Jordan Wolfson zeigt im Kunsthaus Bregenz seine "Female Figures" und generiert damit physische und psychische Reaktionen.

Foto: Markus Tretter Courtesy Jordan Wolfson Studio, David Zwirner und Sadie Coles HQ, London © Jordan Wolfson, Kunsthaus Bregenz

Thomas Trummer führt seit 2015 erfolgreich das Kunsthaus Bregenz.

Foto: Darko Todorovic

Der Museumsboom der 1990er fand in Österreich nicht in Wien, sondern in Bregenz seinen ersten Niederschlag. Dort stießen die Pläne für die Errichtung eines Kunsthauses anfangs auf massiven Widerstand der Bevölkerung. Der Entwurf von Peter Zumthor wurde als "größter Joghurtbecher des Alpenraums" verunglimpft, Taxifahrer sollen Gründungsdirektor Edelbert Köb einst sogar den Fahrdienst verweigert haben.

Heute ist man in Bregenz mächtig stolz auf den 1997 eröffneten Zumthor-Bau mit der Glashaut und darauf, dass im "KUB" internationale Kunststars mit ortsspezifischen Arbeiten auf die Architektur reagieren.

Dass der New Yorker das Kunsthaus vor einiger Zeit gar zum "most important contemporary-art museum in Austria" erklärt hat: Nicht schlecht fürs Prestige. Die Diagnose des US-Magazins stand in einem Porträt über den US-Künstler Jordan Wolfson zu lesen, dessen Arbeiten jetzt am Bodensee zu sehen sind und der seinerseits gern mit Superlativen bedacht wird. Nicht nur mit positiven. Wolfson gilt als Kunstmarkt-Darling und "bad boy", dessen Arbeiten polarisieren.

Aufmerksamkeit ist garantiert

Direktor Thomas D. Trummer hat es sich und dem Publikum zum 25. Geburtstag des KUB nicht gerade gemütlich gemacht. Immerhin garantiert Wolfson Aufmerksamkeit, was sich am vergangenen Wochenende an den prominenten Eröffnungsgästen ablesen ließ, darunter Wolfsons Galerist David Zwirner.

Das KUB-Jubiläum wurde heuer schon im Fahrwasser der Venedig-Biennale gefeiert, die temporäre Außenstelle in der Lagunenstadt zeigt Arbeiten von Otobong Nkanga und Anna Boghiguian. Auch ein prestigeträchtiges Projekt, das dazu angetan war, das KUB noch stärker auf der internationalen Kunstlandkarte zu positionieren. Angesichts der Fülle an Satellitenschauen hatte man in Venedig aber ganz schön um Aufmerksamkeit zu buhlen.

Der inhaltlich größere Coup gelang Trummer, der das Kunsthaus seit 2015 leitet, ausgerechnet in den pandemischen Wirren des Jahres 2020 mit der internationalen Gruppenschau Unvergessliche Zeit: Unmittelbarer wurde nirgendwo sonst dem prekären Lebensgefühl seit dem Beginn der Corona-Krise mit den Mitteln der Kunst nachgespürt. Generell setzt Trummer stark auf Kunst, die an den Fragen der Gegenwart rührt. In den letzten Jahren etwa mit Theaster Gates, Miriam Cahn, Ed Atkins oder Shootingstars wie Bunny Rogers und Raphaela Vogel.

Animatronische Skulpturen

Durchschnittlich 55.000 Besucherinnen und Besucher zählt das KUB jährlich, die Quote könnte durch die aktuelle Schau noch gesteigert werden, allein schon des unheimlichen Go-go-Girls wegen, das Jordan Wolfson in der obersten Etage zu Songs von Beyoncé bis Paul Simon tanzen lässt und das dem Pu blikum dabei durch eine Pestmaske hindurch stechende Blicke zuwirft. Mit animatronischen Skulpturen wie der Female Figure hat Wolfson es zu Berühmtheit gebracht, und man würde sich auf jedem Jahrmarkt, in Disneyland oder in einer Ausstellung über Hollywoods ausgefuchsteste Animationstechniken bedenkenlos der Faszination darüber hingeben, was heute alles möglich ist.

Angesichts des mit Lackstiefeln und sexy Outfit ausgestatteten Tanzroboters stellt sich jedoch die Frage, was Wolfson mit dieser Art der Frauendarstellung noch bezweckt. Er selbst pflegt zu seinen Werken wenig mehr zu sagen, als dass sie darauf abzielen, sowohl physische wie auch psychische Reaktionen hervorzurufen. Das gelingt.

Hilflose Zeugenschaft

Es stellt sich Unbehagen ein – und zwar darüber, wie mit Popowacklern und aus dem großen Bottich der Pop- und Internetkultur gefischten Versatzstücken gewisse Bilder eher perpetuiert als hinterfragt werden. Das betrifft den berüchtigten Virtual-Reality-Schocker Real Violence.

Ein Gewaltexzess, kaum länger als ein Tiktok-Video, am Ende aber nicht viel schockierender als das, was die Gaming-Industrie an Gewaltspielen bietet. Nur dass man hier zur hilflosen Zeugenschaft verdonnert ist und dem jüdischen Chanukka-Gebet lauscht.

Seine jüdische Abstammung, Sexismus, Rassismus, Homophobie: All das flimmert so diffus durch Wolfsons Werke wie die Hologramm-Ventilatoren in Artists Friends Racists. Gut oder böse? Entscheiden Sie selbst. Wolfson flaniert derweil als Skinhead durch Paris und lächelt sanft in die Kamera. Das Talent, sich als Posterboy des Unbehagens zu inszenieren, kann man ihm kaum absprechen. (Ivona Jelčić, 19.7.2022)