiges länger dauern. (japf, 18.7.2022)