Zwischen Lapid und Putin verhärten sich die Fronten.

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Fünf Monate nach Beginn des Krieges in der Ukraine wird Russlands Aggression auch für die diplomatischen Beziehungen mit Israel zur Belastung. Moskau will ausgerechnet jene von Israel finanzierte Agentur schließen, die den dort lebenden jüdischen Familien die Ausreise nach Israel ermöglicht. Für Jüdinnen und Juden wird das Leben in Russland angesichts der starken Einschränkungen der Grundrechte immer schwieriger. Seit Beginn des Kriegs sind mehr Juden aus Russland nach Israel geflüchtet als aus der Ukraine.

Nicht nur deshalb wird die geplante Schließung der Jewish Agency durch Moskau in Israel als schwere Provokation gesehen. Die Agentur gilt als wichtigste Verbindungsstelle zwischen Israel und den Juden in der Welt, sie hat für die Regierung hohe Priorität.

Zwar hatte Putin den Schritt schon vor drei Wochen angekündigt. Damals hatte man in Jerusalem aber noch gehofft, die Wogen glätten zu können. Nun scheint Moskau aber auf dem umstrittenen Vorstoß zu beharren, wobei sich der Kreml dabei auf "rechtliche Probleme" beruft: Dass die Jewish Agency Daten der ansässigen jüdischen Bevölkerung sammle und somit in deren Privatsphäre eindringe, verstoße gegen russisches Grundrecht, behauptet Moskau. Und die Sprecherin des russischen Außenministeriums reagierte auf Israels Kritik am Dienstag mit einer rhetorischen Offensive: Israels Haltung sei "komplett destruktiv und voreingenommen", der Staat schließe sich nun der "antirussischen" Propaganda des Westens an.

Israel zum Ukraine-Krieg bisher vorsichtig

Das konnte man Israel bisher nicht vorwerfen. Zwar lieferte Israel in großzügigem Maße humanitäre Hilfe in die Ukraine, unter anderem wurde ein Zeltspital aufgebaut und medizinisches Personal aus Israel eingeflogen. Vor einer klaren Verurteilung des russischen Angriffskriegs schreckte man bisher an der Regierungsspitze aber eher zurück. Der bis vor kurzem amtierende Premierminister Naftali Bennett wurde bekannt dafür, sich gegen den Krieg auszusprechen, ohne aber dazuzusagen, wer diesen begonnen hatte.

Klarere Worte fand da sein damaliger Außenminister Jair Lapid, der im Juni das Amt des Premierministers übernommen hat. Lapid hatte bereits bald nach Beginn der Invasion seine klare Ablehnung des russischen Vorgehens ausgedrückt. An den internationalen Sanktionen beteiligt sich Israel aber nach wie vor nicht.

Ob das russische Vorgehen gegen die Jewish Agency eine Reaktion auf Lapids Amtsübernahme war, ist ein Gerücht, das sich in Jerusalem hartnäckig hält. Moskau könnte Lapid in seine rhetorischen Schranken weisen wollen, heißt es.

Israelische Jets von russischen Stellungen beschossen

Am Dienstag wurde dann auch noch ein weiteres brisantes Detail vom israelischen Verteidigungsminister bestätigt, das nun ebenfalls Spekulationen befeuert: Am 13. Mai beschossen russische Stellungen in Syrien israelische Militärjets. Bisher waren solche Informationes unter Militärzensur gestanden. Dass die Zensur ausgerechnet jetzt gelockert wurde, ist vielleicht kein Zufall. Israels Verteidigungsminister Benny Gantz betont jedoch, dass es sich um einen "einmaligen Vorfall" gehandelt habe.

Eine aktuelle Entscheidung der israelischen Regierung dürfte Moskau nicht unbedingt milde stimmen. Am Dienstag wurde bekanntgegeben, dass Israel die humanitäre Hilfe an die Ukraine aufstockt. Zum ersten Mal werde man dabei auch ukrainische NGOs finanziell unterstützen, heißt es. Neun humanitäre Organisationen, die vor Ort Hilfsleistungen bieten, bekommen nun Geld aus Israel. Bisher hatte Israel nur Direkthilfe geleistet.

Aufruf zur Besonnenheit

Der israelische Staatspräsident Isaak Herzog rief am Dienstag alle Seiten auf, den Konflikt besonnen anzugehen, zu wichtig sei Russland als Verbündeter Israels. Premierminister Jair Lapid sendete daraufhin versöhnliche Signale in Richtung Moskau: "Sollte es rechtliche Probleme in Verbindung mit der wichtigen Tätigkeit der Jewish Agency in Russland geben, dann ist Israel wie auch bisher bereit, in einen Dialog einzutreten und zugleich die wichtigen Beziehungen zwischen den beiden Staaten aufrechtzuerhalten."

Am Mittwoch gab das Büro von Premierminister Jair Lapid bekannt, dass am Abend eine israelische Delegation nach Moskau reisen werde, um sich dort mit den zuständigen Beamten zu treffen. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 27.7.2022)