Wegen eines falschen Gerichtshofes müssen sich drei Männer vor einem echten Landesgericht für Strafsachen verantworten.

Foto: APA / HELMUT FOHRINGER

Wien – Wenn man nicht mehr weiterweiß, kann man statt eines Arbeitskreises auch seinen eigenen Gerichtshof gründen. Wie die drei Angeklagten, die sich wegen des Vorwurfs der staatsfeindlichen Verbindung vor einem Geschworenengericht unter dem Vorsitz von Johannes Varga verantworten müssen. Die Männer im Alter von 47 bis 63 Jahre waren laut Staatsanwältin im "International Common Law Court of Justice Vienna" beziehungsweise der dazugehörenden "International Intelligence Agency" tätig, der ein "Volkstribunal" abhielt, "Haftbefehle" ausstellte und "Sheriffs" rekrutierte.

Der Erstangeklagte gründete seinen "Court", der laut Verfassungsschutz heute noch immer rund 400 Anhängerinnen und Anhänger im deutschsprachigen Raum hat, im Juni 2014 und machte sich zum "General Director". Er und der Zweitangeklagte wurden wegen diverser Aktionen bereits zu teilbedingten Haftstrafen verurteilt, die in der Rechtsprechung so gerne angenommene spezialpräventive Wirkung war überschaubar: Nach der Haftentlassung im Juni 2017 machten sie einfach weiter, dafür sind sie nun angeklagt.

Zwei Angeklagte einst beim BZÖ

Nun geben die beiden Arbeitslosen sich geläutert. Der im blauen Ruderleiberl erschienene Zweitangeklagte trägt sogar eine rot-weiß-rote FFP2-Maske. "Ich möchte abschließen und einfach in Frieden leben", beteuert der Erstangeklagte, der wie der Zweitangeklagte einst sogar Politiker im von Jörg Haider gegründeten BZÖ war, ehe das Duo von der Partei ausgeschlossen wurde. Er stellt den "Court" als mildtätige Vereinigung dar: "Er war eigentlich gedacht, um Menschen zu helfen", erläutert er dem Gericht. "Um bei Behörden vorzusprechen, wenn Menschenrechte verletzt werden."

In den Satzungen des "Court" stand anderes – man wollte die alleinige Gerichtsbarkeit in Österreich und Selbstjustiz üben, sagt die Anklägerin. "Warum haben Sie das 'Court' (englisch für Gericht, Anm.) genannt?", fragt Vorsitzender Varga. "'Court' war vielleicht ein Fehler. Ich habe nicht nachgedacht", gesteht der Erstangeklagte zu.

Fehler im Namen des UN-Generalsekretärs

Dass er und der Zweitangeklagte den "Court"-Mitgliedern ein angebliches Schreiben der Vereinten Nationen präsentierten, wonach die Weltorganisation den "Gerichtshof" anerkannt habe, gibt der Erstangeklagte ebenso zu. Er will es persönlich beim Uno-Sitz in Wien abgeholt haben. "Dass der Namen des UN-Generalsekretärs doppelt falsch geschrieben ist, ist Ihnen nicht aufgefallen?", will Varga wissen. Der Erstangeklagte behauptet, das habe erst später bemerkt.

Die Schreibfehler hinderten ihn jedenfalls nicht daran, der seinerzeitigen Außenministerin Karin Kneissl zu schreiben und Diplomatenpässe für den "Court" zu fordern. Selbst im August 2019 bezog er sich in einem Schreiben wegen einer Verkehrsstrafe an eine Bezirkshauptmannschaft auf seine angebliche diplomatische Immunität. Die Behörde fragte sogar im Außenamt an, um das zu überprüfen.

Brief an Außenministerin Kneissl

Der Zweitangeklagte hat den Brief an Kneissl übrigens persönlich im Ministerium abgegeben, das sei aber ein Freundschaftsdienst gewesen. Eigentlich sei er nur der Leiter des IT-Departements des "Gerichtshofes" gewesen und habe mit den Inhalten nichts zu tun. Auch seine Funktion als Präsident der "International Intelligence Agency" will er nicht mit letztem Nachdruck erledigt haben. "Was war die Aufgabe?", interessiert Varga. "Informationsbeschaffung und Informationsaufbereitung." – "Welche Informationen?" – "Die erste Aufgabe wäre gewesen, die eigenen Mitglieder zu durchleuchten, ob sie Probleme mitbringen. Ob sie Staatsfeinde sind und so." – "Und haben Sie das gemacht?" – "Nicht wirklich."

