Die Landeshauptmänner Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser (beide SPÖ) sagten, bei den Verhandlungen zur Quarantäneverordnung am Montag nicht eingebunden worden zu sein.

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Wien – Bund und Länder haben Montagnachmittag über die aktuelle Corona-Situation beraten und unter anderem ein Ende der Quarantäne für Infizierte diskutiert. Entscheidungen sind erwartungsgemäß keine gefallen, es wird damit gerechnet, dass die Bundesregierung beim Ministerrat am Mittwoch eine Lockerung beziehungsweise das Ende der Quarantäne verkündet. Die diesbezüglichen Überlegungen sorgten bei den SPÖ-regierten Länder Wien, Kärnten und das Burgenland im Vorfeld für Ärger.

Vor einigen Tagen war ein Verordnungsentwurf bekannt geworden, wonach für Corona-Infizierte künftig nur noch Verkehrsbeschränkungen gelten sollen. Demnach könnte man sich bei einer Infektion mit Maske fast überall frei bewegen. Betretungsverbote gäbe es nur an bestimmten Orten (Spitäler, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Kindergärten, Volksschulen und Horte), allerdings nicht für dort Beschäftigte.

Ludwig: "Schritt in die falsche Richtung"

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnete das Ende der Quarantänemaßnahmen in einer Pressekonferenz am Montag als "Schritt in die falsche Richtung". Wien orientiere sich an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Angesichts der hohen Infektionszahlen im Sommer sagt Ludwig, man müsse sich bereits jetzt auf die kalte Jahreszeit vorbereiten.

Das Aus für die Quarantäne würde auch weitere praktische Änderungen mit sich bringen, auch arbeitsrechtlich, so Ludwig. "Wenn die Quarantäne künftig zu einem normalen Krankenstand wird, verlagern sich die Kosten zu den Unternehmen", kritisierte Ludwig. Das sei ein Thema, das man beleuchten müsse, ebenso Haftungsfragen: "Es gibt eine Fürsorgepflicht von Arbeitgebern den Arbeitnehmern gegenüber, die vor einer Infektion am Arbeitsplatz geschützt werden müssen."

Zugleich betonte der Bürgermeister, dass die Wiener Bevölkerung durch ihre Bereitschaft zum vierten Stich auch zeige, dass sie mit konsequenteren Corona-Maßnahmen einverstanden sei. Das Impfen sei, so Ludwig, weiterhin ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Pandemie. Vor der Bund-Länder-Konferenz zum Ende der Quarantänemaßnahmen sagte Ludwig: "Mit mir gab es keine Gespräche bezüglich dieses Verordnungsentwurfs." Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hatte zuletzt von einer Selbstaufgabe des Gesundheitsministeriums gesprochen, er will an der Quarantäne festhalten.

Unklare Rechtslage

Ob Landeshauptleute selbst über Quarantänemaßnahmen entscheiden können, ist rechtlich unklar. Der Jurist Peter Bußjäger betonte am Montag im Ö1-"Mittagsjournal", dass die rechtliche Lage der Quarantäne im Epidemiegesetz nicht eindeutig sei.

Bei der Frage, ob Wien und andere Bundesländer bei den Quarantäneregelungen einen Alleingang machen dürfen, widersprechen sich zwei Paragrafen des Gesetzes. Auf der einen Seite heißt es, dass Verordnungen vom Gesundheitsminister entschieden werden. Bleiben diese aus, können die Landeshauptleute entscheiden. Auf der anderen Seite spricht ein Paragraf von einem alleinigen Bestimmungsrecht des Gesundheitsministers über Verkehrsbeschränkungen von infizierten Personen. Bußjäger geht davon aus, dass Verordnungen zur Verkehrsbeschränkung nicht von den Landeshauptleuten erlassen werden können. Wien kann demnach nach der derzeitiger Gesetzeslage das Ende der Quarantäneverordnung nicht verhindern. Bußjäger hält Ärger "auf jeden Fall" für vorprogrammiert.

