In der rund 30.000 Quadratmeter großen Halle in Dubai wachsen künftig Salat, Rucola und Spinat.

Foto: Crop One

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind nicht unbedingt dafür prädestiniert, im großen Stil Landwirtschaft zu betreiben. Wasser für die Felder ist in dem Land und den darin vorkommenden Wüstenzonen knapp. Lediglich in einigen grundwasserreicheren Gebieten werden in kleinen Mengen Gemüse, Datteln und Zitrusfrüchte angebaut. 90 Prozent seiner Lebensmittel muss das Land aus Europa und anderen Regionen der Welt importieren.

Doch nun soll ausgerechnet Dubai, die größte Stadt des Landes, zum Lebensmittelproduzenten aufsteigen. In einer 30.000 Quadratmeter großen Halle in der Nähe des Flughafens sollen bald jedes Jahr tausend Tonnen Obst und Gemüse wachsen. Eco-1 heißt die bisher größte vertikale Indoorfarm, die verspricht, 95 Prozent weniger Wasser im Vergleich zu herkömmlicher Landwirtschaft zu verbrauchen, keine Pestizide oder Herbizide zu nutzen und Emirates Airlines mit Salat, Rucola, Spinat und anderem Gemüse zu beliefern.

In die Höhe pflanzen

Die Idee des sogenannten Vertical Farming: Lebensmittel nicht auf dem Feld und in die Fläche, sondern hochindustrialisiert indoor und übereinander anzubauen. Nicht nur Dubai, sondern auch andere Städte und Staaten setzen zunehmend auf diese Art der Landwirtschaft. Singapur will 2030 30 Prozent seiner Nahrung (von heute zehn Prozent) selbst produzieren, mithilfe von Farmen in Lagerhallen, auf Hausdächern, Wänden und in Garagen. Und auch in New York, Paris, Tokio oder Berlin entstehen immer mehr der futuristisch anmutenden Farmen.

Beim Vertical Farming wird eher in die Höhe als in die Fläche angebaut.
Foto: Bowery Farming/Handout via REUTERS

Attraktiv wird die Methode nun nicht nur, weil die Welt- und Stadtbevölkerung immer weiter wächst und ernährt werden muss, sondern auch, weil die konventionelle Landwirtschaft zunehmend unter Druck gerät. Dürren und Überschwemmungen, die durch den Klimawandel häufiger werden, zerstören vielerorts die Erträge. Gleichzeitig trägt die Landwirtschaft durch Monokulturen, den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden und den Wasserverbrauch immer wieder selbst zu einer Verschlechterung der Umweltbedingungen bei.

Unabhängig von Klima

Den Unternehmen, die hinter den vertikalen Farmen stehen, schwebt nichts Geringeres vor, als die Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, von Grund auf umzugestalten. Denn bei der vertikalen Landwirtschaft wird nichts dem Zufall oder den Launen der Natur überlassen: Obst und Gemüse wachsen in Räumen, in denen Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Licht genau kontrolliert werden. Erde benötigen die Pflanzen keine mehr, denn die Nährstoffe werden meist direkt auf die Wurzeln der Pflanzen gesprüht.

Damit soll die Lebensmittelproduktion vom Klima und Wetter weitgehend unabhängig sein. Weil Schädlinge, Insekten und andere Pflanzen draußen gehalten werden, braucht es auch keine Pestizide oder Herbizide für den Anbau. Anstatt Wasser großflächig auf Feldern auszubringen, wo es wieder verdunstet, wird es innerhalb eines geschlossenen Systems wieder aufgefangen und für die Bewässerung verwendet. Auch deshalb sollen die Indoorfarmen nur fünf Prozent des Wassers der Feldwirtschaft brauchen.

Emissionen reduzieren

Indem die Pflanzen auf mehreren Stockwerken übereinander angeordnet werden, sollen sie zudem mehr Ertrag pro Fläche liefern. Und weil vertikale Farmen in der Theorie überall stehen können – sogar in Dubai, einer der trockensten Regionen der Erde –, sollen sie Lieferwege und damit auch Emissionen reduzieren.

"In Dubai kann man sich bei der vertikalen Landwirtschaft austoben", sagt Daniel Podmirseg im STANDARD-Gespräch. Denn Sonnenenergie stehe dort mehr als genug zur Verfügung. Diese könne theoretisch zur Stromproduktion genutzt werden, um die Pflanzen im Inneren zu beleuchten und zu kühlen.

