Amazon kann es sich leisten, die Abo-Angebote teurer zu machen – aber können das die Kunden auch?

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200 Millionen Abo-Kunden zählt Amazon Prime weltweit. Neben einer schnelleren Lieferung von Paketen erhielt man bisher für rund 69 Euro im Jahr zudem Zugriff auf das ständig wachsende Streaming-Angebot von Amazon Prime Video. Nun hebt der US-Konzern die Preise empfindlich an. Im Gegensatz zu Netflix, die zuletzt fast eine Millionen Kunden aufgrund von Preiserhöhungen und künftigen Restriktionen verloren haben, ist die Gefahr einer Kundenflucht bei Amazon wesentlich geringer. Man hat sich ein Monopol aufgebaut, auf das viele Nutzer nicht mehr verzichten wollen.

Starker Preisanstieg

Früher war es das TV-Media-Abo, heute ist es Amazon Prime. Einmal bestellt, ist der Weg zum Kündigungsbutton ein weiter. Gründe dafür gibt es zahlreiche. Bei Amazon findet man auch die Dinge, die man anderswo nicht oder nur mit mehr Wartezeit erhält, und oftmals muss man kleinere Dinge bei Nichtgefallen nicht einmal zurückschicken. Hinzu kommen ein Videoservice, der zwar technisch noch immer seine Macken hat, aber inhaltlich für viele mehr als ausreichend sein dürfte, und natürlich die prominenten Prime Days, die regelmäßig zahlreiche Schnäppchen zumindest andeuten. Das alles gab es bisher zu einem Preis von 69 Euro im Jahr beziehungsweise 7,99 Euro im Monat.

Ab September steigen die Preise in ganz Europa für diesen Service. Dabei unterscheidet der US-Konzern interessanterweise zwischen einzelnen Ländern und erhöht etwa in Frankreich den Preis gleich um 43 Prozent, während man in England nur einen Sprung von 20 Prozent wagt. Gemeint sind hier die Jahresabo-Preise. Die monatliche Zahlung wird im Schnitt um einen Euro angehoben. Das ist ein geringerer Anstieg als bei den Jahresabos, trotzdem zahlt man insgesamt noch immer mehr, wenn man sich für die monatliche Bezahlung entscheidet.

Die Anpassung erfolge "in Anbetracht genereller und wesentlicher Kostenänderungen aufgrund von Inflation", wie der Konzern in einer E-Mail an seine Kunden schreibt. Die Inflation führe "zu einer Steigerung der Kosten des Prime-Services in deinem Land", diese beruhe "auf von uns nicht beeinflussbaren äußeren Umständen". Wie bei anderen Preiserhöhungen ist auch in diesem Fall der Aufschrei groß, aber den großen Abo-Schwund muss Amazon wohl nicht befürchten.

Nicht nur das gescheiterte Projekt Kaufhaus Österreich hat gezeigt, dass man sich mit Amazon eigentlich nicht anlegen kann. Zu sehr hat sich der Mainstream an den Service gewöhnt, setzt Online-Shopping oftmals mit Amazon gleich. Blickt man in Postfilialen, ist nicht selten ein großer Teil der Pakete mit dem schwarzen Bogen verziert. Dieses Monopol scheint derzeit unantastbar, und das weiß Amazon. Unabhängig davon, dass die Abo-Preise seit 2017 nicht mehr angehoben wurden und aktuell jeder die Inflation als willkommenen Grund nimmt, ein paar Euro mehr von den Kunden zu verlangen, ist die zunehmende Monopolisierung natürlich ein großes Problem.

Kein Einzelfall

Theoretisch könnte Amazon wohl noch weit mehr verlangen – in den USA sind es bereits 139 Dollar für ein Jahres-Abo. Mangels Alternativen würden viele wohl auch bei weiteren Preiserhöhungen trotzdem weiterhin bei diesem Online-Händler bestellen. Das Zauberwort heißt Ökosystem. Einmal an etwas gewöhnt, ist ein Umstieg schwierig. Etwa von iOS auf Android oder auch von macOS auf Windows. Das weiß auch Apple. Wer sich einmal an die Shortcuts, Airdrop und Anrufe auf allen Devices gleichzeitig gewöhnt hat, der will normalerweise auch nicht mehr aus diesem System ausbrechen.

Wenn dann der US-Konzern aus Cupertino sei neu angekündigtes Macbook Air M2 in der Grundausstattung mit 1.499 Euro teurer macht – um rund 300 Euro mehr, als für seinen Vorgänger zum Start vor zwei Jahren zu bezahlen waren –, dann muss man trotzdem irgendwie mitziehen.

Es gäbe noch zahlreiche Beispiele. Microsoft etwa, die für alle Produkte mittlerweile auf Abo-Services umgestiegen sind, um den potenziellen Einstieg einfacher zu gestalten. Beim Xbox Game Pass etwa wirbt man seit Jahren mit günstigen Angeboten, sodass kaum ein Kunde die vollen 12,99 Euro im Monat für den Dienst bezahlen musste. Es geht darum, die Leute an den Dienst zu gewöhnen, bis man ihn nicht mehr missen möchte. Das hat mittlerweile 25 Millionen Abo-Zahler eingebracht. Wenn man dann in drei Jahren den Preis um 30 Prozent anhebt, weil er sonst eigentlich nicht wirtschaftlich sein kann, wird ein Gros der Kunden mitziehen – aus Bequemlichkeit und Gewöhnung.

Auch aus den Fängen von Meta gibt es für viele Nutzer kaum noch ein Entrinnen. Hat man Facebook hinter sich gelassen, zählt man dennoch sehr wahrscheinlich zu der großen Nutzerschaft von Whatsapp. Als der Dienst 2021 für einige Stunden außer Betrieb war, stieß das Netz einen kollektiven Verzweiflungsschrei aus. Das und diverse Sicherheitsbedenken bei dem Chat-Programm haben trotzdem zu keiner Abwanderung auf andere Services geführt. "Meine Mama ist auch noch auf Whatsapp, was soll ich machen", war vielerorts zu lesen. Diese etablierten Ökosysteme – was soll man da machen?

Für ein paar Dollar mehr

Amazon hat über die Jahre immer mehr Dienste exklusiv in das Prime-Abo geschoben, etwa ein Erstschlagsrecht beim Prime Day oder auch Prime Gaming, das diverse Spielangebote mit sich bringt. Bestehenden Kunden war es egal, aber eine Kündigung fühlt sich heute natürlich schwerwiegender an, als es noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre, da man jetzt mehr Boni aufgibt. Am Ende entscheidet trotzdem immer der Kunde. Wenn ein Preisanstieg – gerade in Zeiten wie diesen – unzumutbar erscheint, gilt es den Service zu kündigen, wie das zuletzt viele bei Netflix getan haben. Wer all die Vorteile von Amazon Prime nutzt, der wird wohl auch die 90 Euro im Jahr bezahlen, ohne sich in den Schlaf weinen zu müssen. Disney+ kostet aktuell genauso viel und ist in seiner Funktionalität weit eingeschränkter als der Paketriese mit den oftmals zweifelhaften Arbeitsbedingungen. (Alexander Amon, 27.7.2022)