Anstrengung, bis zum Schmerz. Bilder von superfitten Körpern, die einem so richtig einheizen und zeigen sollen, wofür man sich gerade so quält. In zahllosen Fitnessstudios sind das die Ingredienzien fürs Dranbleiben. Denn: Wer schön sein will, muss angeblich leiden.

Die Übungen nur so intensiv machen, dass es sich noch gut anfühlt, ist bei Elly Magpie das Um und Auf. Ein Muskelkater ist nicht das Ziel, sondern Wohlbefinden.
Foto: Regine Hendrich

Dass das aber viele alles andere als dazu motiviert, langfristig Sport zu treiben – diese Erfahrung machen viele. Trotzdem bedeutet Sport noch immer oft, den Bildern von perfekt definierten Muskeln, Waschbrettbäuchen und Pobacken, die augenscheinlich Walnüsse knacken können, hinterherzuhecheln – bis die Muskeln brennen.

In einem kleinen Wiener Fitnessstudio sollen gleich beide Fitnessimperative draußen bleiben. "Unser Körper ist für Bewegung gemacht", sagt die Inhaberin Elly Magpie des gleichnamigen Studios. Deshalb sei es wichtig, den Körper lange mobil zu halten und sich wohlzufühlen, sagt sie. Also keine Trackingprogramme, die jede Leistungssteigerung dokumentieren, keine ehrgeizige Kombination aus Selbstoptimierung des Inneren und Äußeren via bei Yoga oder Qigong.

Bei Elly Magpie soll es schlicht um Freude an der Bewegung und ein gutes Körpergefühl gehen. "100 Prozent painfree" und Spaß ganz ohne "Bodyshaming" wird auf der Website versprochen – klingt sympathisch, also ab ins Probetraining im Studio für "Fitness for Everybody".

Ungewohnte Bewegungsabläufe

Zu dem Fitnessstudio im elften Bezirk führen ein paar Stufen von der Straße hinunter in ein Souterrainstudio mit großen Spiegeln, bunte Hanteln, Medizinbällen, Matten und einer kleinen Umkleide mit zwei Duschen. Alles wirkt familiär und gleichzeitig professionell. Nach und nach wird es voll, und vor jeder der bereitliegenden Matten, bei denen ein schlichter Holzstock und ein Medizinball bereitliegen, steht inzwischen eine Frau. Derzeit ist das Training mit Ausnahme von Pärchen- und Personaltrainings ausschließlich für Frauen.

Die Stimmung ist gut, obwohl uns das 50-minütige Kombinationstraining aus Kraft und Cardio unmittelbar bevorsteht. Es soll Gelenkstrukturen sowie das Herz-Kreislauf-System stärken und helfen, neue Bewegungsabläufe zu erlernen, um sich so vor Gelenkschmerzen bei Bewegungen im Alltag zu schützen. Nach einer Übungsrunde geht es los: Das Tempo zwischen Kraft und Cardio ist wohldosiert, doch bestimmte Bewegungsabläufe sind ungewohnt. Knie heben, leicht nach außen drehen, Fuß nach innen und das Knie in einer leichten Außenbewegung wieder senken.

Wozu ist das jetzt?

Wer während der vielen Lockdowns der vergangenen Jahre nach Online-Fitnessstunden mit der US-Trainerin Jillian Michaels oder der erfolgreichen deutschen Fitness-Influencerin Pamela Reif geturnt hat, fragt sich unweigerlich: Wofür ist das denn jetzt? Für straffe Oberschenkel? Für einen festen Hintern?

Und schon sind sie wieder da, allerdings nur im Kopf: die Sätze, die andere Trainerinnen ihren Schützlingen entgegenschmettern und die auch dann nachhallen, wenn es gar nicht um Bauch, Bein, Po geht, sondern um Gelenke und Muskeln, die wir tagtäglich brauchen und die mit den richtigen Übungen geschmeidig bleiben können. Es geht also ausnahmsweise nicht um "den Härtetest Bikinikauf", den Jillian Michaels mit ihrem Training verspricht zu bestehen.

