Mehr legale Trails für Mountainbiker, wie hier im Bild in Sölden, sollen für die zweitgrößte Gruppe an Bergsportlern entstehen, fordert der Alpenverein.

Foto: Rene Sendlhofer-Schag

Der Österreichische Alpenverein (ÖAV) stellt sich mit seinem neuen Positionspapier hinter die Anliegen der Mountainbikerinnen und Mountainbiker. Als größte alpine Organisation des Landes sehe man sich der nach Wandern am zweithäufigsten ausgeübten Sommerbergsportart ebenfalls verpflichtet. Immerhin 600.000 Menschen radeln gern und regelmäßig durch heimischen Berge sowie Wälder. Doch das ist gemäß Forstgesetz generell verboten. Angesichts der Zahl an Aktiven und der damit verbundenen Chancen für Gesundheit, Gemeinschaft und Naturerlebnis sowie der wichtigen Rolle des Sports für die Tourismuswirtschaft plädiert der ÖAV für mehr Ressourcen von Bund und Ländern, um das legale Streckennetz auszubauen.

"Der Alpenverein ist sich aber auch des Konfliktpotentials zwischen Mountainbikern, Wanderern, Grundeigentümern, Wegehaltern und anderen Lebensraumpartnern bewusst", erklärt René Sendlhofer-Schag, Mountainbike-Beauftragter des Alpenvereins. Als anerkannte Naturschutzorganisation erkenne man zudem mögliche ökologische Beeinträchtigungen, denen es gezielt entgegenzuwirken gelte, betont er. Im neuen Positionspapier zum Mountainbiken geht der ÖAV genau darauf ein und skizziert seinen Zugang zu risikobewusstem, umwelt- und sozialverträglichem Ausüben des Sports.

Man setze dabei in erster Linie auf Bewusstseinsbildung, sagt Sendlhofer-Schag. Denn Wissen über wild- und naturökologische Zusammenhänge erhöhe bei allen Bergsportlern das Verständnis für die Notwendigkeit, Regelungen einzuhalten und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen. Dazu nimmt man Anleihen bei bestehenden, erfolgreichen Lösungskonzepten.

Tiroler Modell als Vorbild

Bei der Frage der Freigabe von Wegen und Strecken orientiert sich der ÖAV etwa am Tiroler Mountainbikemodell 2.0, das in dieser Kolumne bereits Thema war. "Die Bereitstellung von personellen und finanziellen Ressourcen in den Ämtern der Landesregierungen und des Bundes, Vereinbarungen mit Grundeigentümern und Wegehaltern, Entschädigungen, Versicherungen und die Berücksichtigung sachlicher, wissenschaftlich fundierter ökologischer Aspekte sind Merkmale erfolgreicher MTB-Konzepte", beschreibt Sendlhofer-Schag diesen Zugang.

Die Forderung nach genereller Freigabe von Forststraßen sieht der Alpenverein als nicht mehr zielführend an, weil dies nur einen Teil der Bedürfnisse der Mountainbiker abdecken würde. Weil dies einer Gesetzesänderung bedürfe, die wohl nicht in absehbarer Zeit schaffbar sei – und weil der Trend beim Mountainbiken längst in Richtung Singletrail-Abfahrten gehe. Darüber hinaus gelte es, schützenswerte, sensible Naturbereiche – ähnlich wie bei Lenkungsprojekten für Skitourengeher – vom Sport unberührt zu lassen. Von Bund und Ländern fordert der Alpenverein daher Ressourcen und Konzepte zur raschen Öffnung weiterer Forststraßen, um ein möglichst flächendeckendes und legales Netz an MTB-Routen zu schaffen.

Shared Trails und respektvolles Miteinander

Was die steigende Nachfrage hinsichtlich Singletails angeht, erkennt der ÖAV diese an und will dem Rechnung tragen, spricht sich aber ebenfalls gegen eine generelle Freigabe von Alpenvereinswegen aus. Vor allem, weil sich das Nutzungsrecht als Wegehalter nur auf das Begehen dieser Naturflächen beschränkt. Die Schaffung von Shared Trails, die von Wanderern und Bikern gleichermaßen genutzt werden könnten, bedarf der Einzelfallprüfung sowie der Zustimmung des jeweiligen Grundbesitzers und der zuständigen ÖAV-Sektion, die den Weg pflegt, erklärt dazu Sendlhofer-Schag.

Das harmonische Miteinander beider Nutzungsgruppen – also von Wanderern und Bikern – sei aber möglich und erklärtes Ziel. Man orientiere sich bei dieser Frage an den internationalen Empfehlungen des Club Arc Alpin: "Fußgänger haben Vorrang! Nimm Rücksicht auf Fußgänger, indem du dein Kommen frühzeitig ankündigst und das Tempo reduzierst. Halte nötigenfalls an. Ein freundlicher Gruß fördert die Akzeptanz. Fahre in kleinen Bike-Gruppen, und meide von Wanderern stark frequentierte Wege. Wanderer lassen Mountainbiker passieren, ohne ihre Fahrt unnötigerweise zu behindern."

E-Bikes als Teil der Lösung, aber Laden nicht auf jeder Hütte

Auch das Reizthema E-Bikes findet im neuen Positionspapier Beachtung. Mit dem Trend zum Pedelec steige nämlich auch der Nutzungsdruck im alpinen Raum, wo die strombetriebenen Bikes den Aktionsradius enorm erweitert haben. Dadurch steige folglich das Konfliktpotenzial. Der ÖAV sieht E-Bikes als Beitrag zur Mobilitätswende, der auch hilft, mehr Menschen in die Natur und in Gemeinschaft zu bringen. Denn die Anreise zu Touren in Kombination mit dem öffentlichen Personennahverkehr biete etwa die Möglichkeit, Mobilität in Verbindung mit Freizeitverhalten nachhaltiger zu gestalten. Als Ersatz fürs Auto können Pedelecs helfen, Emissionen zu reduzieren und überfüllte Parkplätze zu verhindern.

Diesem veränderten Mobilitätsverhalten will man auch mit Ladestationen auf Alpenvereinshütten Rechnung tragen – sofern dies möglich ist. Denn, erklärt dazu Sendlhofer-Schag: "Wer mit dem E-Mountainbike unterwegs ist, hat aufgrund der zusätzlichen technischen Abhängigkeit von Motor und Akku mit zusätzlichen Anforderungen an die Tourenplanung und -durchführung zu rechnen." Ladestationen auf allen Hütten könne man nicht erwartet. Wenn eine Alm oder ein Schutzhaus diesen Service für Mountainbiker anbieten will, sei das nur möglich, wenn überschüssiger Strom aus regenerativen und bereits vorhandenen Energiequellen verfügbar oder die Hütte ans öffentliche Stromnetz angeschlossen ist. Schritt für Schritt will der ÖAV nun daran arbeiten, die im Positionspapier formulierte Unterstützung für den Mountainbikesport umzusetzen. (Steffen Arora, 22.7.2022)