Eigentlich ist es sympathisch, wenn Politiker selbst twittern und so direkten Kontakt zur Bevölkerung suchen. Dass sich Gesundheitsminister Johannes Rauch Donnerstagnacht im Kurznachrichtendienst ordentlich blamiert hat, hatte auch nichts mit dem schnellen Medium, in dem man sich leicht vertippt, zu tun. Das Problem war, dass die Tweets, die er während eines EM-Spiels nebenbei absetzte und mittlerweile gelöscht hat, tief in die Entscheidungsfindung der Regierung blicken ließen.

Gesundheitsminister Johannes Rauch hat sich Donnerstagnacht im Kurznachrichtendienst ordentlich blamiert.
Foto: APA/BUBU DUJMIC

Und diese präsentiert sich unwissenschaftlich und vor allem von Interessen der ÖVP-Klientel geleitet. Da muss offenbar auch der grüne Minister mitziehen, wenn trotz steigender Zahlen und Engpässen in Spitälern die letzten Schutzmaßnahmen aufgehoben werden. Doch die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, wie weit eine einschneidende Verordnung wie die über das Quarantäne-Aus schon ausgepackelt wurde.

Man könnte auch die Beweggründe ehrlich kommunizieren – Stichwort Wirtschaftskammer. Stattdessen warf der Minister Zahlen ins Netz, die niemand aus der Wissenschaft belegen kann. Er behauptete einen Anstieg der Suizidalität bei Minderjährigen während der Pandemie um 25 Prozent. Alle Daten zeigen aber den Rückgang von Selbsttötungen in dieser Zeit in der Gesamtbevölkerung.

Der Suizid eines Kindes ist wohl das Schlimmste, das einer Familie passieren kann. Damit politische Nebelgranaten zu produzieren ist unseriös und unverantwortlich. Wenn Rauch nicht wusste, dass es für den 25-Prozent-Anstieg keine Belege gibt, ist das alarmierend für einen Gesundheitsminister, der uns durch den nächsten Herbst geleiten soll.

Dass Kinder und Jugendliche während der Pandemie psychisch belastet waren und sind, ist unbestritten. Studien sehen dafür mehrere Gründe. Sich daraus nur die Maßnahmen herauszupicken und zu ignorieren, dass es auch vulnerable Kinder gibt, die eine Infektion fürchten, oder solche, die Familienmitglieder an das Virus verloren haben, ist durchsichtig. Wenn die Regierung das Kindeswohl für längst getroffene Entscheidungen vorschiebt, sollte sie es wenigstens auch sonst fördern. Wie wäre es mit Luftfiltern in Schulen? Wie wäre es endlich mit dem Ausbau der psychologischen und psychiatrischen Hilfe?

Eine Woche Quarantäne abzuschaffen wird kein einziges Kind glücklicher machen – und sicher nicht gesünder. (Colette M. Schmidt, 22.7.2)