"Pläne haben wir. Das Virus hält sich nicht an Pläne": Gesundheitsminister Johannes Rauch in der "ZiB 2".

Foto: Screenshot ORF TVthek

Wie sollen positiv getestete Mitarbeiterinnen am Arbeitsplatz acht Stunden die Maske aufbehalten und nicht essen oder trinken? Damit haben die Unternehmen doch schon Erfahrung. Wie sollen positiv getestete Kinder nun in den Kindergarten dürfen, wenn die Stadt Wien das verbietet? Macht doch eh kein Vater, keine Mutter. Werden positiv Getestete tatsächlich mit Maske ins Schwimmbad und Lokal gehen – aber beim Wirten nichts essen oder trinken? Man kann doch "nicht jeden Beistrich auf Punkt und Beistrich mit einer Verordnung des Gesundheitsministers regeln".

Gesundheitsminister Johannes Rauch verteidigt Dienstagabend in der "ZiB 2" mit größtmöglicher Gelassenheit die Aufhebung der Isolationspflicht für positiv Getestete unter den beharrlichen Fragen von Martin Thür. Es ist keine leichte Aufgabe, wenn Thür darauf hinweist, dass selbst das Gesundheitsministerium die Isolation positiv Getesteter als eine der wirksamsten Maßnahmen einordnet.

Frauen-Rollen

Den Hinweis, dass selbst seine Frau, die Vorarlberger SPÖ-Vorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger, gegen die Aufhebung wettert, ordnet er als seltsames Frauenbild ein und führt ihre Meinung am Ende selbst auf ihre "Rolle" als Parteichefin zurück: "Ich liebe meine Frau, sie hat eine andere Meinung, und das ist auch gut so. Ich weiß nicht, wo das Frauenbild herkommt, dass Frauen offensichtlich die Meinung ihres Mannes teilen müssen. Das ist nicht der Fall. Sie spricht in ihrer Rolle als SPÖ-Vorsitzende, das ist überhaupt kein Thema. Zur Sache selbst, ich halte das für vertretbar."

"Es gibt keinen Druck, entschuldigen Sie!"

Druck der Wirtschaft? "Es gibt keinen Druck, entschuldigen Sie!", sagt Rauch, und er sagt mit einer Woody-Allen-Miene: "Wissen Sie, ich bin lange genug im Geschäft und auch alt genug, ich bin auf Druckausübung nicht gepolt und bin nicht jemand, der Druck nachgibt."

Rauch erklärt das schwer Erklärbare denn mit einer "Abwägungsentscheidung", mit den Kollateralschäden der Pandemie jenseits schwerer Erkrankungen, Todesfällen, Long Covid: "Es gibt massive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern, von Jugendlichen, von alten Menschen. Es gibt gesellschaftliche Kollateralschäden. Wir müssen einfach darauf schauen, dass wir in einer Situation, wo wir zweieinhalb Jahre Pandemie auch mit intensiven Auseinandersetzungen, die bis tief in die Familien, in die Vereine hineingegangen sind, und in Anbetracht einer Situation, die im Herbst nicht einfacher wird, mit Teuerung, mit Energiefragen, ein gesellschaftliches Klima schaffen, wo wir in Ruhe und Ordnung einen Weg gehen, mit dieser Pandemie zu leben."

Thür, gar nicht aufgeregt

Rauch holt zwischendurch auch zum kommunikativen Gegenschlag aus, und es wirkt gar nicht so absichtsvoll, als er sagt: "Wir werden lernen müssen als Nation, mit dieser Pandemie einen guten Umgang zu finden. Ich bin zuversichtlich, das wird gelingen. Und damit gut zurande zu kommen. Ohne Aufregung …"

Thür jedenfalls fühlt sich da doch gleich angesprochen: "Ich bin gar nicht aufgeregt, ich kenne nur einige Verordnungen von Gesundheitsministern, die sich dann in der Praxis als deutlich schwieriger umzusetzen gezeigt haben als vorher gedacht."

"Warum sollten Ihnen die Zuseherinnen und Zuseher glauben?"

Thür versucht es zum Schluss noch mit der Vogelperspektive: "Seit drei Jahren geht das ja schon so: Gesundheitsminister sitzt hier im 'ZiB 2'-Studio, sagt, eine Maßnahme werde abgebaut, ein paar Wochen später im Herbst sitzt dann derselbe Gesundheitsminister wieder hier und sagt: Da hat man sich ein bisserl vertan, das war wahrscheinlich nicht klug, die Zahlen steigen wieder. Warum sollten Ihnen die Zuseherinnen und Zuseher glauben, dass es heuer ganz anders ist als in den letzten zwei Jahren?"

"Das Virus hält sich nicht an Pläne" – aber der Minister hat welche

Hier kommt der Gesundheitsminister an einen schwierigen Punkt. Wenn man auf einen schnellen Punkt aus ist, könnte man ihn so zusammenfassen: Er hat Pläne für ein nicht planbares Virus. Aber in Ruhe gehört oder gelesen, zeichnet er die schwierige Situation relativ nachvollziehbar: "Es ist nicht planbar, und das wissen wir. Deshalb haben wir diesen Variantenmanagementplan gemacht, mit vier möglichen Szenarien. Es gibt natürlich Möglichkeiten, dass sich das weiter verschärft und zuspitzt, dann können wir darauf reagieren. Pläne haben wir. Das Virus hält sich nicht an Pläne. Wir werden dann reagieren, wenn neue Varianten auftauchen."

"Wir sind top vorbereitet"

Und erst sagt Rauch vorsichtig: "Jetzt halten wir uns für gut gerüstet, in den Herbst zu gehen." Gleich danach aber wird er so bestimmt, dass er den Satz bald so häufig hören könnte wie ein Tiroler Gesundheitslandesrat, der alles richtig gemacht haben wollte: "Wir sind top vorbereitet."

Rauch verweist auf "Maßnahmen, die wir gesetzt haben" – jetzt aber hebt er eine erwiesenermaßen recht wirksame auf. "Es gibt zusätzliche Absicherungen."

Letzter Appell: "Wir haben, das ist mein letzter Appell, mit der Impfung eine wirklich super Möglichkeit in der Hand, schwere Verläufe zu verhindern, Long Covid zu verhindern. Bitte sich impfen, sich auffrischen zu lassen!" (Harald Fidler, 27.7.2022)