Eine der Auswirkungen der Leitzinserhöhung durch die EZB: Kredite werden teurer, auch für den Bau von Immobilien.

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Frage: Warum hat die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht?

Antwort: Für die hohe Inflation von 8,6 Prozent in der Eurozone war die Geldpolitik zu expansiv, also konjunkturfördernd. Der Leitzins betrug zuvor null Prozent, und Banken mussten für Einlagen minus 0,5 Prozent Strafzinsen zahlen. Daher wurden beide Zinssätze um jeweils einen halben Prozentpunkt erhöht.

Frage: Werden weitere Zinserhöhungen folgen?

Antwort: Voraussichtlich schon, denn ein Leitzins von 0,5 Prozent ist immer noch sehr tief. EZB-Chefin Christine Lagarde will die "Normalisierung" der Zinssätze datengetrieben, also abhängig von der weiteren Entwicklung von Konjunktur und Inflation, vorantreiben. Wie hoch der Leitzins steigen wird, ist derzeit noch ungewiss. Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer siedelt den sogenannten neutralen Leitzinssatz, der die Wirtschaft weder fördert noch bremst, bei knapp unter drei Prozent an.

Frage: Wieso bremsen höhere Zinsen die Inflation?

Antwort: Gegen die Inflationstreiber wie den Ukraine-Krieg oder gestörte Lieferketten können höhere Zinsen nichts bewirken. Aber sie dämpfen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, indem Kredite teurer werden. Geld, das für Kreditzinsen ausgegeben wird, kann nicht preistreibend investiert oder verkonsumiert werden.

Frage: Welche Auswirkungen hat der Zinsschritt auf den Euro?

Antwort: Höhere Zinsen sollten den schwachen Euro, der zuletzt erstmals seit 2002 weniger wert war als ein US-Dollar, an den Devisenmärkten stützen. Dadurch wird weniger Inflation in die Währungsunion importiert, da wichtige Rohstoffe wie Erdöl in Dollar abgerechnet werden – und daher in Euro immer teurer werden, wenn dieser gegenüber der US-Währung im Kurs fällt.

Frage: Welche Folgen sind für Spareinlagen zu erwarten?

Antwort: Bereits im Vorfeld der Zinserhöhung kam es im Frühjahr dem Vergleichsportal Durchblicker zufolge zu ersten Anstiegen bei den gebotenen Sparzinsen. Diese werden tendenziell weiter steigen – wie stark, hängt einerseits von den weiteren Zinsschritten der EZB ab, andererseits davon, wie schnell und stark sich ein Wettbewerb zwischen den Banken um Spareinlagen der Kunden entwickelt. Generell steigen die Einlagenzinsen meist langsamer als die Kreditzinsen. In Deutschland hat die ING angekündigt, für alle Privatkunden ab 1. August wieder Zinsen bis zu 1,5 Prozent zu zahlen.

Frage: Was bedeuten höhere Zinsen für Kreditkunden?

Antwort: Generell bedeuten steigende Zinsen, dass auch Kredite teurer werden. Kunden, die bereits einen Kredit haben und die Zinsen langfristig fixiert haben (Fixzins), brauchen daher jetzt nicht nervös werden. Kunden mit variabler Verzinsung werden eine Anpassung erleben. Wer aktuell einen Kredit aufnehmen will, muss dafür bereits höhere Zinsen kalkulieren.

Frage: Ist mit der Zinserhöhung die Ära der billigen Kredite vorbei?

Antwort: Jein. Die Zinsen für Kredite schnalzen jetzt nicht ungebremst nach oben. Ja, Kredite werden teurer, aber im Vergleich zu Finanzierungen, die etwa im Jahr 2001 aufgenommen wurden, sind sie jetzt noch immer günstig. Damals betrug der Leitzins 4,75 Prozent.

Frage: Ist der Leitzins das einzige Kriterium, das Kredite beeinflusst?

Antwort: Nein. Die persönliche Risikosituation (Bonität) bestimmt die Kosten eines Kredits mit. Banken lassen sich ihr Risiko der Kreditvergabe zudem abgelten. Diese Risikokosten sind seit der Pandemie wieder angestiegen. Auch die hohe Inflation und die geopolitische Unsicherheit verändern die Gebarung der Banken. Klein- und Mittelbetriebe klagen darüber, dass Finanzierungen immer teurer werden – weil der Risikoaufschlag steigt.

Frage: Welche Folgen haben höhere Zinsen auf die Immobilienpreise?

Antwort: Da sich durch höhere Zinsen auf Fremdkapital der Preis für Immobilienkäufe de facto erhöht, wird dies die Nachfrage drosseln. Dazu kommt, dass die Vergabe von Wohnkrediten nun strenger gehandhabt wird. Steigende Zinsen können den Preisauftrieb für Wohnimmobilien zumindest dämpfen.

Frage: Welche Folgen sind für die Aktienmärkte zu erwarten?

Antwort: Auch bei Aktien wirken Zinsanstiege eher bremsend auf die Kursentwicklung. Da höhere Zinsen tendenziell auch das Wirtschaftswachstum drücken, wirkt sich das auch auf die Unternehmensgewinne und Börsenkurse negativ aus.

Frage: Bestehen auch Risiken durch Zinserhöhungen?

Antwort: Ja. Einerseits kann die Wirtschaft in eine Rezession rutschen, wenn die Zinsen zu stark erhöht werden. Zudem schlagen diese auch auf die Finanzierungskosten der Euroländer durch. Es besteht sogar die Befürchtung, dass es wieder zu einer Krise hochverschuldeter Mitgliedsstaaten wie Italien kommen kann. Um dies zu unterbinden, hat die EZB kurzerhand ein neues Hilfsprogramm namens TPI ins Leben gerufen. (FRAGE & ANTWORT: Bettina Pfluger, Alexander Hahn, 22.7.2022)