In weiten Teilen Englands, auch in der britischen Hauptstadt London, suchten am Dienstag viele verzweifelt nach Schatten.

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In Großbritannien war schon vor der Mittagsstunde der Temperaturhöchststand gebrochen. Eine Messstation in der Grafschaft Surrey südlich von London verzeichnete 39,1 Grad. Kurz darauf wurde am Flughafen Heathrow erstmals die Marke von 40 Grad überschritten. Für den späteren Nachmittag rechnete der Wetterdienst Met Office im Landesinneren mit Spitzenwerten von 42 Grad. Dementsprechend blieb wie schon am Montag für weite Teile Englands die "rote Warnung" in Kraft: "Es besteht Gefahr für Leib und Leben selbst für Gesunde."

Während tags zuvor viele die Hitze noch sportlich genommen hatten, blieben die Britinnen und Briten am Dienstag tagsüber weitgehend zu Hause. Einen Hauptgrund dürfte die heißeste Nacht aller Zeiten darstellen, in der das Thermometer in der betroffenen Zone Englands kaum unter 25 Grad fiel. In den vergleichsweise kühleren Morgenstunden setzte dann ein Run auf Eiscreme und Ventilatoren ein. Bereits gegen elf Uhr waren viele Supermärkte vom Eise befreit.

Schmelzender Asphalt

"Nur im Notfall verreisen", lautete die Devise der Regierung. Wer trotzdem ins Auto stieg, sah sich in stark sonnenbeschienenen Zonen der Gefahr verschobener Straßendecken ausgesetzt. Im nordenglischen York sowie in der westenglischen Grafschaft Somerset ließ die Stadtverwaltung exponierte Straßen mit einer feinen Sandschicht bedecken, um den schmelzenden Asphalt zusammenzuhalten. Sämtliche Eisenbahnunternehmen des Landes schränkten den Zugverkehr stark ein, zudem kam es zu erheblichen Verspätungen. Auf der vielbefahrenen East Coast Mainline zwischen der Hauptstadt und den nordenglischen Knotenpunkten Leeds und York wurde der Verkehr sogar gänzlich eingestellt.

Die Gleise auf der Insel, referierte Verkehrsminister Grant Shapps in der BBC, seien für Temperaturen "zwischen minus 10 und plus 35 Grad angelegt". Hingegen maß die Eisenbahnagentur Network Rail (NR) schon am Montag an manchen Gleisen 62 Grad. Um Verformungen zu vermeiden, müssten die Gleise womöglich zukünftig härteren Stresstests unterzogen werden, erläuterte NR-Chefingenieur Paul Atherton. "Das ist sehr teuer und wird zu massiven Verspätungen führen."

Abkühlung erwartet

Wie schon in den vergangenen, in England ebenfalls überdurchschnittlich warmen und trockenen Wochen blieben weite Teile von Wales, Nordirland und Schottland von der Hitzewelle verschont. Im Norden der Insel klagen Gastwirtschaft und Hotels sogar über allzu kühle Temperaturen und jenen Regen, der in England Mangelware bleibt.

Immerhin soll auch dort am Mittwoch das Thermometer wieder auf die üblichen hochsommerlichen Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad fallen. Und für Freitag ist sogar etwas angesagt, wonach Gärtnerinnen und Wasserbauingenieure lechzen: Regen. (Sebastian Borger aus London, 19.7.2022)