Kletterer wie Charles Dubouloz haben eine hohe Griffkraft. Ihre Stärke kann Auskunft über die Gesundheit geben.

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Manche Begrüßungen laufen anders als erwartet: Die herzhaft ergriffene Hand Ihres Gegenübers gibt überraschend nach, spürbar verschieben sich die Knöchel unter Ihrem Händedruck. Erschrocken überprüfen Sie, ob die Hand, die sich eben noch wie ein feuchtes Papiersackerl zerknautschen ließ, nicht dauerhaft beschädigt ist – für beide Seiten kein angenehmes Kennenlernen.

Ein schwacher Händedruck kann schon stören, nicht nur bei Begrüßungen, sondern gewissermaßen auch bei Marmeladen- oder Essiggurkerlgläsern. Weniger bekannt ist, dass ein schwacher Händedruck auch auf Krankheiten rückschließen lässt. Geringe Griffstärken verweisen auf Lungen- und Herzprobleme, wie zahlreich Studien berichten. Daher dürfte auch ein Zusammenhang zwischen dem Händedruck und der Lebenserwartung bestehen.

Grenzwert gesucht

Gesucht war nun ein Schwellenwert, an dem sich Ärztinnen und Ärzte orientieren können: Hat ihr Patient eine Griffkraft, die unter diesem Wert angesiedelt ist, liegt sehr wahrscheinlich ein gesundheitliches Problem vor. Ähnlich wie bei Menschen mit zu niedrigem Blutdruck – oder zu hohem – würden die Mediziner dann weitere Untersuchungen einleiten. Doch bisher konnten noch keine eindeutigen Schwellenwerte bestimmt werden, die Alter, Geschlecht und Körpergröße mitberücksichtigen.

Ein fester Händedruck verrät Gesundheit. Vielleicht empfinden wir ihn deshalb als angenehm.
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Forscherinnen und Forscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ) konnten jetzt solche Grenzwerte formulieren. Mittels eines Dynamometers erhoben sie die Kraft des Händedrucks von über 8.000 US-Amerikanerinnen und US-Amerikanern zwischen 50 und 80 Jahren. Diese Werte verglichen sie mit den Gesundheitsdaten der Studienteilnehmer.

Händedruck als Screening-Werkzeug

Die Forscher stellten aber nicht pauschal den Vergleich zwischen kranken und gesunden Menschen an, sondern verglichen stets die Griffkraft von Menschen gleichen Alters, Geschlechts oder Größe. So konnten Abweichungen des Händedrucks durch diese Faktoren herausgerechnet werden. Ihre Untersuchungen zeigen, dass schon geringfügig verringerte Griffstärken mit signifikant verringerter Lebenserwartung zusammenhängen.

"Die Kraft des Händedrucks ist günstig und leicht zu messen und könnte daher zur frühzeitigen Diagnose von Gesundheitsproblemen dienen", sagt Nadia Steiber, Mitautorin der neuen Studie. Die Soziologin der Universität Wien empfiehlt, die Griffstärke als Screening-Werkzeug in die ärztliche Praxis aufzunehmen: "Den Händedruck von Menschen ab der zweiten Lebenshälfte zu überwachen könnte zur Gesundheitsvorsorge einer alternden Gesellschaft beitragen", so Steiber.

Speziell die Handmuskulatur zu trainieren hat wohl keine Auswirkung auf die Lebenserwartung.
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Indikator für Muskelstärke

Umgekehrt fanden die Wissenschafterinnen und Wissenschafter dagegen keinen Zusammenhang: Menschen mit überdurchschnittlich starkem Händedruck leben nicht unbedingt länger. Denn offenbar ist es nicht die Griffkraft an sich, die lebensverlängernd wirkt. Vielmehr zeigt die Studie, dass ein zu schwacher Händedruck ein verlässlicher Indikator für eine mangelnde allgemeine Muskelstärke ist, die mit einem erhöhten Sterberisiko einhergeht.

Die Forscher betonen, dass ein gesunder Lebenswandel und genügend Sport immer noch die besten Voraussetzungen für ein gesundes Leben sind. Selektives Krafttraining des Händedrucks bringe demnach nichts. Sie können also Ihren Stressball wieder wegpacken. (Dorian Schiffer, 27.7.2022)