Über der Tür in ihrem Büro hängt ein schlichtes Kreuz aus Holz, ansonsten hat sie nur ein paar Bilder von Ikea anbringen lassen: abstrakte Meereslandschaften in zarten Blautönen. Eigentlich ist Laura Sachslehner der Typ für bunte Blumendrucke. Sie mag kreischende Farbbekenntnisse, sei es beim Lack auf ihren Nägeln oder in der politischen Diskussion.

Die schwedische Möbelkette hätte auch florale Muster im Angebot, aber sie ist jetzt Generalsekretärin der Volkspartei, da wäre sie dienstlich "zu girly" aufgetreten, wie Sachslehner es nennt. Also hat sie sich für das gefällige Blau entschieden. Kennt man Sachslehner, ist das fast überraschend. Sonst hat sie kein Problem damit, aufzufallen. In ihrem Umgang mit der Öffentlichkeit, das werfen ihr auch in ihrer eigenen Partei viele vor, hat sie den Switch von der jungen Wiener Türkisen zur seriösen Parteimanagerin jedenfalls noch nicht so vollzogen wie bei der Einrichtung ihres Arbeitszimmers.

"Ich bin völlig überzeugt, dass Österreich eine Mitte-rechts-Politik guttut. Ich will nicht möglichst provokant sein, ich sehe die Dinge einfach so", sagt ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner.
Foto: Christian Fischer

Ganz im Gegenteil: Laura Sachslehner eckt an und regt auf wie kaum jemand anderer im österreichischen Politbetrieb. Sie ist 28 Jahre alt, meinungsstark, kurzentschlossen, Social-Media-affin – und hat eine seltene Eigenschaft für eine Politikerin: Beliebtheit ist für Sachslehner eine eher nachrangige politische Kategorie. Sie sagt, was sie für richtig hält und solange es halbwegs ins Drehbuch der Partei passt: nach ihr die zartblaue Sintflut.

Kritik als Antrieb

Bekannt wurde Sachslehner in Wien durch ihren öffentlich geführten Kampf gegen Graffiti und Schmierereien an Hauswänden. Schon damals gab sie gern die moderne Erzkonservative. Inzwischen ist ihr Leibthema der Komplex Migration und Asyl – allerdings einfach und meist populistisch heruntergebrochen. "Ich bin jemand, der sich gerne klar artikuliert", sagt Sachslehner und beugt sich mit verschränkten Armen über ihren Besprechungstisch. "Es braucht Leute, die genau das tun. Dass ich dafür regelmäßig eine drüberkriege, nehme ich in Kauf."

Um ein paar Beispiele zu nennen: Die österreichische Staatsbürgerschaft bezeichnet Sachslehner als "hohes Gut", das durch vereinfachten Zugang "entwertet" würde. Die geltenden Asylgesetze sind ihr schlichtweg zu lasch. Als der Europäische Gerichtshof jenes türkis-blaue Gesetz kippte, durch das ausländische Arbeitnehmer weniger Sozialleistungen bekommen sollten, wenn ihre Kinder nicht in Österreich leben, beklagte Sachslehner: "Zentrale Integrationsvorhaben" würden so oft an Höchstgerichten scheitern. Es sind Aussagen, mit denen sie auf Twitter und anderen Plattformen vor allem Häme und Verachtung erntet – zu banal, zu wenig durchdacht, billige Hetze, lautet die Kritik.

Polnischer Migrationshintergrund

Sachslehner selbst beirrt das kaum. Sie lese alles, was in den sozialen Medien über sie geschrieben werde, denke darüber auch nach, aber komme fast immer zu dem Schluss, sie habe weitgehend alles richtig gemacht: "Ich bin völlig überzeugt, dass Österreich eine Mitte-rechts-Politik guttut", erklärt sie und trinkt einen Schluck Zitronenwasser. "Ich will nicht möglichst provokant sein, ich sehe die Dinge einfach so." Dabei war das nicht immer der Fall, sie sah die Welt einst ganz anders.

Sachslehner ist zweisprachig aufgewachsen. Österreich sei aber ganz klar ihre Heimat.
Foto: APA/HANS PUNZ

Sachslehner ist in Wien geboren, ihr Vater stammt aus Scheibbs in Niederösterreich, ihre Mutter aus Polen. Die Eltern lernten einander bei einem beruflichen Aufenthalt des Vaters in Krakau kennen, danach zogen beide in die Wiener Donaustadt, wo Sachslehner groß wurde und bis heute lebt – inzwischen gemeinsam mit ihrem Mann. Aufgewachsen ist sie zweisprachig, Österreich sei aber ganz klar ihre Heimat, in Polen fühle sie sich als Besucherin. Mit dem Land verbinde sie vor allem, dass zu Hause zu Weihnachten Borschtsch und Piroggi gegessen werden.

Von der Linken zur Rechten

Politisch sozialisiert wurde Sachslehner aber nicht durch ihre Familie, sondern in der Schule und durch Freunde, wie sie sagt. "Als Jugendliche war ich links orientiert", erzählt sie. Als sie das erste Mal wählen durfte, gab sie den Grünen ihre Stimme. Die ÖVP habe sie damals "null angesprochen".