Elly Magpie war selbst lange auf der Suche nach dem Sport, der zu ihr passt: Krafttraining ist es.
Foto: Regine Hendrich

Elly Magpies Blick wandert während des Trainings aufmerksam umher, wenn jemand Probleme mit einer Übung hat, schlägt sie Abwandlungen vor und rät zum Weglassen und Reduzieren. Die Kniebeugen in Kombination mit dem Medizinball in den ausgestreckten Händen werden zu anstrengend? Dann weg mit dem Ball, lautet die Anweisung. Kein "Weiter, weiter, weiter!".

Fokus auf den eigenen Körper

Nach einiger Zeit bekommt man während dieses Trainings eine Idee davon, welchen Qualitätsunterschied ein Training für den eigenen Körper (wie er auch immer aussehen mag) gegenüber einem mit einem Fokus auf Schönheitsideale macht.

"Ich war schon als Kind mehrgewichtig", erzählt die ausgebildete Fitnesstrainerin später im Gespräch. Und wie bei vielen dicken Menschen war sie auch bei ihr schon früh da: die Feindschaft gegenüber dem Sport, die bei nicht schlanken Menschen oft als Faulheit interpretiert wird. Im Turnunterricht musste die heute 35-Jährige Übungen machen, von denen sie wusste, "das kann nicht klappen" – und recht behielt.

"Alle Körper müssen sich sehr eng gesetzten Leistungsvorstellungen anpassen, anstatt die Art der Bewegung den jeweiligen Körpern anzupassen", sagt sie. Zum Sport kommen viele Frauen überhaupt nur wegen des Wunsches nach einem schlanken und sportlich aussehenden Körper, das war auch bei Elly Magpie nicht anders: "Es war ein langer Prozess zu verstehen, dass es letztlich darum geht, dass es mir besser geht – und nicht darum, anderen zu gefallen."

In ihr Studio kommen die verschiedensten Frauen, viele von ihnen trauen sich nicht in herkömmliche Studios. "Auch normalgewichtige Frauen kommen zu mir, die sie sich allerdings nicht so wahrnehmen."

Gelobt und gelacht wird in den 50 Minuten viel, Lob gibt es auch für die, die eine Übung in eine leichtere Variante abwandeln. Übertriebener Ehrgeiz wird nicht gefördert. Die Holzstöcke sind etwa für Oberkörperübungen da, allerdings für Fortgeschrittene. Wenn Anfängerinnen beherzt den Stock in die Hand nehmen – "sieht doch locker aus" –, bremst die Trainerin. Und tatsächlich: Es sieht einfacher aus, als es ist. Deshalb: Kein unnötiges Abmühen – wird schon! Kein Druck.

Grenzen akzeptieren

Beim dritten Durchgang verhallt Jillian Michaels endlich mit ihren "Haltet durch! Haltet durch!"-Rufen, die vermitteln: Wer nicht über seine Grenzen geht, verliert. Eben nicht, das zu verstehen ist ganz nebenbei auch eine wesentliche Übung beim "Fitness for Everybody". "Es ist super, wenn die eigenen Grenzen akzeptiert werden", außerdem sei es langfristig besser, gemächlich an eine Stärkung der Muskeln, Sehnen, Bänder und Ausdauer zu arbeiten, ist Magpie überzeugt. "Dafür kann man womöglich noch mit 80 dabeibleiben, anstatt in den ersten Monaten alles zu geben und dann schnell nicht mehr zu können und nicht mehr zu wollen."

Viele Trainer und Trainerinnen würden lieber sportliche Leute betreuen, weil das einfacher ist, als jemanden abzuholen, der eine schwierige Beziehung zu Sport hat, sagt Elly Magpie. Mit Kraftsport hat sie selbst den Sport gefunden, der zu ihr passt. Viele Sportarten bedeuten schnelle Bewegungen, bei Kraftsport könne man hingegen langsam steigern. Auch habe ihr das Krafttraining geholfen, ihre Körperstruktur zu stärken und ihr Gewicht zu tragen.

Heute scheint fit ein Hilfsausdruck für die Trainerin zu sein, die ursprünglich aus der Finanzbranche kommt. Sie lässt die Truppe nicht allein turnen, sondern macht alle Übungen mit, redet währenddessen meistens und behält alle im Blick. Es ist ein anspruchsvolles Training, trotzdem fühlt man sich gut – und danach nicht völlig fertig. Der Muskelkater bleibt auch aus. Was in den nächsten Tagen allerdings spürbar wird, ist die Lust, wieder zum Training zu gehen. (Beate Hausbichler, 26.7.2022)