Im Zentrum der Milchstraße befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch.
Foto: APA/AFP/European Southern Observatory

Innsbruck/Wien – Der Start ist mit der Veröffentlichung der ersten Bilder geschafft, das James-Webb-Teleskop hat seine Leistungsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nun beginnt seine Arbeit als wissenschaftliches Instrument. Forschungsgruppen aus aller Welt konnten Anträge stellen, um begehrte Beobachtungszeit mit dem neuen Teleskop zu ergattern.

Eine der ersten Gruppen, die das Webb nutzen darf, kommt aus Österreich. Die Astrophysikerin Nadeen Sabha von der Universität Innsbruck will sehr junge Sterne im Zentrum der Milchstraße nachweisen. Weil sich dort ein Schwarzes Loch befindet, sei die Geburt von Sternen zwar unwahrscheinlich. Unter besonderen Bedingungen wäre dies aber möglich, und es gebe immer mehr Hinweise auf die Existenz einer Sternengeburtsstätte im Galaxienzentrum.

Schwarzes Loch im Zentrum

Anfang der 1990er-Jahre lieferten der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel und die US-Astronomin Andrea Ghez überzeugende Beweise dafür, dass sich im Zentrum der Milchstraße ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet – sie wurden dafür 2020 mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet. Das Sagittarius A* genannte Objekt ist rund 26.000 Lichtjahre entfernt und konzentriert etwa vier Millionen Sonnenmassen in einem Gebiet nicht größer als unser Sonnensystem.

In unmittelbarer Nähe dieses Schwarzen Lochs wurden bei früheren Beobachtungen Objekte nachgewiesen, die schwach im Infrarotbereich leuchten – was ein Hinweis auf die Entstehung neuer Sterne sein könnte. Dafür müsste aber die Gasdichte hoch genug sein, um die Gezeitenkräfte zu überwinden, die durch das Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs verursacht werden.

Extrem dichtes Gas

Durch die Schwerkraft des Schwarzen Lochs und des zentralen Sternhaufens, der Sagittarius A* umgibt, herrschen im Zentrum der Galaxie schon sehr hohe Gasdichten – viel höher als in den meisten anderen Regionen der Milchstraße, erklärt Nadeen Sabha vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck. "Die für die Sternentstehung notwendigen extrem hohen Gasdichten entstehen aber erst durch die Gezeitenwechselwirkung mit dem Schwarzen Loch. Die Gezeitenkraft dünnt die Gaswolke dabei in einer Richtung aus, gleichzeitig komprimiert sie das Gas aber in der anderen Richtung, was schließlich zur Sternbildung führen würde", erklärt die Astrophysikerin.

Nadeen B. Sabha von der Universität Innsbruck untersucht das Zentrum der Milchstraße mit dem James-Webb-Teleskop.
Foto: privat

Sabha und ihr Team wollen nun mithilfe des vor kurzem in Betrieb gegangenen James-Webb-Teleskops genauer hinschauen. "Wir werden das hochempfindliche Teleskop auf diese schwachen Quellen im Zentrum unserer Galaxie richten. Damit sollte es möglich sein, diese neugeborenen Sterne mit relativ geringen Massen nachweisen zu können", erklärte sie. Sollte dies tatsächlich gelingen, könnten sich auch Planeten unter den unwirtlichen Bedingungen in der Nähe von Schwarzen Löchern im Zentrum von Galaxien bilden, betont die Forscherin.

Langes Leben für junge Sterne

Auch wenn landläufig die Vorstellung von einem alles verschlingenden Schwarzen Loch vorherrscht, wäre den jungen Sternen nicht automatisch ein kurzes Leben beschieden: "Die Sterne, die ich untersuchen werde, befinden sich auf stabilen Umlaufbahnen um das Schwarze Loch, so wie unsere Erde auf einer stabilen Umlaufbahn um unsere Sonne ist", sagt Sabha. Die möglicherweise sehr jungen Sterne seien nahe genug, um das Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs zu spüren, aber weit genug entfernt, um ihr ganzes Leben lang auf ihren Bahnen zu bleiben. Tatsächlich sei Sagittarius A* von zahlreichen Sternen umgeben, die teilweise bis zu einer Milliarde Jahre alt sind.

Ergänzend zu den Untersuchungen mit dem Weltraumteleskop erforscht Sabha die Sternentstehung im Zentrum der Milchstraße auch mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte Eso in Chile. Damit lassen sich auch Regionen im Zentrum der Galaxie beobachten, die für das hochempfindliche James-Webb-Teleskop zu hell sind.

Das Schwarze Loch selbst wurde erst im Mai zum ersten Mal von einer internationalen Kooperation unter Verwendung von Radioteleskopen auf der ganzen Welt abgebildet. Nun soll auch Webb diese Region genauer untersuchen. (red, APA, 20.7.2022)