Aus Sicht des Obersten Gerichtshofs liegt keine Diskriminierung vor.

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Für einen Transmann, der mit 57 sein Geschlecht anpasste, gilt das männliche Pensionsantrittsalter von 65 Jahren. Dass er früher als Frau eine "weibliche Erwerbsbiografie mit Zeiten der Kindererziehung" hatte, macht laut einem aktuellen Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) keinen Unterschied. Entscheidend sei vielmehr das rechtliche Geschlecht am Pensionsstichtag (OGH 21.6.2022, 10 ObS 29/22w).

Dem Mann war bei seiner Geburt 1960 das weibliche Geschlecht zugewiesen worden. Im Jahr 2017 unterzog er sich einer Geschlechtsanpassung und ließ sich Brüste und Eierstöcke entfernen. Bis zu diesem Datum wurde der Mann im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) rechtlich als Frau geführt, war als solche verheiratet und bekam zwei Kinder. Danach ließ er seinen Personenstand ändern.

Antrag auf Alterspension

Im Jahr 2020, als der Mann 60 Jahre alt war, beantragte er Alterspension. Die Pensionsversicherungsanstalt lehnte jedoch ab. Für ihn gelte das männliche Pensionsantrittsalter von 65. Entscheidend sei der Eintrag im ZPR am jeweiligen Stichtag – dem Monatsersten nach der Antragsstellung.

Der Mann zog daraufhin gegen die Pensionsversicherung vor Gericht: Er habe nach wie vor primäre weibliche Geschlechtsorgane, sodass er als Frau zu behandeln sei. Er habe auch eine "typisch weibliche Erwerbsbiografie mit Zeiten der Kindererziehung". Dass nur die Eintragung im Personenstandsregister zähle, widerspreche dem Gleichheitssatz und diskriminiere Frauen, die die Anpassung vor dem 60. Lebensjahr durchführen lassen und damit erst später in Pension dürfen.

"Keine Ungleichbehandlung"

Schon das Landesgericht Graz wies die Klage des Mannes ab: Für die Beurteilung der Frage, ob er als Versicherter oder Versicherte gelte, sei allein die Änderung im Geburtenbuch (ZPR) entscheidend. Als Mann erfahre er dieselbe Behandlung wie eine ursprünglich männliche Person, sodass auch keine Ungleichbehandlung vorliege.

Das Oberlandesgericht Graz bestätigte diese Entscheidung, der Mann zog deshalb vor den OGH. Dass er trotz weiblicher Erwerbsbiografie als männlicher Versicherter gelte, sei diskriminierend. Zudem habe er im Jahr 2017, als er sein Geschlecht anpassen ließ, noch nicht die Möglichkeit gehabt, sich als "divers", "inter" oder "offen" eintragen zu lassen.

Keine Rückwirkung

Überzeugen konnte der Mann aber auch die Richterinnen und Richter am OGH nicht: Die Eintragung des Geschlechts im ZPR sei Anknüpfungspunkt für eine Reihe von Regelungen. Das gelte unter anderem für das Pensionsversicherungsrecht. Eine "Rückwirkung" der Eintragung komme insbesondere aus "Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht".

Wäre das der Fall, müsste man laut OGH auch einer Transfrau, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres ihr Geschlecht anpasste, die Alterspension mit 60 verweigern, weil bis zu diesem Zeitpunkt eine "typisch männliche Erwerbsbiografie" vorgelegen hätte.

Das würde allerdings bisherigen Entscheidungen widersprechen: In einem ähnlich gelagerten Fall beantragte eine 61-jährige Frau, die als Mann geboren wurde, die Alterspension. Diese wurde ihr im Einklang mit Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch gewährt.

Aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs können sich Menschen mittlerweile auch als "divers", "inter" oder "offen" ins ZPR eintragen lassen. Personen, die divers sind, zählen rechtlich als "nicht weiblich", somit gilt für sie das Regelpensionsalter von 65, erklärt Rechtsanwalt Helmut Graupner. Ab 2024 wird das Pensionsantrittsalter für Frauen schrittweise angeglichen. (japf, 23.7.2022)