Die Staatsanwältin mag nicht recht glauben, dass der Zweitangeklagte, der ebenfalls Passierscheine der Uno beantragte, nur aus Freundschaft gehandelt habe. Sie hält ihm vor, dass er und ein Begleiter beim Besuch im Außenministerium mit dunklen Anzügen aufgetreten seien. "Was ist falsch daran, gut gekleidet zu sein? Vor allem, wenn man eine Behörde besucht?", verweist der Zweitangeklagte auf seine modische Stilsicherheit. "Heute besuchen Sie auch eine Behörde", kontert die Anklägerin angesichts des recht legeren und nicht unbedingt figurfreundlichen Ruderleiberls.

"Hirngespinst, das sehr gut verkauft wurde"

Der 63-jährige Drittangeklagten ist dagegen nur tatsachengeständig und bekennt sich "schuldig im Sinne der Täuschung, der ich offensichtlich aufgesessen bin". Der Selbstständige, einst in der Sicherheitsbranche tätig, behauptet nämlich, vom Erstangeklagten gelinkt worden zu sein. "Es war ein Hirngespinst, das sehr gut verkauft wurde." Ihm sei der "Court" als Schwestergericht des internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag beschrieben worden, das sich um Menschenrechte, Völkerrecht und Umweltschutz kümmern sollte.

Außerdem erhoffte er sich offenbar Umsatz, sollte er doch Selbstverteidigungskurse für die "Sheriffs" abhalten. Da wäre es aber nicht um Waffentraining gegangen, sondern um "einen gesunden Geist in gesundem Körper". Eine verbotene Waffe, die bei ihm sichergestellt wurde, hätte ein Mitarbeiter eigentlich längst entsorgen sollen, die gefundenen Messer seien "Schulungsobjekte" für seine Schulungen gewesen.

"Österreich ist eine Firma!"

Auch in seinem Fall zweifelt die Anklägerin an der Unwissenheit. Denn bei seinem ersten Prozess in der Causa, bei dem er zu einer bedingten Strafe verurteilt wurde, hat sich der Drittangeklagte der Richterin noch mit dem Namen "Alexander aus dem Hause H." vorgestellt und die Frage, ob er österreichischer Staatsbürger sei, mit: "Österreich ist eine Firma!" beantwortet. "Das war damals so üblich", verweist er auf den guten Ton unter Staatsverweigerern.

Seine Verteidigerin Iris Augendoppler beantragt die Zeugeneinvernahme des Rechtsanwalts und Universitätsprofessor Peter Lewisch, der offenbar sehr gerne Gutachten schreibt. Für seinen Standeskollegen Norbert Wess, der in Graz einen anderen Staatsfeind verteidigte, hat Lewisch nämlich eine Expertise erstellt, in der er zu dem Schluss kommt, dass der "Court" keine staatsfeindliche Verbindung sei. Augendoppler legt sie den Berufsrichtern vor, die entscheiden nach kurzer Beratung dennoch, den Antrag abzulehnen, da es offensichtlich um eine Rechtsfrage gehe, die das Gericht zu beurteilen habe.

In den Schlussplädoyers arbeiten die Verteidiger dann eigentlich auf Freisprüche hin: "Schwachsinnige Anträge", etwa auf Diplomatenpässe, seien nicht strafbar, argumentieren sie. Die Grundfesten der Republik würden dadurch jedenfalls nicht erschüttert. Selbst bei Schuldsprüchen reiche eine bedingte oder teilbedingte Haft, da die Angeklagten monatelang in Untersuchungshaft gesessen seien und in den vergangenen drei Jahren nicht mehr auffällig geworden sind.

Die Laienrichterinnen und -richter sehen das anders und sprechen alle drei anklagekonform einstimmig schuldig. Die nicht rechtskräftigen unbedingten Strafen: Eine Zusatzstrafe von elf Monaten (insgesamt 14 Monate) für den Erstangeklagten, ebenso 14 Monate für Nummer 2 und elf Monate für den dritten Mann. (Michael Möseneder, 20.7.2022)