Miles Fisher hat lange mit seiner Ähnlichkeit zu Tom Cruise gerungen. Nun macht er als "Deepfake Tom Cruise" das Beste daraus.

Foto: Youtube/Miles Fisher

Es ist nicht leicht, einer berühmten Persönlichkeit ähnlichzusehen. Und das Schicksal ist selbst dabei noch ungleich verteilt, insbesondere wenn man der unfreiwillige Doppelgänger eines allgemein unbeliebten Menschen ist. Das zumindest kann Miles Fisher von sich nicht behaupten. Sein reales Alter Ego ist Tom Cruise, bekannt aus Produktionen wie "Mission: Impossible" oder dereinst – und nun wieder –: "Top Gun".

Schon zu seiner Zeit als Student in Harvard wurde Fisher regelmäßig darauf angesprochen, dass er wie eine jüngere Version von Cruise aussehe. Als er dort vor rund 32.000 Menschen im Namen seiner Mitstudenten die Abschlussrede für den Jahrgang halten durfte, wurde er nicht mit seinem Namen, sondern als "der Tom-Cruise-Typ" angekündigt. Eine Erinnerung, die ihn bis heute nicht mehr loslässt, wie er im "Hollywood Reporter" schreibt.

Jahrzehntelang war die Ähnlichkeit für ihn vor allem eine Bürde. Nicht nur, weil er regelmäßig auf der Straße oder in anderem Umfeld darauf angesprochen wurde. Sondern auch, weil er – in der Hoffnung, so wenigstens von seinem Äußeren zu profitieren – selbst nach dem Studienabschluss nach Los Angeles gezogen war, um eine Schauspielkarriere zu starten.

Youtube-Frühstarter

Dabei hatte er Glück. 2006 markierte den Beginn einer Ära, die die Dominanz klassischer Film- und TV-Produktionsfirmen beenden sollte. Google hatte gerade die aufstrebende Videoplattform Youtube gekauft. Fisher wollte sich nicht mit Filmagenten herumschlagen, die vor allem Neuankömmlingen in Hollywood das Leben schwermachten.

Das Tom-Cruise-Wahlvideo von Miles Fisher im Original ...
Miles Fisher

Er begann also mit Youtube-Videos, die auch zunehmend erfolgreich wurden und davon profitierten, dass der Empfehlungsalgorithmus der Plattform damals stark auf Viralität von Clips ausgerichtet war. Was oft angesehen wurde, wurde stärker weiterverbreitet. Er produzierte Persiflagen und Spoofs bekannter Songs, aber nahm sich auch Tom Cruise vor. Das half wiederum seiner Karriere im Filmgeschäft.

Gescheitert beim Selbstbeweis

Fisher erheischte dank seiner aufkommenden Bekanntheit immerhin Nebenrollen in Filmen oder Serien wie "Mad Men", doch seine Ähnlichkeit zu Cruise wurde zunehmend zum Hindernis. Er versuchte es mit einem anderen Kleidungsstil und mit der Aneignung eines anderen Akzents in tieferer Stimmlage, musste sich dafür aber bei Castings die Kritik gefallen lassen, "unauthentisch" zu wirken. Zwar stand er immer wieder in der Endauswahl für führende Rollen, wo der Bewerb zwischen dem "Tom Cruise Guy" und dem verbliebenen Konkurrenten meist zu seinen Ungunsten ausging.

Letztlich, so Fisher, sei er daran gescheitert, als Schauspieler zu beweisen, dass er mehr sei als ein Cruise-Doppelgänger. Zwar hatte er die Gelegenheit, mit bekannten Größen wie Leonardi DiCaprio, Angelina Jolie oder Clint Eastwood zu arbeiten, doch selbst diese redeten mit ihm vor allem darüber, wie verblüffend ähnlich er dem "Mission: Impossible"-Star doch sehe.

... und in der Deepfake-Adaption.
VFXChris Ume

Sprungbrett Deepfakes

Eine Zufallsbegegnung führte ihn schließlich auf den Weg zu einer Karriere als "Deepfake Tom Cruise". Im Sommer 2019 hatte Fisher ein Video aufgenommen, in dem er in der Rolle von Tom Cruise eine Kandidatur bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 ankündete. Es wurde schnell zum erfolgreichsten Clip auf seinem Kanal und steht heute bei 5,5 Millionen Abrufen.

