Wetterextreme und Ereignisse wie Waldbrände lassen sich immer häufiger dem Klimawandel zuschreiben.

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Lange Zeit scheute die Wissenschaft davor zurück, kurzfristig auftretende Extremereignisse wie Hitzewellen, Dürrekatastrophen, Waldbrände, aber auch Überschwemmungen und andere Phänomene direkt dem Klimawandel zuzuschreiben. Die Attributionsforschung hat in den vergangenen Jahren – auch auf Basis neuer und besserer Daten – versucht, die Zusammenhänge aufzuschlüsseln. Einige Fragen können eindeutig beantwortet werden, bei anderen bleibt es kompliziert.

Frage: Sind Hitzewellen auf den Klimawandel zurückzuführen?

Antwort: "Bei Hitzeextremen ist der Einfluss des Klimawandels sehr klar, und wir können mittlerweile sagen, dass quasi jede Hitzewelle durch den Klimawandel in ihrer Intensität verstärkt wurde", erklärt Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

Da Hitzewellen Ereignisse seien, die am oberen Rand der Temperaturverteilung stattfinden, lasse sich dieser Zusammenhang recht einfach herstellen: "Ein Verschieben der Temperaturverteilung hin zu höheren Temperaturen führt zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen. Dementsprechend werden Kältewellen seltener." In Österreich lässt sich das auch statistisch ablesen. Die Anzahl der Hitzetage hat stark zugenommen.

Zu dieser Einschätzung kommt auch Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig: "Hitzewellen, die mittlerweile sehr leicht dem Klimawandel zuzuordnen sind, nehmen sowohl über Land als auch in den Ozeanen zu. Insbesondere über Land haben sich die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von extremen Hitzeereignissen um den Faktor 10 bis 100 erhöht." Da der global beobachtete Temperaturanstieg von circa 1,2 bis 1,3 Grad vollständig menschengemacht sei, könne jede statistisch nachweisbare Änderung auch entsprechend dem Menschen zugeschrieben werden.

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Frage: Wie hängen Dürre und Hitze zusammen?

Antwort: "Für Dürren ist der Zusammenhang mit dem Klimawandel generell schwieriger. Einerseits hält die wärmere Atmosphäre mehr Wasser, was im globalen Mittel zu erhöhtem Niederschlag führt. Auf der anderen Seite entziehen hohe Temperaturen dem Boden mehr Wasser durch Verdunstung, was in vielen Regionen häufiger zu trockenen Böden führt", analysiert Zscheischler. Besonders betroffen davon ist der Mittelmeerraum.

In Europa ist aktuell vor allem Italien von einer großen Dürre betroffen.
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Laut Friederike Otto, Professorin am Environmental Change Institute der University of Oxford, seien aber auch in Zentral- und Osteuropa die Auswirkungen von Dürre dramatischer – zum einen durch die höheren Temperaturen, zum anderen durch die Begradigung von Flüssen.

Sebastian Sippel vom Institut für Klima und Atmosphäre der ETH Zürich zufolge muss man bei Trockenheit zunächst die Begrifflichkeit klären. So könne darunter das akkumulierte Niederschlagsdefizit, die Trockenheit der Luft, die Wasserbilanz inklusive Verdunstung oder auch der Bodenwassergehalt gemeint sein, der für Ökosysteme besonders relevant sei. Da die tatsächliche Verdunstung durch die Temperaturerhöhung steige – wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen –, könne der anthropogene Klimawandel mehr Trockenheit im Sinne der Wasserverfügbarkeit verursachen.

"So wurde beispielsweise für den Südwesten der USA gezeigt, dass die anthropogene Erwärmung über erhöhte Verdunstung zu einer Verschärfung der Trockenheit beigetragen hat", erklärt Sippel. Auch eine Analyse von Messdaten und Modellen in der Schweiz habe ergeben, dass erhöhte Verdunstung in den vergangenen Jahren den Trend zu mehr Trockenheit deutlich verstärkt habe. "Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass global mehr Regionen von landwirtschaftlicher oder ökologischer Trockenheit betroffen sein werden."

Frage: Steigt die Gefahr von Waldbränden?

