"Es gibt nämlich jene Welt, in der sich die europäischen Völker mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen", sagte Orbán am Wochenende.

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Budapest/Wien – Ungarns Premier Viktor Orbán hat sich nach der heftigen Kritik an seinen Aussagen zur "Rassenvermischung" vom vergangenen Samstag versucht zu rechtfertigen. Er behauptete in einem Schreiben von Dienstagabend, dass Ungarn hinsichtlich Antisemitismus und Rassismus eine "Politik der Nulltoleranz" verfolge.

Orbán richtete sein Schreiben an seine langjährige Mitstreiterin, die Soziologin Zsuzsa Hegedüs. Die Beauftragte des Regierungschefs für gesellschaftlichen Anschluss war aus Empörung über die rassistischer Äußerungen Orbáns am Dienstag zurückgetreten. Diese Aussagen "wären Goebbels-würdig", hatte Hegedüs in einem offenen Brief an den Premier in Anspielung auf NS-Propagandaminister Joseph Goebbels erklärt.

Der Regierungschef verwies in dem Schreiben an Hegedüs auf seine christlichen Überzeugungen als Beweis dafür, dass er kein Rassist sein könne: "Wir kennen uns ewig, und Du kennst meine Auffassung, nach der der liebe Gott jeden Menschen nach seinem Bild erschaffen hat", schrieb Orbán. Deswegen sei Rassismus in seinem Fall "ab ovo ausgeschlossen". Er nahm den Rücktritt von Hegedüs mit Bedauern zur Kenntnis.

Ansprache in Rumänien

Orbán hatte am Samstag in einer Rede vor Anhängerinnen und Anhängern in Băile Tușnad erklärt: "Es gibt nämlich jene Welt, in der sich die europäischen Völker mit den Ankömmlingen von außerhalb Europas vermischen. Das ist eine gemischtrassige Welt." Dem gegenüber gebe es das Karpatenbecken, wo sich europäische Völker wie Ungarn, Rumänen, Slowaken und andere miteinander vermischten. "Wir sind bereit, uns miteinander zu vermischen, aber wir wollen nicht zu Gemischtrassigen werden", hatte er bei seiner heurigen Ansprache im Rahmen der von Angehörigen der ungarischen Minderheit in Rumänien veranstalteten Sommeruniversität betont.

Zudem machte Orbán eine Anspielung im Zusammenhang mit dem Holocaust: "Da ist zum Beispiel der neueste Vorschlag der EU-Kommission, der besagt, dass jeder seinen Gasverbrauch verpflichtend um 15 Prozent senken soll. Ich sehe nicht, wie sie erzwingen wollen, obwohl es dafür deutsches Know-how gibt. Von früher, meine ich." Deutsches Know-how in Zusammenhang mit Gas, zweifelsfrei hat Ungarns Ministerpräsident damit auf die Gaskammern im nationalsozialistischen Reich angespielt.

Internationale Kritik

Die Aussagen des Regierungschefs wurden von vielen Seiten im In- und Ausland heftig kritisiert, darunter auch vom Internationalen Auschwitz Komitee. Komitee-Vizepräsident Christoph Heubner hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) aufgefordert, dieser solle Orbán mitteilen, "wie seine rassistischen Ausflüge in die Vergangenheit und in die Zukunft Europas innerhalb der Europäischen Union bewertet werden".

Auch Ungarns Oberrabbiner Róbert Frölich hatte offene Kritik an Aussagen Orbáns zur "Rassenvermischung" geübt. "Viele Rassen bevölkern unseren Planeten. Auf zwei Beinen, arbeitend, sprechend, manchmal auch nachdenkend gibt es aber nur eine Rasse auf dieser Erde: den Homo sapiens sapiens. Diese Rasse ist eine und unteilbar", kommentierte der Oberrabbiner Orbáns Aussagen auf Facebook.

Nehammer vor Besuch: "Scheue das Gespräch nicht"

Orbán besucht am Donnerstag Nehammer in Wien. "Seine Aussagen sind ohne Zweifel zu kritisieren", sagte Nehammer am Mittwochnachmittag bei einer Pressekonferenz. "Das werde ich auch tun. Ich scheue das direkte Gespräch nicht."

Neben dem Krieg in der Ukraine wird der Kampf gegen illegale Migration im Fokus des Treffens stehen. Nehammer verwies auf Grenzübertritte, deren "Masse findet an der österreichisch-ungarischen Grenze statt". Ungarn sei "strategisch ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Schlepperei". (APA, red, luza, 27.7.2022)