Anfang 2020 lud der belgische Special-Effects-Spezialist Chris Umé eine adaptierte Version des Clips hoch, in dem er per Deepfake das Gesicht von Fisher komplett in jenes von Tom Cruise verwandelt hatte. Trotz kleinerer Fehler war Fisher von dem Werk überwältigt und begeistert. Er stellte Kontakt zu dem Belgier her, und es entwickelte sich eine Art "E-Mail-Freundschaft". Eines Tages erklärte Umé ihm, dass es ein Leichtes sei, auch andere Aufnahmen derart zu manipulieren. Vom Schauspieler Cruise gab es schon damals genug Bildmaterial, um eine künstliche Intelligenz anzulernen. Die ohnehin große Ähnlichkeit zwischen Vorlage und Zielperson vereinfachte das Prozedere.

Das erste Video des "Deepfake Tom Cruise"-Kanals.

Fisher schickte ihm eine 15-sekündige Aufnahme, die er in seinem Garten erstellt hatte. Zwei Tage später übermittelte der Grafikspezialist das fertige Werk. "Es sah so wahnsinnig real aus", schildert der Auftraggeber seine Eindrücke. "So hyperrealistisch, dass mein Gehirn ein wenig kaputtging. Ich wusste, dass ich es war, der da redete, aber meine Psyche wollte es nicht akzeptieren. Es war irre."

Was er damit tun sollte, wusste er nicht genau und beschloss, die Entscheidung einmal mehr den Empfehlungsalgorithmen zu überlassen. Und so war der "Deepfake Tom Cruise" geboren, und zwar als der Tiktok-Account "DeepTomCruise". Das Video sollte sich wie ein Lauffeuer verbreiten und ihm binnen zwei Tagen vier Millionen Abonnenten bescheren, von denen einige sich überzeugt zeigten, es eigentlich mit dem echten Tom Cruise zu tun zu haben.

Kein finanzieller Profit

Das findet Fisher freilich absurd. Als etablierte Hollywoodgröße, die den persönlichen Kontakt zur Öffentlichkeit notorisch scheut, hätte der echte Tom Cruise keinen Bedarf an einem Social-Media-Auftritt dieser Art. Seine Fans haben diesen Bedarf offenkundig schon. Sein jüngerer Doppelgänger versuchte nun, diese Lücke zu füllen und dabei aber ein paar Vorgaben einzuhalten: keine billigen Anspielungen auf Tom Cruise, keine privaten, familiären oder religiösen Themen.

Stattdessen lieber mehr oder weniger banaler bis verspielter Alltagsinhalt. Tom Cruise spricht Japanisch, Tom Cruise zeigt Magietricks, Tom Cruise entdeckt einen Kaugummi in seinem Lutscher. Das Rezept ging auf. In Summe wurden die "Deepfake Tom Cruise"-Clips auf Tiktok und Instagram zusammen bereits fast eine Milliarde mal angesehen. Hinweis: Die Zahl lässt sich anhand der in den beiden Profilen sichtbaren Clips nicht bestätigen, beläuft sich aber zumindest auf mehrere Hundert Millionen Abrufe.

Vom "Tom Cruise Guy" zum "Deepfake Tom Cruise Guy"

Während es Fishers Bekanntheit geholfen hat, habe er direkt keinen finanziellen Vorteil durch die Videos. Dies sei ihm legal erst möglich, wenn der echte Cruise ihm offiziell erlaube, sein Antlitz kommerziell zu nutzen. Obwohl sein Tiktok-Account extrem beliebt ist und er wohl dazu beiträgt, den Darsteller auch Publikum unter 30 Jahren bekannter zu machen, gab es bislang weder ein Treffen noch anderweitigen Kontakt zwischen Fisher und dem "Original".

Fisher gibt sich auch überzeugt, dass sein Auftritt dabei geholfen habe, die Öffentlichkeit für die Macht der Deepfake-Technologie und deren gute wie schlechte Seiten zu sensibilisieren. Für ihn selbst bedeutete sie neuen kreativen Antrieb und endlich eine künstlerische Identität. Auf der Straße werde er nun gefragt, ob er der Macher von "DeepTomCruise" sei. (gpi, 26.7.2022)