Im Gastblog geht der Archäologe Stefan Groh dem Aufenthalt in römischen Sommerresidenzen nach und zeigt, welche Spuren dieses luxuriösen Lebens noch heute sichtbar sind.

In den heißen Sommern zog es die römischen Eliten aus den Städten in ihre Zweitwohnsitze ans Meer. Hier verbrachten sie ihre "Ferien", die, vergleichbar mit der Sommerfrische, lange andauerten und durch einen Rhythmus aus Muße und Arbeit gekennzeichnet waren. Die archäologischen Befunde zahlreicher römischer Landsitze zeigen, dass vor allem die istrische Küste der römischen Oberschicht ideale Voraussetzungen bot, sich in den heißen Sommermonaten in einem angenehmen Ambiente ihrer jeweiligen "Work-Life-Balance" hinzugeben. Dies ist die Fortsetzung der Reise eines Militärtribuns von Vindobona nach Aquileia, die in einem der vorhergegangenen Archäologieblogs besprochen wurde.

Eine Fahrt auf dem nach Originalfunden gebauten römischen Handelsschiff Bissula.
Foto: Universität Trier

Die Reiseroute von Aquileia nach Istrien

Aquileia war die wichtigste römische Handelsstadt an der oberen Adria. Sie lag auch in der Antike nicht direkt am Meer, sondern war durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem mit der offenen See verbunden. So verwundert es nicht, dass die am besten erhaltenen Reste eines römischen Binnenhafens weit im Landesinneren direkt neben dem Forum am Fluss Natissa zu finden sind. Von hier aus reiste man als Fahrgast eines Handelsschiffs über die Lagune zur Adria und an die istrische Küste. Der Weg nach Istrien war beschwerlicher als in die Gegenrichtung, denn die Strömungen an der oberen Adria drehen sich im Golf von Triest gegen den Uhrzeigersinn von Osten nach Westen.

Kartierung der römischen Meeresvillen an der istrischen Küste und die beiden möglichen Fahrtrouten von Aquileia nach Izola / San Simone. Fischsymbole markieren den Standort römischer Fischbecken (vivaria).
Foto: ÖAW/ÖAI, H. Sedlmayer

Der kürzeste Seeweg von Aquileia nach Istrien führte direkt zur Meeresvilla von Izola (San Simone) im heutigen Slowenien, die geradlinige Distanz beträgt etwa 40 Kilometer. Folgt man jedoch der Küstenlinie, so verlängert sich der Weg um ein Drittel auf etwa 60 Kilometer. Die Ökobilanz dieser Segelreise war sicherlich mehr als CO2-neutral!

Die Reisegeschwindigkeit zu See auf einem Segelschiff war in großem Maße von den Witterungsbedingungen und Strömungen abhängig, so betrug die Geschwindigkeit bei ungünstigen Winden 1,5 Knoten (etwa 2,7 km/h) und bei günstigen Bedingungen 6,2 Knoten (etwa 11,5 km/h). Für die Überfahrt von Aquileia nach Izola benötige der Tribun samt Familie somit mindesten dreieinhalb Stunden und – bei schlechtem Wind auf dem langen Weg entlang der Küste – höchstens 22 Stunden.

Die Bucht von Izola in Slowenien und die Lage der Villa Maritima (roter Pfeil) neben dem heutigen Strandbad.
Foto: ÖAW/ÖAI, S. Groh

Ankunft im Hafen von Izola

Der Hafen von Izola war mit 8.000 Quadratmeter einer der größten der istrischen Küste. An den Molen (Aufschüttungen im Wasser, die als Wellenbrecher und Pier dienen) konnten über 25 Schiffe ankern. Von hier aus erreichte man sehr leicht die wie an einer Perlenschnur aufgefädelten Häfen der etwa 20 weiteren istrischen Meeresvillen.

Im Hafen von Izola herrschte rege Betriebsamkeit: Schiffe wurden entladen, Fässer und Amphoren auf Wagen gestemmt, um sie auf dem Landweg weiterzutransportieren oder auf andere Schiffe zu verteilen. Von diesem Hafen ist heute noch bei Niedrigwasser der Wellenbrecher zu sehen, die beiden Molen wurden überbaut. Mit Unterwassersonar und GPS-Vermessungen konnten die einzelnen Steinblöcke des Wellenbrechers dokumentiert werden. Der Meeresspiegel war in der Antike um eineinhalb Meter tiefer als heute, was dadurch bedingt ist, dass sich die Landmasse Istriens in den letzten 2.000 Jahren gesenkt hat, während der Meeresspiegel der Adria gestiegen ist.

Die Meeresvilla von Izola

Die Meeresvilla von Izola wurde im letzten Drittel des ersten Jahrhunderts vor Christus gebaut. In der Regierungszeit des Kaisers Augustus von 31 vor bis 15 nach Christus erfuhr Italien eine administrative Neuordnung in Regionen. In den neu entstandenen Verwaltungsbezirken konnten die Eliten neue Landlose erwerben. Auf den begehrtesten Plätzen der Regio X (Venetia et Histria) in Italien, die auch Istrien einschloss, errichteten sie entweder große Produktionsbetriebe oder ausgedehnte Sommerresidenzen, wohin man sich aus den stickigen Städten wie Tergeste (Triest) oder Aquileia zur Sommerfrische zurückzog. Oftmals kombinierte man beides und unterhielt Produktionsbetriebe für Wein, Oliven und Olivenöl, abgefüllt in den vor Ort hergestellten Amphoren, oder aber auch die Fischzucht, wie es beispielsweise Fischbecken an der slowenischen Küste bei Fizine in Portorož und Ankaran bezeugen.

