"Werden durch Erkenntnis nachhaltige Finanzierung haben", das erwartet ORF-Chef Weißmann vom Entscheid des Höchstgerichts über GIS für Streaming.

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Bregenz – "Wohlwollend" hat ORF-General Roland Weißmann die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs am Montag zur Kenntnis genommen. Das Höchstgericht hat entschieden, dass GIS-freies Streamen verfassungswidrig sei. Nun müsse die Medienpolitik – also vor allem Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) – die Rundfunkgebühren neu regeln, erklärt Weißmann in einem Interview für die "Vorarlberger Nachrichten".

Gehe nicht um mehr Geld für den ORF

Es gehe nicht um mehr Geld für den ORF, erklärte Weißmann in dem Interview. Sondern darum, "dass wir eine nachhaltige Finanzierung durch dieses Erkenntnis haben werden. Der ORF erfüllt ja durchaus wichtige demokratiepolitische Aufgaben."

Der ORF bezifferte die erwarteten Einnahmenausfälle durch GIS-freies Streaming mit 53 bis 119 Millionen Euro pro Jahr.

Da der ORF immer mehr Programme streame, werde das Problem der GIS-freien Nutzung über diesen Weg "immer größer", sagt Weißmann. Der ORF will künftig Formate eigens oder zuerst für Streaming produzieren dürfen, über eine entsprechende ORF-Novelle wird gerade intensiv verhandelt.

"Nicht nur für ORF gut"

Weißmann sagt: "Es ist nicht nur für den ORF gut, dass es die Festlegung gibt, dass journalistischer Content im Internet auch etwas wert ist. Das ist ja auch ein Thema für Zeitungen."

Wie die Gebühren eingehoben werden könnten, sei nun ebenfalls Aufgabe der Medienpolitik. In Deutschland oder in der Schweiz gebe es Haushaltsabgaben. Der ORF-Generaldirektor will sich jedoch nicht dazu äußern, welches Modell für die Einhebung er bevorzugt. Eine Haushaltsabgabe könnte – so Überlegungen im ORF – steuerliche Nachteile für den ORF bringen.

Neuregelung bis Ende 2023

Der Verfassungsgerichtshof gab dem Gesetzgeber bis Ende 2023 Zeit für eine Neuregelung der GIS-Gebühren, von denen er Streamingnutzung künftig nicht ausschließen darf. Der Verfassungsgerichtshof verweist auf die derzeitige GIS-Pflicht, die mit der Möglichkeit des Empfangs einsetzt. Der Gesetzgeber könnte diese GIS-Pflicht aber auch anders regeln.

Die GIS-Gebühren bringen dem ORF bisher – ohne Streaming – rund 650 Millionen Euro. Der Wert stammt von 2021, Anfang 2022 wurden die GIS-Gebühren nach fünf Jahren erstmals und um acht Prozent erhöht. Zugleich nahmen die GIS-Abmeldungen mit Hinweis auf reine Streamingnutzung seit Jahresbeginn deutlich zu.

Weißmann folgt der Tradition seines Vorgängers Alexander Wrabetz, bei den Festspielen der jeweiligen Bundesländerzeitung Sommer-Interviews zu geben.

Politeinfluss vor Verfassungsgerichtshof

Den Verfassungsgerichtshof beschäftigt nach einer Beschwerde der burgenländischen Landesregierung auch der Politikeinfluss auf den ORF und insbesondere dessen Gremien. Dort hätten durch den Besetzungsmodus – der seit 1984 nur in Nuancen verändert wurde – die Regierungsparteien Mehrheiten und damit zu großen Einfluss.

Weißmann dazu: "Es ist eine Frage des Gesetzgebers und nicht des ORF, wie sich Gremien zusammensetzen. Jetzt ist der Verfassungsgerichtshof am Zug und das kommentiere ich nicht."

Weißmann wurde vor knapp einem Jahr im August 2021 vom Stiftungsrat zum ORF-General bestellt; den Ausschlag gab die alleinige Mehrheit der ÖVP in dem Gremium. Nach seiner Bestellung schlägt der neue General Direktorinnen und Landesdirektoren vor – vor den Länder-Bestellungen im Stiftungsrat sind die jeweiligen Landeshauptleute über den Kandidaten oder die Kandidatin des Generals zu informieren. Weißmann hat die Landeshauptleute informiert, "aber die Entscheidungen habe ich alleine getroffen", sagt er.

"ORF ist total unabhängig"

Weißmann erklärt im "VN"-Interview, es gebe keine politische Einflussnahme auf die Redaktionen: "Der ORF ist, gerade was Journalismus betrifft, total unabhängig." Bisher habe es sehr wenige politische Interventionen bei ihm gegeben. "Die, die es bislang gegeben hat, habe ich nicht stattfinden lassen", erklärt Weißmann. Er ist seit Jahresbeginn 2022 im Amt.

170 Millionen für Landesstudios

Die Landesstudios spielen im ORF eine enorm große Rolle, sagt der Generaldirektor. Das spiegle sich auch im Budget wider: "Der ORF hat rund eine Milliarde Umsatz, und wir geben jedes Jahr rund 170 Millionen Euro für die Landesstudios aus." (fid, 20.7.2022