Antwort: Als meteorologische Bedingungen, die Brände begünstigen, gelten das gleichzeitige Auftreten von Hitze, geringer Luft- und Bodenfeuchte und Wind. Dass der Klimawandel dieses sogenannte "Feuerwetter" global begünstigt, kann global gesehen nicht mit Sicherheit behauptet werden. Für bestimmte Regionen, etwa Südeuropa, Australien und di USA, konnte die Häufung aber nachgewiesen und mit dem Klimawandel in Zusammenhang gebracht werden.

"Mehr Hitze sorgt für mehr Verdunstung und somit bei gleichbleibendem Niederschlag für trockenere Böden. Selbst mehr Niederschlag in Summe muss nicht weniger Dürre bedeuten, da die Anzahl trockener Tage zunimmt – bei gleichzeitiger Zunahme der Niederschlagsintensität, wenn es mal regnet. Mit zunehmender Dauer der Trockenphasen nimmt selbstredend auch das Waldbrandrisiko zu. Kommt dann noch Wind dazu – was im Sommer bei trockenen Wetterlagen sehr häufig ist –, wird es kritisch", sagt Haustein.

Waldbrände treten oft mit "Feuerwetter" auf.
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Bei den Waldbränden in Schweden 2018 habe man zwar keinen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel gefunden. Das sei aber eher der dünnen Datenlage geschuldet. "Keine klare Aussage treffen zu können heißt nicht, dass es den Zusammenhang nicht dennoch gibt. Es dauert nur länger, bis man ihn sicher nachweisen kann. Generell steigt sowohl Dürre- als auch Waldbrandgefahr mit jedem Zehntel Grad globaler Erwärmung weiter", ist der Forscher überzeugt.

"Generell befördern Hitze und Dürre Waldbrände, aber es benötigt auch brennbares Material und etwas, das den Waldbrand entzündet. Zum Beispiel einen Blitz oder, wie in den meisten Fällen, Fahrlässigkeit. Hitze und Dürre führen dann dazu, dass sich der Waldbrand weiter ausbreiten kann. Diesen Zusammenhang kann man schon recht gut nachweisen, beispielsweise bei den großen Waldbränden in den vergangenen Jahren in Kalifornien", fasst Zscheischler die Datenlage zusammen.

Frage: Warum zierte sich die Forschung lange, Einzelereignisse kausal auf Veränderungen des Klimas zurückzuführen?

Antwort: "Ein einzelnes Extremereignis ist erst mal immer nur eine Manifestation von Wetter. Was sich ändert, ist die Häufigkeit bestimmter Wetterlagen, wie Hitze- und Niederschlagsextreme. Manche Extreme – wie beispielsweise die Hitze in Kanada 2021 oder das Überschreiten der 40 Grad Celsius im Vereinigten Königreich diese Woche – sind wiederum so weit jenseits des Erwartbaren, dass sie ohne den menschlichen Einfluss quasi nicht möglich gewesen wären." erklärt Haustein.

In solchen Fällen liege es nahe, davon auszugehen, dass die Hitzewelle zwar auch ohne Klimawandel gekommen wäre, aber eben zwei bis drei Grad kühler ausgefallen wäre. Insofern könne man zumindest in den extremsten Fällen von Hitze schon jetzt sagen, dass bestimmte Ereignisse im Prinzip kausal menschengemacht sind. Für die große Masse der Extremereignisse handle es sich jedoch um ein statistisches Problem, dem man mit der Abschätzung geänderter Auftretenswahrscheinlichkeiten beikomme.

Eine weitere Erklärung ist, dass die Methoden und Werkzeuge, um den kausalen Zusammenhang herzustellen, bis vor kurzem noch nicht existierten. Durch die Attributionsforschung habe sich das stark verändert. "Es stimmt natürlich, dass etwa Hitzewellen durch atmosphärische Variabilität entstehen und Klimaveränderungen lediglich die Häufigkeit und Intensität solcher Ereignisse verstärken", sagt Sippel. Deshalb sei es korrekt, dass sich keine Hitzewelle ausschließlich dem Klimawandel zuschreiben lässt. Über die Häufigkeits- und Intensitätsparameter könne man aber dennoch auch Einzelereignisse zuschreiben. "Diese Attribution hat sich in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt." (Martin Stepanek, 28.07.2022)