Nach der Matura begann Sachslehner dann Kultur- und Sozialanthropologie sowie Publizistik zu studieren. Eigentlich wollte sie Journalistin werden. Doch dann kam ihr Sebastian Kurz dazwischen. Man muss sagen: In Sachslehners Umfeld lässt sich diese Geschichte in Varianten reproduzieren – zahlreiche junge Menschen, die sich zuvor niemals für die ÖVP interessiert hätten, wurden plötzlich fanatisch türkis. Der Unterschied bei Sachslehner: Sie ist als eine der wenigen glasklar Türkisen weiterhin in führender Rolle politisch aktiv.

Der gefallene ÖVP-Chef Kurz hat in Sachslehners politischem Leben bis heute Bedeutung. Er ist es, der die Volkspartei zu dem gemacht hat, wofür Sachslehner brennt: eine Partei, die in Migrationsfragen einen harten Kurs fährt und die den "Leistungsgedanken" hochhält, wie Sachslehner es nennt. Genau der hatte ihr im Studium in Diskussionen mit Grünwählerinnen und Linken nämlich zunehmend gefehlt, erzählt sie.

Faible für Genderanthropologie

Sie behauptet von sich, diverse linke Theorien durchdacht und diskutiert zu haben: "Im Bereich der Genderanthropologie habe ich fast alle Kurse belegt. Ich kenne die Argumente von Feministinnen und finde sie spannend, teile sie oft aber nicht." Im Studium habe sie mit ihren Positionen zunehmend eine Außenseiterrolle eingenommen, in der Jungen Volkspartei hingegen habe sie immer mehr Menschen kennengelernt, die ihre "Werte" teilen, wie die eigene Positionierung unter Türkisen gerne genannt wird.

Im Wahlkampf 2013 arbeitete sie im Team von Kurz, danach wurde er Außenminister, Sachslehner zuerst Mitarbeiterin, dann Büroleiterin der Jungen Volkspartei. 2017 stieg sie zur Generalsekretärin der türkisen Jugendorganisation auf. Bis heute ist sie Vize-Bezirksparteiobfrau in Wien-Landstraße sowie Gemeinderatsabgeordnete und seit Jahresbeginn eben relativ überraschend Generalsekretärin der ÖVP – unter Karl Nehammer.

Sachslehner auf dem ÖVP-Bundesparteitag im Mai, den sie organisiert hatte. Karl Nehammer wurde dort mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen zum Parteichef gekürt.
Foto: Plankenauer

Über die Entstehungsgeschichte von Sachslehners Beförderung kursieren verschiedene Versionen. Ihr Vorgänger als Generalsekretär, Axel Melchior, und die damalige ÖVP-Kommunikationschefin Kristina Rausch – eine gute Freundin Sachslehners – hatten sich jedenfalls sehr für sie eingesetzt. Und auch Nehammer scheint sie zu schätzen. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Gerüchte, er plane, Sachslehner abzusägen oder ihr jemanden an die Seite zu stellen. Bewahrheitet hat sich die Geschichte bisher nicht. Aber selbst innerhalb der ÖVP geht es Sachslehner nicht anders als mit dem Rest der Nation: Sie polarisiert.

ÖVP-Generalsekretäre als "Kettenhunde"

Besonders die liberalen Altgranden in der Partei haben selten gute Worte für Sachslehner übrig. Überhaupt ist es sogar in der ÖVP nicht einfach, vehemente Verteidiger Sachslehners zu finden. Und doch zollen ihr nicht wenige Respekt für das, was sie tut. Die Frage ist ja auch: Was ist überhaupt ihre Rolle?

Traditionell galten ÖVP-Generalsekretäre als "Kettenhunde" der Partei. Sie sind ausgerückt, wenn das politische Geschäft schmutzig wurde. Sie waren da, um Aussagen zu tätigen, die das Profil der Partei schärfen, die sich aber Regierungsmitglieder nicht leisten könnten, weil sie in Amt und Würden sind. Angriffe auf politische Gegner oder Ministerinnen und Minister des Koalitionspartners sind – parteistrategisch betrachtet – ein klassischer Fall für einen Generalsekretär. Auch Sachslehner kritisierte zuletzt etwa immer wieder die grüne Energieministerin Leonore Gewessler. Jetzt, wo es der Volkspartei so schlecht geht wie lange nicht, brauche es jedenfalls ein lautes, starkes Generalsekretariat, da sind sich in der ÖVP alle einig. Ist Sachslehner dafür die Richtige?

Sachslehner: "Fühle mich nicht gepeinigt"

"Laura ist sich jedenfalls für nichts zu schade, und ihr ist kaum etwas zu blöd", sagt jemand, der sie gut kennt. Und das seien beim Anforderungsprofil ihres Jobs womöglich wichtigere Eigenschaften, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist. Sachslehner selbst sagt, sie wolle nicht als Politikerin in Pension gehen, könne sich aber aktuell keinen besseren Job vorstellen. "Ich fühle mich nicht gepeinigt, wie manche glauben. 2022 sind harte Reaktionen in Social Media einfach Teil der politischen Realität."

Auf einem ihrer Armbänder, die sie immer trägt, steht "GRL PWR" – also "girl power". Sie sei schon mehrfach darauf aufmerksam gemacht worden, der Schmuck sei kindisch, sie möge ihn abnehmen. Doch da lasse sie sich nichts sagen. Sachslehner ist abergläubisch – und überzeugt, die Armbänder bringen Glück. (PORTRÄT: Katharina Mittelstaedt, 23.7.2022)