Kleine Projekte in Österreich

Podmirseg leitet das in Wien ansässige Vertical Farm Institute, das versucht, derartige Projekte auch in Österreich voranzubringen. Noch halten sich die Erfolge der Initiative jedoch in Grenzen. In St. Pölten habe man etwa einen Entwurf für eine vertikale Landwirtschaft am Dach der polytechnischen Schule erstellt. Derzeit sei das allerdings nicht geplant. Bis Ende August gebe es zudem noch eine Simulation zu vertikaler Landwirtschaft im Technischen Museum in Wien.

Und im eigenen Testlabor in Wien arbeite man an einem kleinen vertikalen Kräuterbeet für Restaurants, in dem mit künstlicher Beleuchtung künftig Rucola, Basilikum und andere Kräuter wachsen sollen. Von einer großflächigen Umstellung unserer Nahrungsproduktion ist die Idee des Vertical Farming hierzulande aber noch weit entfernt.

Hoher Energieverbrauch

Eines der größten Probleme, mit denen der Ansatz immer wieder zu kämpfen hat, ist der hohe Energieverbrauch. "Wenn wir es falsch machen, dann ist das ein energetisches Desaster", sagt Podmirseg. Denn vor allem die Beleuchtung und Kühlung der Gebäude verbraucht enorme Mengen an Energie. Während draußen die Sonne Energie für die Pflanzen spendet, muss diese in Indoorfarmen von Lampen bereitgestellt werden. Die Räume, die durch die Lampen erwärmt werden, müssen zudem wieder gekühlt werden.

"Würde ich Tomaten etwa in der Garage züchten, bräuchte ich 270 Kilowattstunden Strom pro Quadratmeter und Jahr nur für die Beleuchtung", sagt Podmirseg. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher österreichischer Haushalt verbraucht laut Statistik Austria rund 4.450 Kilowattstunden Strom im Jahr.

Ein Problem des Vertical Farming ist der derzeit noch hohe Energieverbrauch.
Foto: Spencer Lowell/Plenty/Courtesy of Walmart via AP

Systemisch denken

Wichtig sei daher zu überlegen, was bei Vertical Farming wo angebaut wird. In Gebäuden ohne Tageslicht sollte darauf verzichtet werden, Tomaten zu produzieren, und stattdessen auf Fische, Insekten oder Pilze gesetzt werden, sagt Podmirseg. Bei energieintensiven Pflanzen könne nach wie vor Tageslicht genutzt werden, ähnlich wie in einem Glashaus. Dann müsste geschaut werden, welche Pflanzen in welcher Etage angebaut werden, da jedes Stockwerk dem darunterliegenden Tageslicht wegnimmt.

Zudem brauche es künftig mehr erneuerbare Energien, um sauberen Strom für die Indoorfarmen zu haben, und es müsse "systemisch" gedacht werden, sagt Podmirseg. Etwa indem die Abwärme von Restaurants oder Industrien für die Indoorfarm am Dach genutzt wird. Derzeit liegen die Kosten der Lebensmittel aus den vertikalen Farmen meist auch noch über jenen aus herkömmlicher Landwirtschaft. Vertreter der Branche hoffen jedoch, dass mit wachsender Größe der Anlagen auch die Kosten fallen.

Noch wenig nachhaltig

Auch in Dubai habe man auf eine möglichst große Anlage gesetzt, um die Kosten der Lebensmittel nach unten zu schrauben, heißt es von den Betreibern. Wie viel Strom die Anlage während des Betriebs verbraucht, will man aber nicht preisgeben. Klar ist nur, dass sie derzeit noch mit fossiler Energie betrieben wird. Ob sie damit wirklich nachhaltiger als konventionelle Landwirtschaft und importierte Lebensmittel ist, ist eher zu bezweifeln. In Zukunft wolle man jedoch auch auf Solarenergie setzen, sagen die Betreiber.

Es wird wohl nach wie vor einige Zeit dauern, bis sich vertikale Landwirtschaft aus ihrem Nischendasein herausgearbeitet hat. Ein Ersatz für die Produktion von Lebensmitteln im Freien oder in Gewächshäusern werde es aber ohnehin nie sein, sagen viele Expertinnen und Experten. Denn Lebensmittel wie Erdäpfel, Mais, Weizen oder Reis brauchen zum Wachsen viel Platz, weswegen sie für vertikale Farmen eher ungeeignet sind. Zumindest Kräuter und einige Gemüsesorten könnten künftig aber durchaus vermehrt in der Indoorfarm in der Großstadt oder in trockenen Gebieten wachsen: Also dort, wo herkömmliche Anbaumethoden schnell an ihre Grenzen stoßen. (Jakob Pallinger, 26.7.2022)