Kaiser nennt Konferenz "enttäuschend"

In den SPÖ-regierten Bundesländern Wien, Kärnten und Burgenland hatten die Überlegungen zur Abschaffung der Quarantäne zuletzt für Verärgerung gesorgt. Man habe davon aus den Medien erfahren, kritisierten die Landeshauptleute Kärntens und des Burgenlands, Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil. Offenbar seien bisher nur ÖVP-geführte Länder eingebunden. Das sei ein schweres Foul, sagte Doskozil.

Inhaltlich qualifizierte Kaiser den Plan als "unergründbaren Schwachsinn". Am Montag bezeichnete Kaiser in einer Aussendung die Bund-Länder-Konferenz als "enttäuschend". Weiter hieß es vom Landeshauptmann: "Trotz offener Fragen und Bedenken will die Bundesregierung (eine, Anm.) Verordnung mit Quarantäne-Ende in Kraft setzen. Ich hätte mir fachlich aufbereitete Entscheidungsgrundlagen erwartet." Einige Bundesländer wurden laut Kaiser durch die Bundesregierung von der Erarbeitung der Verordnung ausgesperrt.

Stöckl: "Wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben"

Andere Töne kommen aus ÖVP-geführten Ländern: Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) sagte in einer der APA übermittelten Stellungnahme: "Klar ist, wer krank ist, soll zu Hause bleiben. Ich würde es aber in der aktuellen Situation, in der es hohe Infektionszahlen und verhältnismäßig niedrige Belagszahlen in den Krankenhäusern gibt, für richtig halten, die Quarantänepflicht auszusetzen." Wenn jetzt Schutzmaßnahmen zurückgefahren würden, müsse aber jedenfalls sichergestellt sein, dass diese rasch wieder hochgefahren werden könnten, wenn sich zeigen sollte, dass der Druck auf das Gesundheitssystem wieder steige, so Drexler.

Auch in Salzburg rechnen Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (beide ÖVP) fest mit neuen Quarantänebestimmungen. "Die Maßnahmen müssen dabei aber virologisch-medizinisch begründet sein, auch wenn eine Neuregelung bei symptomfreien Verläufen aus volkswirtschaftlicher Sicht natürlich sinnvoll wäre", sagte ein Sprecher Haslauers am Montag zur APA. Offen sei dabei, ab wann die neuen Regeln in Kraft treten könnten. Gesundheitsreferent Stöckl ging am Montag davon aus, dass Infizierte, die nicht erkrankt sind, mit Maske weiterhin arbeiten können. "Wir müssen allmählich lernen, mit der Pandemie zu leben. Sollte eine neue Variante kommen, die wieder zu schwereren Verläufen führt, müssen wir ohnehin wieder die Handbremse ziehen", sagte er am Vormittag zu den "Salzburger Nachrichten".

Derzeit habe man es mit "milden Varianten zu tun, deren Auswirkungen unser Gesundheitssystem aktuell nicht überlasten", meinte Tirols Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP). Daher sei eine "Diskussion über Lockerung beziehungsweise Aufhebung der Quarantänebestimmungen legitim", dennoch habe der "Schutz von vulnerablen Personen oberste Priorität", sagte sie in einer Stellungnahme an die APA. Leja appellierte auch an die Eigenverantwortung von jedem und jeder Einzelnen.

Fachleute warnen

Von Pandemieexperten gab es unterschiedliche Meinungen zum Quarantäneende. Der Virologe Norbert Nowotny und der Simulationsforscher Niki Popper warnten im ORF davor, vulnerable Gruppen einer zu großen Gefahr auszusetzen. Wenn Infizierte in Spitälern und Pflegeheimen arbeiten dürfen, sei das zu gefährlich für die Patienten und Pflegebedürftigen. Der Komplexitätsforscher Peter Klimek spricht sich dagegen für ein Ende der Isolationspflicht aus. Länder wie Spanien und Großbritannien würden diesen Weg seit Monaten gehen, und dort habe es die Spitäler auch nicht zerrissen. "Ich finde, dass momentan dieser Schritt in Österreich möglich ist, ohne das Gesundheitssystem unmittelbar zu gefährden", sagte Klimek der "Presse". (APA, wisa, 25.7.2022)