Das Wohngebäude der Meeresvilla von Izola setzte sich aus zwei Baugliedern zusammen, einem Wohnbereich mit innenliegendem Säulenhof im Norden und einem Garten im Süden, der von einer 90 Meter langen Wandelhalle zur Meeresbucht und zum Hafen hin begrenzt war. Eine 3D-Animation gibt einen Eindruck von der Villenanlage. Im Nordteil konnten Wohn- und Wirtschaftsräume unterschieden werden, eine Halle diente als Speicher für Lebensmittel. Die Architektur war bestimmt von einer Gruppierung der Räume um den schattigen Innenhof. Einige Räume der Villa waren mit Mosaiken in Schwarz-Weiß ausgestattet.

Die römische Hafenanlage und das Villengebäude von Izola. Kartierung des Wellenbrechers im römischen Hafen mit Unterwassersonar und GPS.
Foto: ÖAW/ÖAI, S. Groh, S. Poglajen, I. Repetto

Otium cum dignitate – Muße mit Würde

Gerade der Südteil der Villa von Izola war bestens dafür geeignet, sich dem "otium cum dignitate", der "Muße mit Würde" in der Sommerfrische zu widmen, wie es ein Zitat des Cicero beschreibt. Die 90 Meter lange und vier Meter breite Wandelhalle besaß ein einfaches Bodenmosaik sowie Wandmalereien und war nach Süden, zur windabgewandten Seite hin, mit einer Säulenstellung offen. Eine Zimmerreihe befand sich zwischen Garten und Halle. In diese Räume konnte man sich zurückziehe, studieren oder ruhen, hier war man vom betriebsamen Lärm des Hauptgebäudes abgeschirmt. Den Blick ließ man dann über die Hafenbucht und die dahinter pittoresk aufragenden Steilklippen der Küste schweifen. Es ist davon auszugehen, dass während der Anwesenheit des Patrons und seiner Familie die Aktivitäten im Hafen auf ein Minimum reduziert wurden.

Die südliche Wandelhalle der römischen Meeresvilla. Im Vordergrund die Grabungen mit Resten des Fußbodens und ein Blick auf die Steilklippen der Bucht von Izola.
Foto: ÖAW/ÖAI, S. Groh

Plinius der Jüngere, der von 62 bis 113 nach Christus lebte, beschreibt die Vorzüge seines Landguts am Meer: Säulengänge, die oft mit Glasfenstern gegen die Witterung geschützt waren, Speisezimmer mit Blick auf die Landschaft, Ruheräume und Badeanlagen mit Blick auf die Gestade. Der Ausblick auf das Meer und die Natur standen im Mittelpunkt der Architektur. Ein weiteres Kriterium war das Ruhebedürfnis, so suchte man Plätze auf, die abseits des Trubels lagen. Von besonderer Bedeutung war auch die Anordnung der Fenster: Man war darauf bedacht, die einzelnen Räume je nach Funktion zur Morgen- oder Abendsonne hin auszurichten.

Eine Meeresvilla war somit bewusst in die Topografie, Natur und Witterung eingebunden, deren achtsamen Wahrnehmung ein Hauptaugenmerk bei den Aufenthalten gewidmet wurde. Dieses heute wieder aktuelle "Lebenskonzept" der Achtsamkeit manifestiert sich auch in den archäologischen Resten der Meeresvilla von Izola. Plinius der Jüngere verstand unter seiner "Work-Life-Balance", den öden Alltag mit kontemplativem Müßiggang in architektonisch gerahmter Naturschönheit zu kontrastieren: "Mein Meer, mein Strand, mein wahrer, heimlicher Musenhof". Die Tagesabläufe waren zwar klar strukturiert, doch wechselten längere Phasen der Muße und Aktivität, sodass ein heutiger "Arbeitsalltag" für Plinius sicher auf Unverständnis gestoßen wäre.

Das Ende der Meeresvilla

Die Meeresvilla von Izola existierte bereits im zweiten Jahrhundert nach Christus nicht mehr, nur der Hafen wurde wegen seiner strategisch wichtigen Position weiterhin genutzt. Das Ende dürfte um 70 nach Christus plötzlich eingetreten sein. Archäologen und Archäologinnen fanden umgestürzte Mauern und auf den Boden zerschmetterte Deckenfragmente. Als Erklärung bieten sich sowohl ein Erdbeben als auch die Bora an. Dieser nach dem griechischen Gott der Nordwinde benannte Orkan fegt im Winter mit über 250 km/h über die Region Triest/Izola und dürfte das endgültige Ende der Meeresvilla besiegelt haben. Die Reste der Meeresvilla wurden zuletzt im Rahmen eines Forschungsprojekts des Österreichischen Archäologischen Instituts untersucht und sind heute in einem archäologischen Park zu besichtigen. (Stefan Groh, 28.7.2022)

Gewitterwolken über dem heutigen Hafen von Izola.
Foto: ÖAW/ÖAI, S. Groh