Noch hat sich Nancy Pelosi nicht von ihren Reiseplänen abbringen lassen.

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Henry Kissinger war es, der 1971 einen diplomatischen Coup landete. Auf geheimer Mission flog der amerikanische Außenminister von Präsident Nixon via Pakistan nach Peking. Der Besuch veränderte die Welt nachhaltig: Er löste die Volksrepublik aus dem Bündnis mit der Sowjetunion heraus und war der Beginn der speziellen Beziehung zwischen Washington und Peking, ein wichtiger strategischer Gewinn im Kalten Krieg. Der Preis dafür: Taiwan.

Seitdem wird die demokratische Insel nur noch von einer Handvoll Staaten anerkannt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der mittlerweile 99-Jährige derzeit vor einer weiteren Eskalation der Beziehungen der beiden größten Volkswirtschaften der Welt warnt. Zwar sei es wichtig, "eine Hegemonie Chinas zu verhindern", sagte er am vergangenen Dienstag in einem Interview mit Bloomberg. Dieses Ziel aber könne nicht durch "endlose Provokationen erreicht werden".

Ärger um Besuche

Anlass der klaren Worte Kissingers dürfte eine überraschende Ankündigung von Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, gewesen sein, demnächst Taiwan besuchen zu wollen. Wie zu erwarten war, schäumt die Kommunistische Partei Chinas. Die Visite würde die Souveränität und territoriale Einheit Chinas ernsthaft gefährden, hieß es aus dem Außenministerium. Man werde mit entsprechenden Maßnahmen reagieren. Pelosi hatte ihre Reise zunächst für April angekündigt, aber dann wegen einer Corona-Erkrankung verschoben. Sogar US-Präsident Joe Biden rügte sie öffentlich für die Pläne: Das Militär "hält es im Moment für keine gute Idee".

Für diplomatischen Ärger sorgt auch der Besuch der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, in Taiwan. "Nur die Taiwaner können über Taiwans Zukunft entscheiden", sagte Beer am Mittwoch bei einem Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen in Taipeh. Die EU sei besorgt darüber, dass Peking "sich in eine Richtung bewegt, die einseitig den Status quo verändern könnte".

Gefährlicher Konflikt

Tatsache ist, dass die Lage in der Straße von Taiwan zwar immer angespannt war, sich seit kurzem aber auch weiter zuspitzt. So fuhr am vergangenen Dienstag auch der Zerstörer USS Benfold durch die Straße von Taiwan. Immer wieder kommt es auch zu Verletzung des taiwanischen Luftraums durch chinesische Kampfjets. Auch das ist nichts Neues, hat aber in den vergangenen Monaten nochmals zugenommen.

Der Konflikt um Taiwan gilt als einer der gefährlichsten der Welt. Der chinesische Präsident Xi Jinping spricht in seinen Reden immer wieder "von großen Veränderungen, wie sie seit hundert Jahren nicht mehr stattgefunden haben". Die Annexion der Insel ist erklärtes Ziel seiner Politik. Die USA wiederum erkennen zwar Taiwan offiziell nicht an, würden die Insel aber im Fall einer chinesischen Invasion militärisch verteidigen.

Die Insel mit ihren 23 Millionen Einwohnern ist die achtgrößte Wirtschaft in Asien und Zentrum der globalen Produktion von Chips und Halbleitern. Die Spannungen belasten auch die Weltwirtschaft.

Laut Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking, spielen derzeit alle internationalen Großkonzerne Szenarien durch, um sich auf eine Eskalation vorzubereiten. Der Ukraine-Konflikt habe vielen vor Augen geführt, wie schnell die Situation außer Kontrolle geraten kann. Allerdings gehe es dabei weniger um eine militärische Invasion in absehbarer Zeit, sondern um Blockaden und ähnliche Disruptoren. Derzeit sind die globalen Lieferketten durch die zahlreichen Lockdowns in China enorm angespannt. Auch weil viele Produkte gar nicht oder zu spät geliefert werden können, steigen weltweit die Preise. (Philipp Mattheis, 22.7.2022)